HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1108
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 68/24, Urteil v. 25.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1108
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 28. November 2023 im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchter Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die gegen ihre Verurteilung gerichtete Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.
Angesichts der Besonderheiten des Falles (im konkreten Fall evident untauglicher Versuch der Angeklagten, ohne die Erklärung eigener Ausgangsumsätze die Auszahlung eines fingierten Vorsteuerguthabens im zweistelligen Millionenbereich zu erreichen) erweisen sich sowohl die Strafrahmenwahl (hier Freiheitsstrafe von einem Monat bis sieben Jahre sechs Monate) als auch die Strafzumessung als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hätte zunächst prüfen müssen, ob die allgemeinen Strafmilderungsgründe (namentlich das weitgehende Geständnis und die Unvorbestraftheit) allein für sich genommen die Indizwirkung des Regelbeispiels der Steuervorteilserlangung im großen Ausmaß (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) hätten entkräften können. Danach hätte das Landgericht zusätzlich den vertypten Strafmilderungsgrund der §§ 23, 49 StGB in die Abwägung einstellen müssen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2023 - 5 StR 149/23 Rn. 5 und vom 4. August 2015 - 3 StR 267/15 Rn. 3; je mwN). Gegen diese gebotene Prüfungsreihenfolge hat das Landgericht bei seiner rudimentären Strafrahmenwahl verstoßen, bei der es auf die sogenannte Strafzumessung im engeren Sinne verwiesen und sogleich die Ausübung seines Ermessens innerhalb des fakultativen Strafmilderungsgrundes des § 23 Abs. 2 StGB dargelegt hat; es hat sich damit die Prüfung versperrt, ob der Grundstrafrahmen des § 370 Abs. 1 AO mit einer Obergrenze von fünf Jahren Freiheitsstrafe zugrunde zu legen war.
Zudem widerspricht eine Erwägung aus der Strafzumessung im engeren Sinne der Strafrahmenwahl. Denn bei der konkreten Straffindung ist das Landgericht von einer ‚geringen Aussicht auf Realisierung‘ ausgegangen, während es im Übrigen aufgrund der beim Finanzamt eingerichteten Sicherheitsvorkehrungen - zutreffend - angenommen hat, dass eine Auszahlung von Geldern niemals drohte.
Die Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen worden sind (§ 353 Abs. 2 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1108
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede