HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 4
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 222/24, Beschluss v. 30.09.2024, HRRS 2025 Nr. 4
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 15. Dezember 2023
a) im Schuldspruch dahingehend neu gefasst, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis in Tateinheit mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis, mit Besitz von Betäubungsmitteln und mit unerlaubtem Besitz von Schusswaffen, Munition und verbotenen Gegenständen (Schlagring und Präzisionsschleudern) sowie des Handeltreibens mit Cannabis in Tateinheit mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis in vier Fällen schuldig ist,
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben,
c) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin geändert, dass diese in Höhe von 6.700 € angeordnet ist; in Höhe eines Betrages von 190 € entfällt die Einziehung.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz von vier verbotenen Waffen, unerlaubtem Besitz von Schusswaffen und Munition sowie wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat zudem die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 6.890 € angeordnet. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gebotene Nachprüfung des Urteils führt zu einer durch das Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 27. März 2024 (BGBl. I 2024, Nr. 109) erforderlich gewordenen Änderung des Schuldspruchs. Der Senat fasst in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO i.V.m. § 354a StPO, § 2 Abs. 3 StGB den Schuldspruch in der aus der Beschlussformel ersichtlichen Weise neu. Dies ergibt sich aus Folgendem:
a) Im Fall 1 der Urteilsgründe ist das vom Landgericht festgestellte Verhalten des Angeklagten Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG in Tateinheit mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) KCanG.
b) In den Fällen 2 bis 4 der Urteilsgründe waren nach den Feststellungen des Landgerichts drei Viertel des Gesamtertrags von 300 Gramm Marihuana aus den jeweiligen Anbauvorgängen - mithin jeweils 225 Gramm - für den Eigenkonsum des Angeklagten, die restlichen 75 Gramm der Marihuanablüten zum Weiterverkauf bestimmt. Damit hat sich der Angeklagte insoweit bei allen drei Taten wegen Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, hinsichtlich der für den Eigenkonsum bestimmten Menge - tateinheitlich dazu - jeweils wegen Besitzes von mehr als 60 Gramm Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) KCanG strafbar gemacht.
Soweit das Landgericht den Angeklagten in den Fällen 2 und 3 der Urteilsgründe lediglich wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat, ist der Schuldspruch um das Handeltreiben mit Cannabis zu ergänzen. Nach den Feststellungen des Landgerichts war auch insoweit ein Viertel des Ertrags aus dem Anbau - mithin jeweils 75 Gramm - zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Dass das Landgericht insoweit - anders als im Fall 4 der Urteilsgründe - kein konkretes Umsatzgeschäft feststellen konnte, steht der Annahme eines Handeltreibens nicht entgegen. Da dem Angeklagten bereits in der Anklageschrift vorgeworfen worden ist, dass die aus dem Anbau gewonnenen Betäubungsmittel überwiegend zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren, bedurfte es keines Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO.
c) Im Fall 5 der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG in Tateinheit mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) KCanG strafbar gemacht. Dazu in Tateinheit steht unverändert die Strafbarkeit wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (nämlich von 0,41 Gramm Kokain und sieben Ecstasy-Tabletten; § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG), nunmehr aber nach Abzug des Besitzes von Cannabis nicht mehr in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubten Besitzes von Schusswaffen, Munition und von verbotenen Gegenständen nach § 52 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 Buchstabe a) und b) WaffG.
2. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Der Senat kann aufgrund der jeweils milderen Strafrahmen nach dem Konsumcannabisgesetz nicht ausschließen, dass das Landgericht niedrigere Einzelstrafen gegen den Angeklagten verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Die zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen; denn sie werden von der auf Grund der Gesetzesänderung notwendigen Aufhebung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe nicht berührt (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.
3. Auch die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen bedarf der Abänderung. Das Landgericht hat den Einziehungsbetrag geringfügig zu hoch bemessen. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen erlangte der Angeklagte aus dem Verkauf von 600 Gramm sowie weiteren acht Gramm Haschisch bei Tat 1 der Urteilsgründe 6.400 € sowie bei Tat 4 der Urteilsgründe aus dem Verkauf von weiteren zweimal zwölf Gramm Haschisch weitere 300 €, somit insgesamt 6.700 €. Für den im Urteilstenor ausgeurteilten Einziehungsbetrag von 6.890 €, mithin von weiteren 190 €, fehlen entsprechende Feststellungen. Der Senat korrigiert dies in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 4
Bearbeiter: Christoph Henckel