HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 929
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 145/24, Beschluss v. 27.05.2024, HRRS 2024 Nr. 929
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 16. Januar 2024
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen verurteilt ist,
b) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen B.1. und B.2. der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben; jedoch werden die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten,
c) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin geändert, dass diese in Höhe von 5.500 Euro angeordnet ist und die darüber hinausgehende Einziehungsanordnung entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ferner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 21.500 Euro angeordnet und bestimmt, dass die in Albanien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:2 auf die erkannte Strafe anzurechnen ist. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch und zur Einziehungsentscheidung den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Schuldspruch ist neu zu fassen.
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts schlossen sich der Angeklagte, der anderweitig Verurteilte B. und der anderweitig Verfolgte K. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Januar 2021 zusammen, um durch arbeitsteiliges Vorgehen fortgesetzt und Gewinn bringend Marihuana im zwei- bis dreistelligen Kilogrammbereich sowie Kokain zu veräußern. Von dem erzielten Gewinn sollte jeder ein Drittel bekommen.
aa) In Ausführung dieses Tatplans stellte der anderweitig Verurteilte B. der Gruppierung 50 Kilogramm Marihuana, welches er bereits vor Eingehen des Bündnisses mit dem Angeklagten und dem anderweitig Verfolgten K. für 2,40 Euro je Gramm erworben hatte, zur Weiterveräußerung zur Verfügung. Bis zur Durchsuchung am 27. April 2022 wurden hiervon mindestens 20 Kilogramm zu drei Euro pro Gramm verkauft; weitere 13.216,90 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt zwischen 0,9 Prozent und 16,6 Prozent (insgesamt 1.047,66 Gramm THC) konnten bei dem anderweitig Verfolgten B. sichergestellt werden. Darüber hinaus bewahrten der Angeklagte und seine Tatgenossen am 27. April 2022 in der Wohnung und im Keller der anderweitig Verfolgten Ki. Marihuanablüten und Marihuana mit einer Gesamtwirkstoffmenge von 252,7 Gramm THC zum Gewinn bringenden Weiterverkauf auf (Fall B.1. der Urteilsgründe).
bb) Spätestens ab dem 8. Februar 2022 plante die Gruppierung den Erwerb von 50 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von jedenfalls fünf Prozent in Spanien. Hierzu übergaben der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte K. in Absprache mit dem anderweitig Verfolgten B. am 17. März 2022 100.000 Euro an eine unbekannte Person in Madrid. Letztlich kam das Geschäft nicht zustande; der Angeklagte und seine Tatgenossen erhielten kein Marihuana (Fall B.2. der Urteilsgründe).
cc) Am 10. März 2022 übergab der anderweitig Verfolgte K. entsprechend dem gemeinsamen Tatplan mit dem Angeklagten und dem anderweitig Verfolgten B. 100 Gramm Kokaingemisch mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 59,48 Gramm Kokainhydrochlorid an den anderweitig Verfolgten Bl. Den Kaufpreis in Höhe von 4.500 Euro hatte Bl. unmittelbar zuvor an den Angeklagten übergeben (Fall B.3. der Urteilsgründe).
b) Die Strafkammer hat wegen dieser Taten gegen den Angeklagten Einzelfreiheitsstrafen von sechs Jahren (Fall B.1. der Urteilsgründe), vier Jahren (Fall B.2. der Urteilsgründe) sowie fünf Jahren und sechs Monaten (Fall B.3. der Urteilsgründe) festgesetzt; diese hat sie auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten zurückgeführt. Bei der Berechnung des einzuziehenden Wertersatzes ist sie davon ausgegangen, dass der Angeklagte jeweils ein Drittel des Verkaufspreises des Cannabis (Fall B.1. der Urteilsgründe) bzw. Kokains (Fall B.3. der Urteilsgründe) erhielt.
2. Die auf die Revision des Angeklagten veranlasste Nachprüfung des Urteils führt zur durch das Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 27. März 2024 (BGBl. I 2024, Nr. 109; nachfolgend: Cannabisgesetz) erforderlich gewordenen Neufassung des Schuldspruchs, zur überwiegenden Aufhebung im Strafausspruch und zu einer Abänderung der Einziehungsanordnung.
a) aa) Der Fall B.3. der Urteilsgründe (Handeltreiben mit Kokain) ist von dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes zum 1. April 2024 nicht berührt.
bb) In den übrigen Fällen hält der Schuldspruch der rechtlichen Nachprüfung am Maßstab des Konsumcannabisgesetzes, auf das gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen ist, stand. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:
Das vom Landgericht in den Fällen B.1. und B.2. der Urteilsgründe festgestellte Tatgeschehen stellt sich als im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG verbotenes bandenmäßiges Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) dar.
Bei Marihuana handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des KCanG als „Cannabis“ erfasst wird (§ 1 Nr. 4 KCanG).
Für die in § 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG beschriebene Tathandlung des „Handeltreibens“ sowie die konkurrenzrechtliche Beurteilung ist auf die bisherige Rechtslage abzustellen (BGH, Beschluss vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24 Rn. 5). Gleiches gilt für das Handeln „als Mitglied einer Bande […], die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat“. Auch insoweit wollte sich der Gesetzgeber an die Begrifflichkeit des Betäubungsmittelgesetzes anlehnen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 132). In den Fällen B.1. und B.2. steht jeweils eine nicht geringe Menge im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG in mitten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. April 2024 - 5 StR 136/24 Rn. 3; vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24 Rn. 7 ff. und vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24 Rn. 11 ff.).
Des Zusatzes „in nicht geringer Menge“ bedarf es im Schuldspruch nicht, da der Qualifikationstatbestand des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG stets voraussetzt, dass die Tat eine solche Menge betrifft (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. April 2024 - 5 StR 136/24 und vom 14. Februar 2024 - 5 StR 484/23 Rn. 2).
b) Im Strafausspruch kann das angefochtene Urteil mit Ausnahme der im Fall B.3. der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafe keinen Bestand haben. Denn der Strafrahmen des § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG weicht von dem bisher maßgeblichen des § 30a Abs. 1 BtMG erheblich zugunsten des Angeklagten ab.
Der Senat kann nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei Anwendung des Strafrahmens aus § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG in den Fällen B.1. und B.2. der Urteilsgründe niedrigere Einzelstrafen gegen den Angeklagten verhängt hätte.
c) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch sind aufrechtzuerhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind zulässig, sofern sie den bestehenden nicht widersprechen.
d) Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen hält rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand. Nach den Feststellungen des Landgerichts erlangte der Angeklagte im Fall B.1. der Urteilsgründe nur 4.000 Euro. Insgesamt wurden durch die Gruppierung mindestens 20 Kilogramm zu je drei Euro pro Gramm veräußert. Dies entspricht Einnahmen in Höhe von 60.000 Euro und - den von der Strafkammer festgestellten Einkaufspreis von 2,40 Euro zurgrundegelegt - einem Gewinn in Höhe von 12.000 Euro. Nur hiervon bekam der Angeklagte nach der Beuteverteilungsregel ein Drittel (vgl. UA S. 7), nicht von den Einnahmen, wovon die Strafkammer bei der Berechnung des einzuziehenden Wertersatzes jedoch fehlerhaft ausgegangen ist. In welcher Höhe der Angeklagte selbst aus den Verkäufen Erlöse in Empfang nahm, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Da insoweit keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind, ändert der Senat die Einziehungsentscheidung selbst entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
Im Fall B.3. der Urteilsgründe vereinnahmte der Angeklagte den gesamten Kaufpreis in Höhe von 4.500 Euro, sodass dieser nach § 73 Abs. 1 Alternative 1, § 73c Satz 1 StGB der vollständigen (Wertersatz-)Einziehung unterlegen hätte. Dass das Landgericht insoweit lediglich Wertersatz in Höhe von 1.500 Euro eingezogen hat, beschwert den Angeklagten nicht. Wegen des Verschlechterungsverbotes (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) kann ihm dieser „Vorteil“ nicht genommen werden, auch nicht im Wege der Verrechnung mit anderen Einziehungsbeträgen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2023 - 1 StR 412/22 Rn. 7).
e) Die Entscheidung zum Anrechnungsmaßstab der in Albanien erlittenen Auslieferungshaft erweist sich aus den durch den Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführten Gründen als rechtsfehlerfrei und kann bestehen bleiben. Auch das Absehen von der Anordnung der Maßregel des § 64 StGB begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 929
Bearbeiter: Christoph Henckel