HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 938
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 205/24, Beschluss v. 13.06.2024, HRRS 2024 Nr. 938
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 5. Februar 2024 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis, mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit unerlaubtem Besitz eines Butterflymessers schuldig ist. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit vorsätzlichem Besitz einer verbotenen Waffe“ zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ferner seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen ist. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO; lediglich der Schuldspruch ist neu zu fassen.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bewahrte der Angeklagte am 5. April 2023 538,14 Gramm Haschisch mit einer Wirktstoffmenge von 142,636 Gramm THC, 212,6 Gramm MDMA mit einer Wirkstoffmenge von 125,038 Gramm MDMA-Base und 18,88 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 16,671 Gramm Kokainhydrochlorid auf einer unmittelbar an seine Wohnung grenzenden Dachterrasse auf. Das Kokain und 60 Gramm Haschisch waren zum Eigenkonsum bestimmt, der Rest der Substanzen zum Gewinn bringenden Weiterverkauf. Darüber hinaus übte der Angeklagte am selben Tag die tatsächliche Gewalt über ein Butterflymesser mit einer Klingenlänge von neun Zentimetern aus.
2. Die auf die Revision des Angeklagten veranlasste Nachprüfung des Urteils führt lediglich zur aufgrund des Inkrafttretens des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 27. März 2024 (BGBl. I 2024, Nr. 109; nachfolgend: Cannabisgesetz) erforderlich gewordenen Neufassung des Schuldspruchs, der darüberhinaus aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hinsichtlich des Waffendelikts zu konkretisieren ist. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:
a) Mit Blick darauf, dass der Angeklagte neben Haschisch auch mit MDMA in nicht geringer Menge Handel trieb, bleibt der Tatvorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bestehen. Soweit der Angeklagte darüber hinaus auch Haschisch zum Gewinn bringenden Weiterverkauf aufbewahrte, tritt der Tatbestand des nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG verbotenen Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) tateinheitlich hinzu. Zwar überschritt die von dem Angeklagten vorgehaltene Handelsmenge die nicht geringe Menge im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24 Rn. 7 ff.; vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24 Rn. 11 ff.; vom 30. April 2024 - 6 StR 536/23 Rn. 21 ff. und vom 6. Mai 2 3 4 2024 - 4 StR 5/24 Rn. 10 ff.); jedoch handelt es sich bei der Bestimmung des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG lediglich um ein Regelbeispiel, dessen Verwirklichung in der Urteilsformel nicht zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2024 - 5 StR 550/23 Rn. 9). Auch die tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bleibt bestehen, da der Angeklagte mehr als fünf Gramm Kokainhydrochlorid besaß. Der gleichzeitige Besitz von 60 Gramm Haschisch zum Eigenkonsum bleibt indes straffrei, weil die Grenze des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG nicht überschritten ist. Die insoweit verwirklichte Ordnungswidrigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG tritt nach § 21 OWiG hinter dem durch dieselbe Handlung verwirklichten Straftatbestand zurück.
b) Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Denn es ist auszuschließen, dass das Landgericht bei Berücksichtigung der gesetzlichen Neuregelung eine für den Angeklagten günstigere Strafe verhängt hätte. Der Strafrahmen ist weiterhin dem § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zu entnehmen (§ 52 Abs. 1 StGB). Sowohl bei der Prüfung des Vorliegens eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG als auch bei der konkreten Strafzumessung hat die Strafkammer explizit berücksichtigt, dass Cannabis „am untersten Rand der Gefährlichkeit“ einzuordnen ist. Darüberhinaus überschritt allein die Handelsmenge an MDMA die nicht geringe Menge ca. um das Dreifache; die Besitzmenge des Kokains stellte annähernd das Dreifache derselben dar. Hinsichtlich des Handeltreibens mit Cannabis ist das Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG verwirklicht und damit der gegenüber dem Grundtatbestand des § 34 Abs. 1 KCanG höhere Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG in die Gesamtwürdigung einzustellen.
Anhaltspunkte, die für ein Entfallen der Regelwirkung sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 938
Bearbeiter: Christoph Henckel