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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 111

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 360/23, Beschluss v. 12.12.2023, HRRS 2024 Nr. 111


BGH 1 StR 360/23 - Beschluss vom 12. Dezember 2023 (LG Hagen)

Einziehung (Erlangtes Etwas bei der Hinterziehung von Verbrauchsteuern: erforderliche Zugriffs- und Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich der steuerpflichtigen Waren).

§ 73 Abs. 1 StGB; § 370 Abs. 1 AO

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 27. März 2023 im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben; die Einziehung entfällt.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen; jedoch trägt die Staatskasse diejenigen Kosten, die die Einziehung betreffen, sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt sowie deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es den Wert von Taterträgen in Höhe von 539.777,12 Euro eingezogen. Die mit der Beanstandung der Verletzung materiellen Rechts geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Der Schuld- und Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Einziehungsentscheidung erweist sich hingegen als rechtsfehlerhaft. Die Anordnung ist daher aufzuheben; der Senat entscheidet entsprechend § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst und lässt sie entfallen.

Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt:

„Die Voraussetzungen für die angeordnete Einziehung des Werts der hergestellten Zigaretten gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB liegen (…) nicht vor.

Der Angeklagte hat nichts ‚durch’ die Tat erlangt gemäß § 73 Abs. 1 StGB. Bei der Hinterziehung von Tabaksteuer ist ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur gegeben, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren einen Vermögenszuwachs erzielt (Senat, Beschluss vom 23. Juli 2020 - 1 StR 78/20, Rn. 3 m. w. N.). Die Annahme eines Vermögenszuwachses setzt voraus, dass der Täter eine wirtschaftliche Zugriffs- oder Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Waren hat, über diese also wirtschaftlich (mit-)verfügen kann (Senat a. a. O. Rn. 4). Das ist zu verneinen. Der Angeklagte war bei seiner Beteiligung an der illegalen Herstellung von Zigaretten für unbekannte Hintermänner tätig, die nach den sinngemäß verstandenen Urteilsgründen allein über die hergestellten Zigaretten verfügen konnten.“

Dem schließt sich der Senat an. Er sieht jedoch keinen Anlass, eine Entscheidung gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO über die vom Angeklagten erlangte freie Verpflegung in Form von Lebensmitteln zu treffen. Das Landgericht hat hierzu schon keine Ausführungen gemacht. Zudem erscheint es zweifelhaft, dass der Angeklagte die Lebensmittel „für“ die Tat erlangt hat.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten beruht auf § 473 Abs. 1 StPO; die Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten, die durch die Einziehung entstanden sind, trägt jedoch die Staatskasse (§ 473 Abs. 4 StPO, § 465 Abs. 2 StPO analog; vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2021 - 1 StR 423/20, BGHR StPO § 473 Abs. 4 Quotelung 8 Rn. 6 ff.).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 111

Bearbeiter: Christoph Henckel