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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 316/91, Urteil v. 09.07.1991, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 316/91 - Urteil vom 9. Juli 1991 (LG Heilbronn)

BGHSt 38, 23; Verfallserklärung bei Vermögen, das zur Schuldentilgung verwendet wurde.

§ 73c Abs. 1 S. 2 StGB

Leitsätze

1. Zur Frage, ob der Wert des Erlangten im Vermögen des Betroffenen noch vorhanden ist. (BGHSt)

2. Der Umstand, daß eine bestimmte, früher bestehende Schuld getilgt ist, ist für sich kein im Vermögen vorhandener Wert. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 7. Februar 1991 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsrechtszug entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte hatte mit anderen zusammen Heroin aus der Türkei nach Deutschland eingeführt und sollte für seine Tätigkeit 5.000 DM erhalten. Später erhielt er kein Geld, aber Heroin als Vergütung und verkaufte dieses für 6.000 DM. Das Landgericht hat es abgelehnt, den Betrag für verfallen zu erklären. Auf diese Entscheidung beschränkt sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Sie hat keinen Erfolg.

Zwar ist die Entscheidung des Landgerichts insoweit von Rechtsirrtum beeinflußt, als es nur die "unbillige Härte" des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB zur Grundlage genommen, in Wirklichkeit aber eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB getroffen hat. Als solche wird sie jedoch von den Erwägungen getragen.

Nach Auffassung des Landgerichts war der Wert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden, weil er den größeren Teil der 6.000 DM zur Abdeckung von Bankverbindlichkeiten, den Rest für den persönlichen Lebensbedarf verwendet hatte. Demgegenüber meint der Generalbundesanwalt, der Angeklagte sei, was den "größeren Teil" des Geldes angehe, nach wie vor bereichert; denn sein Vermögensvorteil bestehe in der Befreiung von Bankverbindlichkeiten.

Hieran ist richtig, daß dem Angeklagten in Gestalt der 6.000 DM ein Vermögensvorteil zufloß und daß - allgemein - die Tilgung von Verbindlichkeiten einen Vermögensvorteil bedeutet. Damit ist zunächst jedoch nur die Voraussetzung des § 73 StGB (hier in der Alternative des § 73a StGB) erfüllt, so wie das etwa auch der Fall ist, wenn der gewährte Vorteil in einer Gebrauchsnutzung oder einer Dienstleistung besteht und keinen - oder allenfalls einen über ersparte Aufwendungen errechneten - Niederschlag im Vermögen gefunden hat.

Ob der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung des Verfalls in dem Vermögen des Angeklagten noch vorhanden ist (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB), ist eine hiervon getrennt zu prüfende Frage. Nach Meinung des Senats ist sie im vorliegenden Fall zu verneinen. Der Umstand, daß eine bestimmte, früher bestehende Schuld getilgt ist, ist für sich kein im Vermögen vorhandener Wert. Dieser "Wert" muß als solcher zur Zeit der Verfallsanordnung bestehen und darf sich nicht nur aus einem Vergleich der früheren mit der jetzigen Vermögenslage im Bereich der Passiva ergeben. Der Wert mag noch vorhanden sein, wenn die Tilgung der Verbindlichkeit zu entsprechendem Vermögenszuwachs führt, etwa zur Entschuldung eines Grundstücks, eines zur Sicherung übereigneten oder unter Vorbehaltseigentum erworbenen Kraftfahrzeugs. Dagegen bleibt Geld, das zur allgemeinen Schuldentilgung verwendet wird, wertmäßig im Vermögen sowenig erhalten wie solches, das für verbrauchbare Sache ausgegeben wird.

Daß im Bereicherungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs anerkannt ist, die Befreiung von einer Verbindlichkeit stelle allgemein eine fortbestehende Bereicherung dar (vgl. BGH NJW 1985, 2700), steht dem nicht entgegen. Dort geht es um den gerechten und billigen Ausgleich zwischen dem Entreicherten und dem Bereicherten, wobei Treu und Glauben eine besondere Rolle spielen (vgl. Thomas in Palandt, BGB 50. Aufl. vor § 812 Rdn. 2). Mit der Abschöpfung von Gewinnen aus strafbarem Tun, die durch die Verfallsvorschriften des Strafgesetzbuchs erreicht werden soll, ist das nicht zu vergleichen.

Das zeigt sich auch daran, daß der Wegfall des Erlangten die Anordnung des Verfalls nicht ausschließt, sondern gerade das Tor zur Ermessensentscheidung öffnet. Damit kann darauf Rücksicht genommen werden, auf welche Weise der Verfallsbetroffene das Erlangte ausgegeben oder sonst verloren hat, ob er es etwa "in 'Massagesalons' und Bars verbracht" (BGH NJW 1982, 774) oder aber "in Notlage verbraucht" (Dreher/Tröndle, StGB 45. Aufl. § 73c Rdn. 3) hat. Im Rahmen dieser Erörterung kann eine Rolle spielen, ob der Verfallsbetroffene Verbindlichkeiten getilgt hat, gegebenenfalls auch, welcher Art diese Verbindlichkeiten waren.

Das Landgericht war also nicht gehindert davon auszugehen, daß der Wert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden war, und dann im Wege der Ermessensentscheidung von der Anordnung des Verfalls abzusehen. Hierbei war ihm nicht verwehrt auch zu bedenken, daß der Angeklagte Tatsache und Höhe des Rauschgifterlöses - im Gegensatz zu seinen Mittätern - ohne Umschweife eingeräumt hatte.

Der eingangs erwähnte Rechtsirrtum des Landgerichts hat sich damit auf die Entscheidung nicht ausgewirkt.

Externe Fundstellen: BGHSt 38, 23; NJW 1991, 2714; NStZ 1991, 529; StV 1991, 515

Bearbeiter: Rocco Beck