Bearbeiter: Rocco Beck
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 798/94, Beschluss v. 26.01.1995, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 7. Juli 1994 im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit der Maßgabe angeordnet, daß die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat nur zum Maßregelausspruch Erfolg.
1. Die Nachprüfung des Schuld- und Strafausspruchs hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Die Annahme der Strafkammer, trotz sonstiger, von ihr nicht übersehener strafmildernder Gesichtspunkte liege nur im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen von § 21 StGB ein minder schwerer Fall i.S.d. § 250 Abs. 2 StGB vor, bewegt sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums und ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2. Der Maßregelausspruch gemäß § 64 StGB kann indes nicht bestehen bleiben.
Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1994 - 2 BvL 3/90 u.a. (StV 1994, 594) - setzt die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB von Verfassungs wegen die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges voraus; es genügt entgegen der für teilnichtig erklärten Vorschrift des § 64 StGB insoweit nicht mehr, daß die Behandlung im Maßregelvollzug nur nicht von vornherein aussichtslos erscheint (vgl. auch BGH, Beschluß vom 26. Oktober 1994 - 3 StR 453/94). Dieser Beschluß des Bundesverfassungsgerichts ist ausweislich der Presseverlautbarung des Bundesverfassungsgerichts erst am 22. September 1994, also längst nach Verkündung des hier angefochtenen Urteils vom 7. Juli 1994 bekannt gemacht worden. Demgemäß hat das Landgericht die verfassungsgerichtliche Entscheidung noch nicht berücksichtigt, sondern sich entsprechend der damals geltenden Rechtslage mit der Darlegung begnügt, daß die Entziehungskur "nicht von vornherein aussichtslos" ist (vgl. § 64 Abs. 2 StGB a.F.). Das Revisionsgericht hat indes zu beachten, daß das nicht mehr genügt. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe vermag der Senat nicht hinreichend sicher zu entnehmen, daß das Landgericht mit Hilfe der Sachverständigen die konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges gleichwohl geprüft und bejaht hätte (vgl. Senatsurteil vom 29. November 1994 - 1 StR 675/94 m.w.Nachw.). Hierbei ist zu berücksichtigen, daß der Angeklagte "versucht..., sein bisheriges Fehlverhalten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln zu bagatellisieren". Eine "ambulante Behandlung bei der Drogenberatung Stuttgart, der er sich gemäß Bewährungsbeschluß... seit 11. November 1993 unterzieht", brachte bisher ebenfalls keine Erfolge, vielmehr spritzte sich der Angeklagte wenige Tage vor der Untersuchung durch einen Sachverständigen im vorliegenden Verfahren erneut Heroin.
Da nach alledem die gebotenen Feststellungen zur konkreten Erfolgsaussicht einer Unterbringungsanordnung weder ausdrücklich getroffen noch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen sind, kann die Unterbringungsanordnung keinen Bestand haben.
Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer auch unter Berücksichtigung der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erneut eine Unterbringungsanordnung aussprechen, wird sie hinsichtlich der etwaigen Anordnung eines Vorwegvollzugs der Strafe die hierauf bezogenen Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinem Antrag vom 2. Dezember 1994 zu beachten haben.
II. Der Senat hat erwogen, entsprechend § 357 StPO die Urteilsaufhebung auch auf den (früheren) Mitangeklagten K. - der keine Revision eingelegt hat - zu erstrecken, soweit dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB angeordnet worden ist. Auch hinsichtlich dieses Angeklagten, der bereits eine stationäre Therapie abgebrochen hat, beschränkt sich die Strafkammer auf die - den Anforderungen von § 64 Abs. 2 StGB a.F. genügende - Feststellung, die Unterbringung sei nicht von vornherein aussichtslos, ohne jedoch Feststellungen zu einer konkreten Erfolgsaussicht zu treffen.
Von einer Erstreckung der Urteilsaufhebung war jedoch abzusehen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Erstreckung der Urteilsaufhebung auf einen Nichtrevidenten nicht möglich, wenn das Urteil zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtsfehlerfrei war und die Urteilsaufhebung hinsichtlich des Revisionsführers auf einer gemäß § 354 a StPO vom Revisionsgericht zu beachtenden zwischenzeitlich eingetretenen Gesetzesänderung beruht (BGHSt 20, 77, 78; w. Nachw. bei Pikart in KK 3. Aufl. § 357 Rdn. 6).
Die dieser Rechtsprechung zugrundeliegenden Erwägungen gelten auch hier.
Die (hier: teilweise) Nichtigkeitserklärung einer Norm durch das Bundesverfassungsgericht hat gemäß § 31 Abs. 2 (hier: i.V.m. § 13 Nr. 8 a) BVerfGG Gesetzeskraft.
Es sind keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, eine Änderung der Gesetzeslage, die auf einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beruht, in diesem Zusammenhang anders zu bewerten als eine Gesetzesänderung durch den Gesetzgeber.
Externe Fundstellen: BGHSt 41, 6; NJW 1995, 2424; StV 1995, 236
Bearbeiter: Rocco Beck