Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 313/94, Urteil v. 07.07.1994, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 3. Dezember 1993 wird mit den Feststellungen aufgehoben
a) auf die Revision des Angeklagten:
aa) soweit er wegen versuchten unerlaubten Erwerbs von Kokain verurteilt worden ist,
bb) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe,
b) auf die Revision der Staatsanwaltschaft:
aa) soweit der Angeklagte wegen Bereitstellens von Geldmitteln zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist;
bb) im gesamten Strafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen versuchten unerlaubten Erwerbs von Kokain und wegen Bereitstellens von Geldmitteln zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gifhorn vom 10. September 1991 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten ficht mit der Sachrüge den Schuldspruch wegen versuchten Erwerbs von Kokain und den gesamten Strafausspruch an; hierauf ist sie wirksam beschränkt. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich mit der Sachrüge gegen den Freispruch und mit dem Ziel einer höheren Bestrafung gegen die Verurteilung - nur - wegen Bereitstellens von Geldmitteln zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und gegen den gesamten Strafausspruch. Beide Rechtsmittel haben jeweils weitgehend Erfolg.
I. Revision des Angeklagten
1. Der Schuldspruch wegen versuchten unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen vereinbarte der Angeklagte im Mai 1990 den Ankauf von 50 g Kokain gut durchschnittlicher Handelsqualität zum Preise von 8.000 DM, das der Verkäufer aus Holland beschaffen und sodann in seiner Wohnung in Marburg dem Angeklagten am 18. Mai 1990 gegen Bezahlung des Kaufpreises übergeben sollte. Das gekaufte Kokain wollte der Angeklagte ausschließlich selbst verbrauchen. Am 18. Mai 1990 erschien der Angeklagte vereinbarungsgemäß mit dem Kaufpreis in der Wohnung des Verkäufers, wo er die Übergabe des Kokains vergeblich erwartete. Der Verkäufer hatte das Kokain in Holland erworben, durch Mittelsmänner über die Grenze nach Deutschland bringen lassen und sodann wieder übernommen; hierbei wurde er in der Nähe von Emmerich am Abend des 18. Mai 1990 von der Polizei festgenommen, das Kokain wurde beschlagnahmt.
Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen versuchten unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln nicht.
Nach § 22 StGB versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Die Verwirklichung des Tatbestandes des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln setzt voraus, daß der Täter die eigene tatsächliche Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel auf abgeleitetem Wege, das heißt in einverständlichem Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer erlangt und die Verfügungsgewalt ausüben kann (vgl. Körner BtMG 3. Aufl. § 29 Rdn. 515 m.w.Nachw.; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Erwerb 2; BayObLG NStZ 1984, 320; OLG Celle MDR 1986, 421). Für die Erfüllung des Tatbestandes ist entscheidend und genügt der tatsächliche Übergang der Verfügungsgewalt an den Betäubungsmitteln auf Grund willensmäßiger Übereinstimmung der Beteiligten. Die erforderliche willensmäßige Übereinstimmung kann auch auf Grund eines Verpflichtungsgeschäftes, etwa - wie hier - eines Kaufvertrages, angenommen werden. Durch das Verpflichtungsgeschäft wird indes für sich allein noch kein Tatbestandsmerkmal des unerlaubten Erwerbs erfüllt (vgl. BayObLG NStZ 1984, 320). Da es auf die einvernehmliche Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt ankommt, liegt versuchter Erwerb nur vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar zur Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt vom Vorbesitzer ansetzt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Dem Angeklagten war bewußt, daß das Kokain erst noch aus dem Ausland beschafft werden mußte und daß dieser Vorgang mit dem Risiko des Mißlingens behaftet war. Wenn auch der Angeklagte verabredungsgemäß mit dem vereinbarten Kaufpreis in der Wohnung des Verkäufers erschien und sich dort zur Übergabe des Geldes und zur Entgegennahme des Kokains bereit hielt, so hätte es doch nach seiner Vorstellung zur Verwirklichung des tatbestandlichen Erwerbs auch dessen bedurft, daß der Verkäufer den Beschaffungsvorgang plangemäß bewältigt und mit der Droge am Übergabeort erscheint. Ein Stadium, in dem die Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt durch den Vorbesitzer unmittelbar bevorstand, ist bei dem vorliegenden Tatgeschehen nicht erreicht worden (vgl. auch Ruß in LK 10. Aufl. § 259 StGB Rdn. 40 für den Versuch des Verschaffens; BGHR WaffG § 53 Abs. 1 Nr. 1 b Vermitteln 1 für das versuchte Vermitteln des Erwerbs einer Schußwaffe). Das plangemäße Erscheinen nur des Angeklagten am verabredeten Übergabeort stellt unter den vorliegenden Umständen lediglich eine - straflose - Vorbereitungshandlung, aber keinen strafbaren Versuch dar. Der Schuldspruch wegen versuchten unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln kann daher nicht bestehen bleiben.
2. Die Auffassung der Revision mag zutreffen, daß weitere Feststellungen, die einen Schuldspruch wegen versuchten unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln rechtfertigen könnten, nicht zu erwarten sind. Doch ist das Landgericht bisher seiner Pflicht zur umfassenden Prüfung des Sachverhalts nicht hinreichend nachgekommen. Es liegt nach den Feststellungen nicht fern, daß sich der Angeklagte der - zumindest psychischen - Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dadurch schuldig gemacht hat, daß er in Kenntnis dessen, daß das Kokain zunächst aus Holland beschafft werden mußte, sich zur Abnahme von 50 g gegen Zahlung von 8.000 DM definitiv verpflichtet hatte. Insoweit bedarf es der näheren Prüfung und Entscheidung durch einen neuen Tatrichter.
3. Die Aufhebung der Verurteilung wegen versuchten unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zieht ohne weiteres die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
4. Die Zumessung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wegen des - vom Angeklagten nicht angefochtenen - Schuldspruchs des Bereitstellens von Geldmitteln zum unerlaubten Handeltreiben mit Heroin weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insoweit ist die Revision des Angeklagten unbegründet.
II. Revision der Staatsanwaltschaft
1. Der Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln hält rechtlicher Nachprüfung stand. Insoweit beanstandet die Staatsanwaltschaft vergeblich die Beweiswürdigung. Der Senat teilt die Auffassung des Generalbundesanwalts, daß sich die Ausführungen der Revision letztlich in unzulässigen Angriffen gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung erschöpfen, ohne sachlich-rechtliche Mängel aufzuzeigen. Die Beweiswürdigung ist nicht in rechtsfehlerhafter Weise lückenhaft, auch wenn das Landgericht bei der Prüfung der Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen die von der Revision angeführten, über die Aussage dieses Zeugen hinaus einen Verdacht gegen den Angeklagten begründenden Umstände nicht ausdrücklich angesprochen und erörtert hat. Letztlich kam es entscheidend auf den Eindruck an, den das Landgericht von dem Belastungszeugen in der Hauptverhandlung gewonnen hatte.
2. Der Schuldspruch wegen Bereitstellens von Geldmitteln zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen war dem Angeklagten bei der Hingabe des Geldes bekannt, daß der von ihm in Thailand - ohne eigenes wirtschaftliches Interesse - zur Verfügung gestellte Geldbetrag von 6.500 DM zum Ankauf einer großen Menge hochwertigen Heroins bestimmt war, das in die Schweiz und in die Bundesrepublik verbracht und dort jeweils gewinnbringend veräußert werden sollte. Plangemäß wurde von den Haupttätern in Thailand eine große Menge hochwertigen Heroins gekauft und in die Schweiz versandt, wo es zum gewinnbringenden Weiterverkauf verwendet wurde.
Diese Feststellungen belegen, daß sich der Angeklagte durch das Bereitstellen der Geldmittel der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schuldig gemacht hat. Er hätte demgemäß verurteilt werden müssen. Für einen Schuldspruch (nur) wegen Bereitstellens von Geldmitteln zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 BtMG ist bei einer derartigen Fallgestaltung kein Raum. Durch diese Vorschrift ist eine Beihilfehandlung - eben das Bereitstellen von Geldmitteln zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln - zu einer selbständigen strafbaren Handlung erhoben worden (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 4 Bereitstellen 1 und 2; Körner BtMG 3. Aufl. § 29 Rdn. 609). Indes handelt es sich um einen Auffangtatbestand (vgl. Slotty NStZ 1981, 323), der sicherstellen soll, daß die Versorgung des illegalen Rauschgiftverkehrs mit zusätzlichen Geldmitteln auch dann strafrechtlich geahndet werden kann, wenn die Haupttat nicht begangen oder nicht versucht wird (vgl. BT-Drucks. 8/3551, S. 36) oder sonst die Voraussetzungen eines Schuldspruchs wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht nachgewiesen werden können. Weisen die Feststellungen - wie hier - sämtliche Voraussetzungen eines Schuldspruchs wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln aus, so besteht Gesetzeskonkurrenz (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 4 Bereitstellen 2; vgl. auch Körner aaO Rdn. 619); die Vorschrift tritt als subsidiär zurück. Sie erfordert in Fällen der vorliegenden Art Beachtung nur insofern, als durch sie die obligatorische Strafmilderung nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB ausgeschlossen wird (vgl. Körner aaO Rdn. 609).
3. Die Voraussetzungen einer entsprechenden Schuldspruchänderung durch den Senat liegen nicht vor, weil nach den bisherigen Feststellungen nahe liegt, daß sich der Angeklagte durch das Bereitstellen der Geldmittel tateinheitlich auch der Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht hat. Insoweit ergibt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht mit hinreichender Deutlichkeit, ob das mit den vom Angeklagten in Thailand bereitgestellten Geldmitteln beschaffte und sodann in die Schweiz versandte Heroin ganz oder teilweise auch in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, also im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG eingeführt worden ist, oder ob nur ein versuchtes Verbrechen nach dieser Vorschrift vorliegt. Hierzu bedarf es der näheren Prüfung und Erörterung durch einen neuen Tatrichter.
4. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Bereitstellens von Geldmitteln zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln führt ohne weiteres auch zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe. Darüber hinaus war auch die wegen versuchten Erwerbs von Betäubungsmitteln verhängte Einzelstrafe aufzuheben, weil sie möglicherweise durch Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten, etwa durch zu geringe Bemessung des Schuldumfangs der Tat beeinflußt war.
Externe Fundstellen: BGHSt 40, 208; NJW 1994, 3019; NStZ 1995, 140; StV 1995, 25
Bearbeiter: Karsten Gaede