Bearbeiter: Rocco Beck
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 126/95, Urteil v. 20.07.1995, HRRS-Datenbank, Rn. X
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 30. September 1994 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung in Tateinheit mit Landfriedensbruch zur Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt. Die hiergegen zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist zum Strafausspruch begründet. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft und die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten haben keinen Erfolg.
Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte gemeinsam mit einer größeren Anzahl gleichgesinnter Personen an der Blockade der A 8 (München-Stuttgart) beteiligt. Die Polizei hatte drei Omnibusse auf einem Rastplatz angehalten und nicht weiterfahren lassen. Daraufhin verteilten sich die Insassen dieser Busse auf die Fahrbahnen, stellten sich den herannahenden Fahrzeugen in den Weg und sperrten auf diese Weise den Verkehr. Dem Angeklagten war klar, daß hierdurch eine Vielzahl von Autofahrern an der Weiterfahrt gehindert wurde. Grund war der Unmut über das verwaltungsgerichtliche Verbot einer Kurdendemonstration in Augsburg.
Der Angeklagte führte einen Kanister mit Benzin bei sich. Als ein Polizeibeamter den Kanister ergreifen wollte, suchte der Angeklagte Schutz in der Menge Gleichgesinnter, die durch Schlagen, Ziehen und Treten gegen mehrere Beamte versuchte, seine Festnahme zu verhindern. "Ermuntert und gestärkt durch die ihn tatkräftig unterstützende Menschenmenge" bespritzte der Angeklagte die Bekleidung von drei Beamten mit Benzin. Haare und Gesicht eines dieser Beamten wurden von zwei Spritzern getroffen. Gleiches tat eine weitere Person, und ein dritter Mann versuchte - wegen des Windes vergeblich - ein Feuerzeug zu entzünden. Das auf den Boden gelangte Benzin "entzündete sich durch Verpuffung", als die Beamten sich etwa fünf Meter entfernt hatten.
Der Schuldspruch ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
1. Das gilt auch, soweit das Landgericht den Angeklagten nicht wegen eines Körperverletzungsdelikts verurteilt hat. Insoweit ist die Revision der Staatsanwaltschaft nicht begründet.
a) Bei der rechtlichen Würdigung geht das Landgericht davon aus, daß "das Schütten mit Benzin für sich gesehen nicht geeignet ist, die körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich zu beeinträchtigen. Auf der Haut führt es zu keinen Verletzungen. Selbst in der empfindlichen Augenbindehaut führt es in der Regel nur zu einer vorübergehenden leichten Reizung". Als allgemeine Wertung müßten diese Ausführungen rechtlichen Bedenken begegnen. Denn auch die Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens, wobei Zufügen von Schmerz nicht nötig ist, kann eine Mißhandlung im Sinne des § 223 StGB darstellen (vgl. hierzu Dreher/Tröndle, StGB 47. Aufl. § 223 Rdn. 3, 4). Hier hat das Landgericht jedoch nicht davon ausgehen wollen, daß das Schütten von Benzin ins Gesicht eines Menschen generell nicht geeignet sei, auch das Wohlbefinden mehr als nur unerheblich zu beeinträchtigen. Von der konkreten Sachlage ausgehend - nur zwei Spritzer ins Gesicht und Haar -, auf die das Landgericht ersichtlich abheben wollte, ist die Wertung einer nur unerheblichen Beeinträchtigung nicht zu beanstanden.
b) Soweit im Verhalten des Angeklagten ein Versuch der gefährlichen Körperverletzung gesehen werden könnte, hat das Landgericht - ohne daß ein Rechtsfehler erkennbar ist - einen entsprechenden Vorsatz des Angeklagten nicht sicher feststellen können.
2. Die Verurteilung wegen Nötigung hält auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Januar 1995 (NStZ 1995, 275 = NJW 1995, 1141) rechtlicher Überprüfung stand.
a) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung der Verfassung haben bindende Wirkung für die Gerichte (§ 31 Abs. 1 BVerfGG). Gegenstand und Reichweite ergeben sich aus der Entscheidungsformel in Verbindung mit den tragenden Gründen (BVerfGE 1, 14, 37; vgl. auch Maunz/Bethke in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, Kommentar zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz § 31 Rdn. 16).
b) Das Bundesverfassungsgericht hat in dem genannten Beschluß nicht entschieden, Sitzblockaden dürften nicht mehr als Nötigung durch Gewalt behandelt werden (so auch Krey JR 1995, 265, 267, 271). Mit Bindungswirkung entschieden ist (so der Leitsatz), daß "die erweiternde Auslegung des Gewaltbegriffs in § 240 Abs. 1 StGB im Zusammenhang mit Sitzdemonstrationen... gegen Art. 103 Abs. 2 GG (verstößt)". Was das bedeutet, erschließt sich aus den Gründen. Dort wird beanstandet, daß die Rechtsprechung bei Anwendung des § 240 StGB ("mit Gewalt... nötigt") "auf die Kraftentfaltung... so weitgehend verzichtet, daß... bereits die körperliche Anwesenheit an einer Stelle, die ein anderer einnehmen oder passieren möchte, zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Gewalt genügt, falls der andere durch die Anwesenheit des Täters psychisch gehemmt wird, seinen Willen durchzusetzen" (NStZ 1995, 276). Damit wird zum einen der Verzicht auf - wesentliche - Kraftentfaltung des Täters angesprochen, zum anderen die - ausschließlich - psychische Einwirkung auf die beeinflußte Person. In die gleiche Richtung zielt der Hinweis im Zusammenhang mit den kritisierten Auswirkungen der bisherigen Rechtsprechung, daß von der notwendigen Bestimmtheit des Gesetzes und einer zulässigen Auslegung von Verfassungs wegen nicht mehr gedeckt sei "der Bereich, in dem die Gewalt lediglich in körperlicher Anwesenheit besteht und die Zwangswirkung auf den Genötigten nur psychischer Natur ist" (BVerfG aaO).
Maßgebend ist also, ob ein Fall zu beurteilen ist, dessen Gestaltung diese zwei Momente der nur körperlichen Anwesenheit und der nur psychischen Zwangswirkung aufweist. Dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall lag zugrunde, daß der Fahrer eines einzelnen Fahrzeugs dadurch an der Weiterfahrt gehindert wurde, daß sich fünf Personen auf die Fahrbahn setzten. Die dadurch erfolgte Einwirkung auf den Führer des Kraftfahrzeugs wurde vom Bundesverfassungsgericht als "nur psychisch" beurteilt. Offenbar ging es mit den Instanzgerichten davon aus, ein "physisches Hindernis" hätten die sitzenden Personen für das Fahrzeug nicht bedeutet, dessen Fahrer hätte - tatsächlich - die Durchfahrt erzwingen können. Es handelte sich um eine Situation des Könnens, aber - um den Preis schwerer Verletzungen - "Nicht-Dürfens" (vgl. Altvater, Anmerkung zur Entscheidung des BVerfG aaO in NStZ 1995, 278, 281).
Ein solcher Fall rein psychischer Zwangswirkung könnte im vorliegenden Fall gegeben sein bei den Kraftfahrern, welche die Gruppe der die Fahrbahn blockierenden Personen als erste erreichten und möglicherweise hätten durchbrechen können. Insoweit - und nur bezüglich dieser Fahrzeuge - wäre der Fall dem vergleichbar, welcher der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrundelag.
Der bedeutsame Unterschied beider Fallgestaltungen liegt darin, daß hier aber darüber hinaus der großen Zahl der nachfolgenden Kraftfahrer infolge des Verhaltens der Blockierer nicht zu beseitigende physische Hindernisse entgegenstanden in Form vor und hinter ihnen auf der Fahrbahn angehaltener Fahrzeuge - diese Fahrer konnten ihre Fahrt nicht fortsetzen, selbst wenn psychischer Zwang sie nicht beeindruckt haben würde. Die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebotene Einschränkung, daß allein psychischer Zwang als Folge bloßer Anwesenheit den Anforderungen an den Begriff der Gewalt nicht genüge, trifft die vorliegende Fallgestaltung somit nicht.
c) Der Senat ist der Auffassung, daß auch geringer körperlicher Aufwand - dazu gehören das Sich-Hinsetzen oder das Sich-auf-die Fahrbahn-Begeben - den Anforderungen an den Gewaltbegriff genügen kann, wenn seine Auswirkungen den Bereich des rein Psychischen verlassen und (auch) physisch wirkend sich als körperlicher Zwang darstellen (ähnlich Krey JR 1995, 265, 270).
Eine Korrektur der Rechtsprechung zum Gewaltbegriff allein an der Tathandlung, am Merkmal der körperlichen Kraftentfaltung, ist danach weder geboten noch auch nur sinnvoll: So besteht kein Anlaß, etwa die Nötigung im Straßenverkehr mittels Kraftwagen mehr einzuschränken, als das bisher der Fall war (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 1995 - 4 StR 725/94). Auch Nötigung durch Ein- oder Ausschließen, also z.B. durch Abschließen mittels eines Schlüssels oder Zuziehen einer selbstschließenden Türe, erfordert nur minimale Kraft, ohne daß eine Änderung in der Beurteilung der Strafbarkeit wegen Nötigung durch Gewalt veranlaßt wäre. Eine Entscheidung allein am Maß des Kraftaufwandes (Zünden einer Explosion mittels Knopfdrucks; Blockade der BAB durch Ausrollenlassen von Pkw) verbietet sich. Maßgebend für die Unvereinbarkeit mit der Verfassung ist vielmehr - (auch) nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts -, daß im konkreten Fall wegen des geringen Kraftaufwandes die Zwangswirkung auf die beeinflußte Person "nur psychischer Natur" ist.
Strafbare Nötigung durch Gewalt kann demnach vorliegen, wenn der Einfluß auf die Opfer bei nur geringem körperlichen Aufwand dergestalt physischer Art ist, daß die beabsichtigte Fortbewegung durch tatsächlich nicht überwindbare Hindernisse unterbunden wird.
d) Der Verurteilung wegen Nötigung steht nicht entgegen, daß die die Straße versperrenden Personen nicht selbst mit eigener Hand (oder eigenem Körper) in unmittelbarem Kontakt auf die nachfolgenden Kraftfahrer eingewirkt haben. Die physische Sperrwirkung der von ihnen zuerst angehaltenen Fahrzeuge auf die Nachfolgenden ist ihnen zuzurechnen. Denn Nötigung ist weder ein eigenhändiges Delikt noch verlangt es die unmittelbare Begegnung von Täter und Opfer. Der angestrebte Erfolg kann auch dadurch erreicht werden, daß sich der Täter einer Sache oder einer Person bedient, um dem zu Nötigenden ein physisches Hindernis zu bereiten. Auf welche Weise er das tut, spielt im Verhältnis zu dem in der Fortbewegung gehemmten Adressaten keine Rolle. So können - etwa - die auf einem Parkplatz sich befindenden Kraftfahrzeugführer dadurch genötigt werden, daß der Täter ein in der Ausfahrt stehendes Fahrzeug auf irgendeine Art fahrunfähig und dadurch die Ausfahrt unpassierbar macht. Möglich wäre auch, daß der Täter den Führer eines Fahrzeugs durch Bedrohung zum Anhalten zwingt und dadurch den nachfolgenden Verkehrsteilnehmern ein physisches Hindernis absichtlich bereitet; der erste Führer wäre dann durch Drohung, die folgenden - die von der Drohung möglicherweise nichts wissen - wären durch Zwang genötigt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Instrumentalisierung des ersten als Hindernis für sich strafbar oder straflos ist. Ausschlaggebend ist allein die vom Täter bezweckte physische Wirkung auf den oder die nachfolgenden Verkehrsteilnehmer.
Hier benutzten die Täter die von ihnen (möglicherweise nur) durch psychischen Zwang angehaltenen Wagen als Mittel zur Bildung einer Barriere. Gerade dieser Aufbau von tatsächlich nicht mehr zu überwindenden Hindernissen entsprach den Vorstellungen der Täter als der notwendigen und gewollten Folge ihres Verhaltens.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Januar 1995 erfordert keine Korrektur der Rechtsprechung zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Gewalt, soweit die direkte physische Auswirkung einer Blockade auf nachfolgende Kraftfahrer in Rede steht. Der Fall eines zwischengeschalteten, nach eigenem Ermessen handelnden Dritten (BGHSt 37, 350; vgl. auch Altvater aaO S. 281 f.: Fernwirkung von Sitzblockaden) ist nicht zu entscheiden.
Maßgebend ist, daß die Gewaltanwendung ursächlich zu dem vom Täter angestrebten Verhalten des Opfers führt. Dabei genügt allerdings nicht jede Verknüpfung zwischen Tathandlung und Nötigungserfolg. Der für eine Nötigung mit Gewalt erforderliche spezifische Zusammenhang zwischen Nötigungshandlung (Bereiten eines Hindernisses) und dem Nötigungserfolg (Unmöglichkeit der Fortbewegung für nachfolgende Kraftfahrer) muß gewahrt sein (BGHSt aaO S. 354). Das ist jedenfalls im Rahmen eines einheitlichen Verkehrsstaus nicht zweifelhaft. Hier setzte sich der gegenüber den ersten Kraftfahrern ausgeübte Zwang unmittelbar in physische Hindernisse um. Diese Personen und ihre Fahrzeuge wurden bewußt als Werkzeug zur tatsächlichen Behinderung der Nachfolgenden benutzt. Für diese Kraftfahrer war damit das ihnen entgegenstehende von den Blockierern bewirkte Hindernis die unmittelbare Folge des Verhaltens der Täter und wurde von den Betroffenen auch so empfunden.
Inwieweit in dem Verlangen, sich entweder fremdem Willen zu beugen oder aber anderen schwere Verletzungen zuzufügen, die Androhung eines empfindlichen Übels liegen könnte, ist vom Landgericht nicht untersucht worden und kann hier dahinstehen.
3. Auch der Schuldspruch wegen Landfriedensbruchs ist nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat sich an Gewalttätigkeiten beteiligt, die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften gegen Menschen begangen wurden (§ 125 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
a) Der Annahme, die unter Beteiligung des Angeklagten begangenen Gewalttätigkeiten seien aus der Menge heraus mit vereinten Kräften erfolgt, steht nicht entgegen, daß diese Menschenmenge zunächst nicht gewalttätig vorgegangen ist. Maßgebend für die Beurteilung, ob aus einer Menschenmenge im Sinne des § 125 Abs. 1 Nr. 1 StGB gehandelt wurde, ist der Zeitpunkt der Gewalttätigkeit - auf etwa ursprünglich friedliche Absichten kommt es nicht an. Im Zeitpunkt der Gewalttätigkeiten bildete hier die Menge nicht nur die Kulisse für das aggressive Vorgehen einzelner (vgl. hierzu BGHSt 33, 306, 309). Vielmehr war der Angeklagte Teil der Menge, die ihn durch Gewalttätigkeiten (Treten, Schlagen, Zerren) schützen wollte. Er beteiligte sich, bestärkt durch die Tätlichkeiten anderer, mit einem anderen Tatmittel (Schütten von Benzin) aggressiv gegen die Beamten. Dieses Handeln mit vereinten Kräften bei gleichgerichteter gewalttätiger Grundhaltung im Zeitpunkt der Tathandlung erfüllt die Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals.
Auf den Meinungsstreit, ob es genügt, daß die Gewalttätigkeiten von mehreren gemeinschaftlich verübt werden, wobei die Menge lediglich eine das Vorgehen erleichternde (friedliche) Kulisse oder Basis bildet (so v. Bubnoff in LK 10. Aufl. § 125 Rdn. 11 f.; Dreher/Tröndle aaO § 125 Rdn. 5; aA Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 125 Rdn. 10) kommt es daher hier nicht an.
b) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts liegt kein Widerspruch in folgendem: Das Landgericht hat einerseits die Verurteilung (auch) wegen Körperverletzung abgelehnt. Andererseits hat es eine Gewalttätigkeit im Sinne des § 125 Abs. 1 Nr. 1 StGB darin gesehen, daß sich der Angeklagte "aktiv als Täter an den gegen die Beamten gerichteten Tätlichkeiten" (Treten, Schlagen, Zerren) der Menge beteiligte, indem er die Beamten mit Benzin bespritzte. Gewalttätigkeit im Sinne des § 125 Abs. 1 Nr. 1 StGB verlangt nicht Körperverletzung (RGSt 47, 178; allgemeine Meinung) und ist nicht mit Gewalt im sonst vom Gesetzgeber gebrauchten Sinne gleichzusetzen. Es genügt "das Inbewegungsetzen physischer Kraft unmittelbar gegen eine Person in einem aggressiven Handeln" (BGHSt 23, 46, 51 ff.; Dreher/Tröndle aaO § 124 Rdn. 7; v. Bubnoff in LK 11. Aufl. § 113 Rdn. 57 und 10. Aufl. § 125 Rdn. 22 ff.). In diesem Sinne ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, daß bereits das Bespritzen mit Benzin im Zusammenwirken mit dem gewaltsamen Eindringen der anderen Beteiligten auf die Beamten als Gewalttätigkeit zu qualifizieren ist.
4. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat zum Strafausspruch Erfolg, weil das Landgericht mit rechtlich angreifbarer Begründung einen besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs nach § 125a StGB abgelehnt hat. § 125a StGB ist keine den Landfriedensbruch qualifizierende Vorschrift, sondern (wie z.B. § 243 im Verhältnis zu § 242 StGB) eine Strafzumessungsregel, wobei Regelbeispiele Anhaltspunkte für ihre Anwendung geben.
Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landgerichts, daß brennbare Flüssigkeit - wie hier Benzin - beim Bespritzen eines Menschen als "nicht technische Waffe" im Sinne des § 125a Nr. 2 StGB anzusehen ist (vgl. hierzu Dreher/Tröndle aaO § 113 Rdn. 28 und § 125a Rdn. 3; v. Bubnoff aaO § 125a Rdn. 5) und daß der Angeklagte diese "andere Waffe" auch bei sich führte.
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe nicht sicher mit Körperverletzungsvorsatz gehandelt, ist vereinbar mit der Auffassung, er habe gleichwohl das Benzin bei der Gewalttätigkeit aus der Menge heraus als "sonstige Waffe" eingesetzt. Denn insoweit ist nicht Einsatz mit Körperverletzung verlangt, es genügt die abstrakte Gefährlichkeit. Die erhöhte Strafe ist in § 125a Nr. 2 StGB deswegen angedroht, weil der Täter durch Waffeneinsatz die angesichts von Ausschreitungen aus der Menge ohnehin bedrohliche Lage ungemein verschärft (v. Bubnoff aaO § 125a Rdn. 5). In diesem Sinne ist das Bespritzen mit Benzin, selbst wenn es für sich nach der Vorstellung des Täters keine Verletzungen hervorrufen wird, objektiv gefährlich, weil die Gefahr der Entzündung besteht. Das zeigt der vorliegende Fall, bei dem sich gleich eine weitere Person aus der Menge bereitfand, es anzuzünden. So gesehen konnte das Landgericht von einer Waffe im Sinne des § 125 a Nr. 2 StGB ausgehen, selbst wenn es glaubte, sich von einem Verletzungsvorsatz des Angeklagten nicht überzeugen zu können.
Das Landgericht verkennt aber den Zeitpunkt, in dem der Täter die Verwendungsabsicht im Sinne des § 125a Nr. 2 StGB haben muß, wenn es meint, ein besonders schwerer Fall liege nicht vor, weil der Angeklagte möglicherweise "ursprünglich" nur ein Feuer (Brandfanal) habe entzünden wollen.
Demgegenüber ist es nicht erforderlich, daß der Täter die Waffe bereits vor der Tathandlung in Verwendungsabsicht an sich nimmt oder bei sich führt. Vielmehr genügt es zur Erfüllung des Regelbeispiels, daß er sich erst im Augenblick der Tat - hier der Gewalttätigkeit aus der Menge heraus - entschließt, den Gegenstand oder das Mittel als Waffe zu benutzen (BGHSt 26, 176, 179 f. für den wortgleich formulierten Tatbestand des besonders schweren Falles eines Widerstandes gemäß § 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB; vgl. auch v. Bubnoff aaO 11. Aufl. § 113 Rdn. 54). Soweit in Kommentierungen gesagt wird, für die Absicht genüge es, wenn der Täter "die Waffe gegebenenfalls verwenden will" (Dreher/Tröndle aaO § 113 Rdn. 28; v. Bubnoff in LK 10. Aufl. § 125a Rdn. 6 m.w.N.), besagt das nicht, daß die Absicht bereits vor Beginn der Straftat gegeben sein muß; erfaßt werden sollen damit vielmehr auch die Fälle, in denen die Waffe zwar nicht zum Einsatz kommt, aber in Verwendungsabsicht mitgeführt wurde. Aus der Art der Waffe kann dabei auf die Verwendungsabsicht geschlossen werden (z.B. Molotow-Cocktail). Wird sie benutzt, steht die Verwendungsabsicht außer Frage. Es genügt also jedenfalls zur Erfüllung des Regelbeispiels, wenn eine aus irgendwelchen Gründen mitgeführte Waffe mit Willen des Täters tatsächlich bei der Tat verwendet wird. Auf dieser Basis wird der Tatrichter erneut das Vorliegen eines besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs zu prüfen haben.
Die tatsächlichen Feststellungen (auch) zum Strafausspruch werden von dem Wertungsfehler nicht berührt. Sie sind in rechtlich einwandfreier Weise getroffen worden und bleiben aufrechterhalten.
Externe Fundstellen: BGHSt 41, 182; NJW 1995, 2643; NStZ 1995, 541; NStZ 1996, 230; StV 1996, 151
Bearbeiter: Rocco Beck