Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 672/98, Beschluss v. 24.08.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 30. März 1998 werden als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Der Angeklagte T, war Vorsitzender des Vorstands einer Wohnbaugenossenschaft (G.). Unter Freispruch im übrigen wurde er wegen Untreue in sieben Fällen, sämtlich begangen zum Nachteil der G. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Der Angeklagte K. war Mitglied des Aufsichtsrats der G. Er wurde wegen Untreue in drei Fällen, sämtlich gemeinsam mit T. begangen (Fälle III 1 bis 3 der Urteilsgründe), zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Hinsichtlich eines weiteren, beiden Angeklagten zur Last liegenden Vorwurfs wurde das Verfahren durch das Urteil wegen Verjährung eingestellt.
Die Revisionen der Angeklagten sind auf die, von der Revision des Angeklagten T. zu den Fällen III 2 und 3 näher ausgeführte, Sachrüge und eine Reihe von Verfahrensrügen gestützt, die teilweise von beiden Angeklagten identisch erhoben sind.
Die Revisionen bleiben erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Aussetzungsantrag vom 25. September 1997
a) Rechtsanwalt Sch. hatte der Strafkammer vor der Hauptverhandlung die Niederlegung seines Mandats mitgeteilt, die "unabhängig davon (erfolgt), daß die Terminierung mit mir nicht abgesprochen war" Schon deshalb bleibt die Rüge gegen die Ablehnung des Aussetzungsantrags erfolglos, soweit sie auf die Verhinderung von Rechtsanwalt Sch. gestützt ist.
b) Ebensowenig kann die Revision mit dem Vorbringen gehört werden, eine Aussetzung des Verfahrens sei deshalb geboten gewesen, weil eine ordnungsgemäße Verteidigung des Angeklagten allein durch Rechtsanwalt S. nicht gewährleistet gewesen sei. Konkrete Anhaltspunkte hierfür sind weder der Begründung des Aussetzungsantrags zu entnehmen noch sind sie sonst ersichtlich. Zwar wäre eine (inhaltliche) Darlegung des beabsichtigten Verteidigungsvorgehens nicht erforderlich gewesen, die nach der Begründung des Aussetzungsantrags vorgesehen gewesene Arbeitsteilung zwischen Rechtsanwalt Sch. und Rechtsanwalt S. ist jedoch auch nicht unter formalen Gesichtspunkten (z.B. unterschiedlichen Anklagevorwürfen oder anderen sachlichen Kriterien) konkretisiert. Dies wäre schon deshalb notwendig gewesen, weil Rechtsanwalt S., der bereits im Frühjahr 1996 mit der Verteidigung des Angeklagten beauftragt worden war, seither mehrfach umfassend Akteneinsicht gehabt hatte und z.B. in einer über 20 Seiten langen Stellungnahme gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 StPO eingehend zu den mit den Anklagevorwürfen weitgehend identischen Vorwürfen des Haftbefehls Stellung genommen und unter Würdigung des Akteninhalts einen dringenden Tatverdacht verneint hatte. Unter diesen Umständen ist die Annahme der Strafkammer, eine ordnungsgemäße Verteidigung des Angeklagten sei (auch allein) durch Rechtsanwalt S. gewährleistet, rechtlich nicht zu beanstanden.
2. Anträge vom 2. März 1998
a) Der Verteidiger hatte beantragt,
(1) ihm die Einsicht in die im Laufe des Verfahrens zusätzlich beigezogenen Akten nicht nur in den Räumen des Gerichts zu gestatten, sondern in seiner Kanzlei zu ermöglichen,
(2) weitere Akten beizuziehen,
(3) das Verfahren auszusetzen, da er sonst all diese Akten nicht durcharbeiten könne.
(b) Vergeblich rügt die Revision, daß keiner dieser Anträge Erfolg hatte
(1) Auf die Art der Ausgestaltung des Rechts auf Akteneinsicht kann schon im Hinblick auf § 336 Satz 2 StPO i.V.m. § 147 Abs. 4 Satz 2 StPO eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden. Außerdem besteht kein Anspruch auf Akteneinsicht in der Kanzlei (BGH b. Pfeiffer/Miebach NStZ 1985, 13; BGH DRiZ 1990, 455 m.w.Nachw.).
(2) Nachdem von der Strafkammer eingeholte dienstliche Äußerungen von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung (vgl. § 386 AO) ergeben hatten, daß sämtliche Akten, die für die Beurteilung der Anklagevorwürfe erhebliche Erkenntnisse enthielten, dem Gericht vorlagen, war die Beiziehung weiterer Akten, die in dem ursprünglich weit mehr Beteiligte betreffenden Gesamtkomplex angefallen waren, kein Gebot der Aufklärungspflicht (vgl. BGHSt 31, 131, 142 f.; BVerfGE 63, 45, 65 f.). Die gegenteilige Annahme der Revision ist nicht auf konkrete Tatsachen gestützt (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Insbesondere ergibt sich aus ihrem Vorbringen nicht, daß konkret bezeichnete, für das Verfahren wesentliche Erkenntnisse nicht schon in den von den Strafverfolgungsbehörden vorgelegten Akten enthalten gewesen sondern sich erst aus den auf Antrag der Verteidigung im Laufe des Verfahrens ergänzend beigezogenen "ca. 250 Aktenordner(n)" ergeben hätten.
(3) Nach alledem war auch für die beantragte Aussetzung des Verfahrens kein Raum.
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte T. die Fa. A. veranlaßt, ein Angebot an die G. zur Errichtung einer Seniorenwohnanlage um 229.000.- DM zu erhöhen. Vereinbarungsgemäß wurde dieser Betrag so dann von der Fa. A. mit Hilfe des Angeklagten K. unter Verwendung fingierter Rechnungen an Firmen in der Schweiz und in Liechtenstein transferiert, von wo er an die Angeklagten persönlich zurückfloß. Dies führte auch zu einem Schaden der G. weil - entgegen den Einlassungen der Angeklagten - damit nicht anderweitige Schulden der G. gegenüber dem Angeklagten K. getilgt wurden.
1. Die gegen diese Feststellungen gerichteten Verfahrensrügen versagen.
a) Vernehmung des Zeugen L.
Die Strafkammer durfte den Beweisantrag auf persönliche Vernehmung des Zeugen im Hinblick auf die gemäß § 251 Abs. 2 StPO erfolgte Verlesung der Niederschriften seiner Vernehmungen ablehnen. Entgegen dem Vorbringen der Revision hat er sich (unter Ziffer 12 der Vernehmung vom 23. März 1992) zu der in dem Beweisantrag in sein Wissen gestellten Behauptung ausdrücklich geäußert. Gründe für die Annahme, daß seine persönliche Vernehmung gleichwohl ein Gebot der Aufklärungspflicht gewesen wäre, sind weder ausdrücklich vorgetragen noch sonst ersichtlich.
b) Vernehmung des Zeugen Schm.
Die Strafkammer hat den Beweisantrag dahin verstanden, der Zeuge solle bekunden, er sei angewiesen worden, die Zahlungen in einer bestimmten Weise zu verbuchen und hat ihn, insoweit von der Revision unbeanstandet, wegen Bedeutungslosigkeit zurückgewiesen. Aus den Gründen dieses Beschlusses wird deutlich, daß die Strafkammer die Ausführungen in dem Beweisantrag zu der Unrichtigkeit der Buchung und den Gründen hierfür nicht als Teil der Schm. gegebenen Anweisung angesehen hat, sondern als Schlußfolgerungen, die nach Auffassung des Antragstellers im Falle des Gelingens des Beweises zu ziehen gewesen wären (vgl. BGHSt 39, 251). Da auch in anderen Beweisanträgen zwischen Tatsachenbehauptung und Schlußfolgerung nicht immer klar getrennt ist, wäre es unter diesen Umständen Sache des Antragstellers gewesen, mit einem erneuten Antrag auf die jetzt geltend gemachte Verkürzung des Beweisthemas im Tatsächlichen hinzuweisen (BGH StV 1989, 465; BGH Urteil vom 13. Juni 1986 - 3 StR 10/86 [S. 8 i.]; Beschl. vom 8. September 1998 - 1 StR 352/98). Die Aufklärungspflicht gebot angesichts der gesamten Beweislage eine Vernehmung des Zeugen Schm. ebenfalls nicht.
c) Einholung eines kriminaltechnischen Gutachtens
Es trifft zwar zu, daß die Annahme von Bedeutungslosigkeit einer Beweisbehauptung regelmäßig in dem Ablehnungsbeschluß näher begründet werden muß. Jedoch ist dies dann nicht erforderlich, wenn die Bedeutungslosigkeit auf der Hand liegt (BGH NStZ 1982, 170, 171 m.w.Nachw.).
So verhält es sich hier.
Selbst wenn das beantragte Gutachten über das Alter einer vorgelegten Kopie mittelbar Rückschlüsse auf eine Forderung des Angeklagten T. gegen den Angeklagten K. aus einem Briefmarkengeschäft ermöglichen sollte und selbst wenn dies wiederum Rückschlüsse darauf zugelassen hätte, daß der Angeklagte K. mit einem Teil der 229.000.- DM diese Forderung beglich, brauchte die Strafkammer offensichtlich aus alledem nicht die hier allein bedeutsame Schlußfolgerung zu ziehen, daß mit dem Aufschlag auf die Rechnung der Fa. A. eine Forderung des Angeklagten K. an die G. beglichen wurde. Die Offensichtlichkeit von alledem wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Strafkammer in den Urteilsgründen mit auch nach Auffassung der Revision sachlich nicht zu beanstandenden knappen Erwägungen darlegt, daß sie angesichts der vielfältigen sonstigen Manipulationen der Angeklagten dem gesamten Vorbringen zu dem Briefmarkengeschäft keinerlei indizielle Bedeutung beimißt.
d) Verlesung von Notizzetteln ("Löhn-Dokus")
Die Revision beanstandet nicht, daß die Strafkammer den Antrag, die bis zu 7.400 Notizzettel zu verlesen, die der Angeklagte T, zwischen 1980 und Ende 1993 gefertigt hat, mangels Bestimmtheit des Beweismittels abgelehnt hat. Entgegen der Auffassung der Revision lag aber immer noch kein Beweisantrag vor, nachdem der Antrag auf die Verlesung der "Löhn-Dokus" beschränkt worden war, die der Angeklagte T. zwischen 1981 und 1992 unter dem Projektnamen "K." und zwischen 1981 und 1987 unter dem Projektnamen "BHM's" gefertigt hatte. Auch danach lag nur ein Beweisermittlungsantrag vor, nach dem aus einer Vielzahl von Unterlagen verfahrenserhebliche Unterlagen erst herausgesucht werden sollten (BGH Beschl. vom 8. Oktober 1992 - 1 StR 440/92; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 244 Rdn. 25 jew. m.w.Nachw.). Eine Verletzung der Aufklärungspflicht ist nicht ersichtlich.
2. Die Überprüfung des Schuldspruchs auf die insoweit nicht näher ausgeführte Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler ergeben.
1. Nach den Feststellungen kaufte Gi. auf Aufforderung des Angeklagten K. ein Grundstück für 1,2 Mio. DM, um es mit einem Aufschlag an die G. weiterzuverkaufen. Die Verkäuferin, die während der Vertragsverhandlungen zeitweilig sogar glaubte, die G. sei ihre Vertragspartnerin, wäre auch bereit gewesen, dieser das Grundstück zu dem genannten Preis zu verkaufen. Gi. schloß den Kaufvertrag erst ab, nachdem ihm, der auch hier mit dem Angeklagten K. zusammenarbeitete, zugesagt hatte, das Grundstück, das der Angeklagte K. in Verdeckung seiner wahren, dem Angeklagten T. bekannten, wirtschaftlichen Interessen der G. in seiner Eigenschaft als Makler angeboten hatte, alsbald für die G. zum Preis von 1,7 Mio. DM zu erwerben, was auch geschah. Den größten Teil des um Unkosten bereinigten Gewinns von 450.000 DM erhielt der Angeklagte K.
2. Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten T.
Allerdings ergeben die Urteilsgründe nicht, ob das Grundstück wirtschaftlich nicht 1,7 Mio. DM wert war. Die Revision meint, daher sei auch ein Schaden der G. nicht festgestellt. Die Möglichkeit, daß der Angeklagte das Grundstück für die G. zum Preise von 1,2 Mio. DM hätte erwerben können, müsse hier deshalb außer Betracht bleiben, weil der Angeklagte nicht verpflichtet gewesen wäre, sich mit diesem Ziel in die Verhandlungen von Gi. (K. ) mit der Verkäuferin einzumischen. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Der Angeklagte T. hat das der G. nachteilige Zwischengeschäft nicht nur nicht verhindert, sondern er hat mit seiner Zusage, das Grundstück alsbald von Gi. (K. ) zu einem höheren Preis zu kaufen, entscheidend auf die Durchführung des Zwischengeschäfts hingewirkt.
3. Auch hinsichtlich des Angeklagten K. hat das Landgericht die Feststellungen zutreffend rechtlich bewertet.
1. Der Sachverhalt ist ähnlich wie im Fall "V-Weg".
2. Auch die Revision bezweifelt letztlich die Richtigkeit des Schuldspruchs nicht, soweit er sich auf 550.000.- DM bezieht, die von Gi. über eine Schweizer "Domizilgesellschaft" (TI-AG), die selbst nicht über nennenswerte eigene Mittel verfügte, derer sich aber "Interessierte, die sich bedeckt halten wollten, zur Durchführung von Transaktionen und Geschäften bedienen konnten", den Angeklagten zufloß. Die Revision meint aber, die Strafkammer habe hier einen zu großen Schuldumfang zugrundegelegt, da sie, ohne Feststellungen zum wirtschaftlichen Wert des Grundstücks zu treffen, die gesamte Differenz zwischen dem von Gi. bezahlten (2,1 Mio. DM) und dem von der G. bezahlten Kaufpreis (3,45 Mio. DM) als Schaden der G. angesehen habe. Eine Pflicht zur Verhinderung des Zwischengeschäfts habe auch hier nicht bestanden. Damit ist aber auch hier verkannt, daß der nach den Feststellungen mögliche direkte Grundstückserwerb für die G. nur deshalb unterblieb und statt dessen zunächst Gi. warb, weil der anschließende Erwerb durch die G. das Grundstück bereits sichergestellt war. Dies ergibt sich ohne weiteres daraus, daß Gi. praktisch gleichzeitig mit dem Grundstückskauf den "Garantievertrag" mit der Schweizer Firma abschloß, obwohl diese selbst offensichtlich nichts garantieren konnte oder wollte, sondern derer sich die Angeklagten zur Verschleierung der Zahlung der 550.000.- DM durch Gi. an sie bedienten.
3. Aus alledem folgt zugleich, daß auch die Verfahrensrüge gegen die Ablehnung des Antrags auf Einholung eines Gutachtens über den wirtschaftlichen Wert des Grundstücks fehlgeht. Die Strafkammer hat ihn mit dem Hinweis darauf, daß die Feststellungen zum Schadensumfang davon nicht beeinflußt werden können, zutreffend als bedeutungslos angesehen.
4. Schließlich versagt auch die Verfahrensrüge hinsichtlich der Behandlung einer Wahrunterstellung in den Urteilsgründen.
Die Verteidigung hatte die Vernehmung des Zeugen Dr. H. beantragt, der bekunden sollte, daß die Angeklagten von dem Kaufangebot der ursprünglichen Eigentümerin an Gi. keine Kenntnis hatte. Dies sei ein Indiz dafür, daß das spätere Geschehen nicht von vornherein zwischen den Angeklagten und Gi. abgesprochen gewesen sei. Die Strafkammer hat den Antrag zurückgewiesen. Es könne als wahr unterstellt werden, daß die Angeklagten von der Abgabe des Angebots an Gi. nichts gewußt hätten. Darüber hinaus sei jedoch nichts in das Wissen des Zeugen gestellt. Aus dem, was in sein Wissen gestellt sei, könnten nur Schlußfolgerungen gezogen werden.
Mit diesen zutreffenden Ausführungen ist mit genügender Klarheit zum Ausdruck gebracht, daß der Beweisantrag im Kern bedeutungslos war. Auch wenn, wovon auch die Urteilsgründe ausgehen, die Angeklagten von der Abgabe des Angebots an Gi. nichts wußten, brauchte die Strafkammer daraus nichts zu dem Grund zu entnehmen, aus dem Gi. den Kaufvertrag später abgeschlossen hat. Daß die Angeklagten etwa schon zum Zeitpunkt des Angebots an Gi. ihr späteres Vorgehen beabsichtigt gehabt hätten, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht.
In diesen (nur den Angeklagten T. betreffenden) Fällen hat die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Die Strafzumessung ist hinsichtlich beider Angeklagter rechtsfehlerfrei.
Externe Fundstellen: NStZ 2000, 46
Bearbeiter: Karsten Gaede