hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 532

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 394/23, Beschluss v. 21.02.2024, HRRS 2024 Nr. 532


BGH 1 StR 394/23 - Beschluss vom 21. Februar 2024 (LG Hagen)

Steuerhinterziehung (Kompensationsverbot: zulässige Berücksichtigung von geschätzten „Schwarzlöhnen“ als Betriebsausgabe).

§ 370 Abs. 1, Abs. 4 Satz 3 AO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 4. Mai 2023 aufgehoben

a) hinsichtlich der Einzelstrafen in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe (Verkürzung von Einkommen- bzw. Gewerbesteuer) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen,

b) hinsichtlich der Einzelstrafen in den Fällen 11 bis 15 der Urteilsgründe (Verkürzung von Umsatzsteuer),

c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und

d) hinsichtlich der Einziehungsanordnung mit den zugehörigen Feststellungen, soweit sie einen Betrag in Höhe von 159.905,88 € übersteigt.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; zudem hat es gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe der verkürzten Einkommensteuer inklusive Solidaritätszuschlag, Gewerbe- und Umsatzsteuer mit einem Betrag von (abgerundet) 750.000 € angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte u.a. in den Jahren 2014 bis 2018 als Einzelkaufmann den Imbiss „C. “; er setzte dabei Mitarbeiter ein, vornehmlich seine beiden Brüder und seine Eltern. Der Angeklagte, der seinen Gewinn mittels Einnahmeüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermittelte, verschwieg bei seiner Abgabe der Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen sowie Umsatzsteuerjahreserklärungen im Zeitraum vom 30. Mai 2016 bis zum 29. Juli 2019 einen erheblichen Teil seiner Betriebseinnahmen bzw. Ausgangsumsätze. Nach den Berechnungen des Landgerichts verkürzte er bezüglich der fünf Besteuerungszeiträume insgesamt 371.894,47 € an Einkommensteuer inklusive Solidaritätszuschlag, 225.579,20 € an Gewerbesteuer und 159.905,88 € an Umsatzsteuer.

2. Das Urteil hält der sachlichrechtlichen Überprüfung teilweise nicht stand.

a) In den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe hat das Landgericht bei Ermittlung des Umfangs der verkürzten Ertragsteuern nicht bedacht, dass vom Angeklagten gezahlte „Schwarzlöhne“ als Betriebsausgaben auf der Rechtsfolgenseite abzuziehen sind. Dem steht das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO), unter dessen Anwendung - allein - auf der Schuldspruchebene solche (allgemeinen) Betriebsausgaben als „andere Gründe“ Betriebseinnahmen nicht mindern dürfen, sofern sie diesen nicht unmittelbar zuzuordnen sind, nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2022 - 1 StR 101/22 Rn. 8; zum Ganzen: BGH, Beschluss vom 6. August 2020 - 1 StR 198/20, BGHR StGB § 73c Satz 1 Erlangtes 5 Rn. 22 mit weiteren umfangreichen Nachweisen; vgl. auch - nicht eindeutig zwischen Schuldspruch- und Strafzumessungsebene trennend: BGH, Beschluss vom 5. September 2019 - 1 StR 12/19 Rn. 21 f.).

Das Aufklären solcher „Schwarzlöhne“ - notgedrungen im Wege der Schätzung - hat sich hier aufgedrängt. Denn nach den Ausführungen des Landgerichts halfen jedenfalls die Brüder des Angeklagten und dessen Eltern nicht nur gelegentlich aus, sondern arbeiteten regelmäßig im Imbiss; demgemäß erlaubte der Angeklagte, dass seine Familienangehörigen Bargelder aus der Kasse - naheliegender Weise als Arbeitsentgelt - entnehmen durften (insbesondere UA S. 7, 68 f.).

Der aufgezeigte Rechtsfehler bedingt in den Fällen 1 bis 10 der Urteilsgründe die Aufhebung der Einzelstrafen und der Einziehungsanordnung (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) nebst den jeweils zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) sowie nachfolgend der Gesamtstrafe. Um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, hebt der Senat vorsorglich auch die in den Fällen 11 bis 15 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen auf.

b) Die Ermittlung des Umfangs der verkürzten Umsatzsteuern birgt hingegen aus den zutreffenden Erwägungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zulasten des Angeklagten. Die Einziehungsanordnung hat in Höhe von 159.905,88 € Bestand.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 532

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede