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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1111

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 179/24, Beschluss v. 09.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1111


BGH 1 StR 179/24 - Beschluss vom 9. Juli 2024 (LG Traunstein)

Änderung des Schuldspruchs wegen Inkrafttreten des KCanG.

§ 354a StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 26. Oktober 2023 - soweit es ihn betrifft -

a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass er des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist, und

b) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin geändert, dass diese in Höhe von 159.491,40 € angeordnet ist; in Höhe eines Betrages von 22.560 € entfällt die Einziehung.

2. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das vorgenannte Urteil - soweit es ihn betrifft -

a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass er des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Cannabis schuldig ist, und

b) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin geändert, dass diese in Höhe von 159.491,40 € angeordnet ist; in Höhe eines Betrages von 22.560 € entfällt die Einziehung.

3. Auf die Revision des Angeklagten L. wird das vorgenannte Urteil - soweit es ihn betrifft -

a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass er des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist, und

b) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin geändert, dass diese in Höhe von 151.491,40 € angeordnet ist; in Höhe eines Betrages von 18.560 € entfällt die Einziehung.

4. Die weitergehenden Revisionen werden als unbegründet verworfen.

5. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren, den Angeklagten W. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten L. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der gegen den Angeklagten L. verhängten Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat das Landgericht gegen die Angeklagten jeweils die Einziehung des Wertes von Taterträgen - als Gesamtschuldner - angeordnet, gegen die Angeklagten S. und W. in Höhe von 182.051,40 €, gegen den Angeklagten L. in Höhe von 170.051,40 €.

Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten mit jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen; die Angeklagten S. und W. erheben zudem Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel haben jeweils mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die auf die Rügen der Verletzung materiellen Rechts gebotene Nachprüfung des Urteils führt zu einer durch das Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 27. März 2024 (BGBl. I 2024, Nr. 109) erforderlich gewordenen (§ 354a StPO, § 2 Abs. 3 StGB) Änderung des Schuldspruchs. Das insoweit festgestellte Tatgeschehen ist bei den Angeklagten nunmehr als bandenmäßiges Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG, bei dem Angeklagten W. in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG, zu beurteilen.

2. Die Schuldspruchänderungen führen hier jedoch nicht zur Aufhebung der die Angeklagten betreffenden Strafaussprüche.

Der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer bei den Angeklagten S. und W. einen minder schweren Fall des § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG angenommen hätte; denn die Strafschärfungsgründe, die die Strafkammer bei ihnen zur Ablehnung eines minder schweren Falls nach § 30 Abs. 2 BtMG bewegt hatten, gelten auch hier uneingeschränkt. Zudem entfällt die von der Strafkammer für die Angeklagten noch als Strafmilderungsgrund eingestellte Eigenschaft von Cannabis als „weiche Droge“. Die von der Strafkammer nach dem Betäubungsmittelgesetz verhängte Strafe liegt außerdem deutlich über der von ihr angenommenen Sperrwirkung.

Bei dem Angeklagten L. schließt der Senat im Hinblick auf die bereits äußerst maßvolle Freiheitsstrafe ebenfalls aus, dass die Strafkammer bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes eine noch niedrigere Strafe verhängt hätte.

3. Die die Angeklagten S., W. und L. betreffenden Entscheidungen über die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) halten rechtlicher Überprüfung nur teilweise stand. Sie entfällt bei den Angeklagten S. und W. in Höhe eines Betrages von 22.560 €, bei dem Angeklagten L. in Höhe eines solchen von 18.560 €.

a) Der Generalbundesanwalt hat - die Angeklagten S. und W. betreffend - zutreffend das Folgende ausgeführt:

„Nach den Feststellungen wurde durch den Abverkauf von 1.000 Gramm Marihuana (Tat Ziff. 1.2.1.1; UA S. 19) ein Ertrag in Höhe von lediglich 3.000 Euro (und nicht 6.000 Euro; UA S. 54) erzielt.

Da der anderweitig verfolgte G. für 7.750 Gramm Marihuana lediglich `einen Preis zwischen 4,00 bis 4,50 Euro pro g´ bezahlte (Tat Ziff. 1.2.1.2; UA S. 19), ist zu Gunsten des Angeklagten von einem Verkaufspreis von 4 Euro pro Gramm auszugehen; durch die vier Einzelgeschäfte wurden daher nur 31.000 Euro (und nicht 46.500 Euro; UA S. 54) erlöst.

Soweit die Kammer hinsichtlich der Verkäufe von zumindest 2.404,3 Gramm Marihuana an den Mitangeklagten B. - im Wege der Schätzung (UA S. 53) - einen Verkaufspreis von mindestens 6 Euro pro Gramm angesetzt hat (Tat Ziff. 1.2.1.3; UA S. 19 f.), ist dies hinsichtlich einer Menge von 2.000 Gramm unplausibel, da der Mitangeklagte B. für diese Menge lediglich einen (Weiter-)Verkaufspreis von 4 Euro pro Gramm erzielte (UA S. 19). Mithin ist zu Gunsten des Angeklagten - im Hinblick auf diese Menge - nur von einem Verkaufspreis von 4 Euro pro Gramm (folglich 8.000 Euro anstatt 12.000 Euro Ertrag) auszugehen; durch die Einzelgeschäfte mit dem Mitangeklagten B. wurden daher lediglich 10.425,80 Euro (und nicht 14.425,80 Euro; UA S. 54) erzielt.

Bei der Berechnung der Erlöse durch Verkäufe über `Darknet-Shops´ (Tat Ziff. 1.2.2; UA S. 20 ff.) ist der Kammer - wie sie offengelegt hat (UA S. 54) - ein Rechenfehler hinsichtlich 5 Gramm Marihuana zum Verkaufspreis von 6 Euro pro Gramm (folglich 30 Euro) unterlaufen. Erlöst wurden daher nur 115.065,60 Euro (und nicht 115.095,60 Euro; UA S. 54).

Insgesamt wurden daher lediglich Taterträge in Höhe von 159.491,40 Euro (3.000 Euro + 31.000 Euro + 10.425,80 Euro + 115.065,60 Euro) erzielt.“

b) Hinsichtlich des Angeklagten L. gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend mit der Maßgabe, dass der Angeklagte L. betreffend Fall Ziff. 1.2.1.2 der Urteilsgründe an einem Geschäft über 2.000 Gramm nicht beteiligt war, weshalb sich insoweit sein Erlös auf 23.000 € reduziert. Der Angeklagte L. erzielte damit insgesamt Taterträge in Höhe von 151.491,40 € (3.000 € + 23.000 € + 10.425,80 € + 115.065,60 €) - wie von dem Generalbundesanwalt gleichfalls zutreffend dargelegt.

3. Angesichts des jeweils geringfügigen Erfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, die Angeklagten insgesamt mit den Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1111

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede