HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 921
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 53/24, Urteil v. 09.07.2024, HRRS 2024 Nr. 921
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 27. September 2023 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet er sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet.
Das Landgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der Angeklagte lernte die am 29. Dezember 2008 geborene Geschädigte L. am 9. September 2021 am Bahnhofsvorplatz in N. kennen, als diese ihn ansprach und nach einer Zigarette fragte. Nach einem kurzen Gespräch regte das Mädchen an, in einen nahegelegenen Park zu gehen. Dort unterhielten sich die beiden auf einer Bank, bis die Geschädigte vorschlug, im Gebüsch miteinander Sex zu haben. Der Angeklagte ging hierauf ein und vollzog an dem Mädchen im Stehen den vaginalen Geschlechtsverkehr. Er erkannte dabei die Möglichkeit, dass die Geschädigte unter 14 Jahre alt war und nahm dies billigend in Kauf.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Die durch das Landgericht zum subjektiven Tatbestand vorgenommene Beweiswürdigung hält - auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs - sachlichrechtlicher Überprüfung stand.
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. September 2023 - 4 StR 148/23 Rn. 10 mwN).
Lückenhaft ist die Beweiswürdigung nur, wenn sich das Tatgericht nicht mit allen wesentlichen, den Angeklagten belastenden und entlastenden Indizien auseinandergesetzt hat. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass das Tatgericht die für den Schuldspruch bedeutsamen Beweise erschöpfend gewürdigt und dass es die entscheidungserheblichen Umstände erkannt, in seine Überlegungen einbezogen und in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat; eine Beweiswürdigung, die Feststellungen nicht in Betracht zieht, welche geeignet sind, die Entscheidung zu beeinflussen, oder naheliegende Schlussfolgerungen nicht erörtert, ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2024 - 2 StR 283/23 Rn. 10 mwN).
2. Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts weder als lücken- noch als sonst rechtsfehlerhaft.
Dabei ist das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung zunächst davon ausgegangen, dass der Angeklagte nicht widerlegbar vor Vollzug des Geschlechtsverkehrs die Geschädigte nach ihrem Alter gefragt habe, woraufhin diese angegeben habe, 16 Jahre alt zu sein. Die Einlassung des Angeklagten, er habe dies geglaubt, hat die Strafkammer jedoch als Schutzbehauptung angesehen. Insoweit hat sich das Landgericht aus einer umfassenden Gesamtwürdigung heraus davon überzeugt, dass der Angeklagte Eventualvorsatz hinsichtlich des kindlichen Alters der Geschädigten hatte. Die dem zu Grunde liegende revisionsrechtlich nicht zu beanstandende Gesamtwürdigung stützt das Landgericht dabei insbesondere auf das aus seiner Sicht kindliche Äußere der Geschädigten, das sich aus einem fünf Tage nach dem verfahrensgegenständlichen Vorfall entstandenen - nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Bezug genommenen - Lichtbild ergebe. Danach habe die Geschädigte „ein typisch kindliches, rundliches und weiches Gesicht“. Zudem sei sie noch „sehr klein“ gewesen; ihr Körper habe „noch keine bis kaum weibliche Rundungen“ sowie einen „erst beginnenden Brustansatz“ gezeigt. Ferner habe die Geschädigte nach ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung auch auf die als Zeugin vernommene polizeiliche Sachbearbeiterin den Eindruck einer typisch kindlichen, schüchternen, durchschnittlich entwickelten Zwölfjährigen gemacht. Zudem habe der Angeklagte aus einem weiteren gegen ihn geführten - nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten - Ermittlungsverfahren gewusst, dass er sich zum einen durch den Vollzug des Geschlechtsverkehrs mit unter 14-Jährigen strafbar machen würde und zum anderen, dass Mädchen über ihr Alter falsche Angaben machen können.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 921
Bearbeiter: Christoph Henckel