HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1084
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 210/23, Beschluss v. 25.07.2023, HRRS 2023 Nr. 1084
1. Auf den Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts wird der Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 24. April 2023 aufgehoben.
2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 31. März 2023 wird als unzulässig verworfen.
3. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an einen Minderjährigen in 41 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner verspätet eingelegten Revision, mit der er zugleich Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Revision beantragt hat. Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung und die Revision jeweils mit Beschluss als unzulässig verworfen. Daraufhin hat der Angeklagte erneut Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO beantragt.
1. Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 StPO) ist zulässig und begründet. Das Landgericht war zu einer Verwerfung der Revision gemäß § 349 Abs. 1 StPO nicht befugt, da der Angeklagte nicht nur Revision eingelegt, sondern zugleich auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hat, nachdem er die Wochenfrist zur Einlegung der Revision (§ 341 Abs. 1 StPO) versäumt hatte; denn nach § 46 Abs. 1 StPO entscheidet über den Wiedereinsetzungsantrag das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre, und damit das Revisionsgericht.
2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung ist unzulässig, weil er keine Tatsachen vorgetragen hat, aufgrund derer er ohne sein Verschulden im Sinne des § 44 Satz 1 StPO daran gehindert gewesen sein soll, die Frist zur Einlegung der Revision einzuhalten.
Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift das Folgende ausgeführt:
„Das Urteil des Landgerichts ist am 31. März 2023 in Anwesenheit des Angeklagten verkündet worden. Der Angeklagte trägt vor, er habe keine Möglichkeit gehabt, seinen Verteidiger aus der Untersuchungshaft anzurufen. Daher habe er am 7. April 2023, dem Karfreitag, ein Schreiben an seinen Verteidiger aufgesetzt und das Schreiben am selben Tag in der Justizvollzugsanstalt ‚eingeworfen’. Da die Revisionseinlegungsfrist auf Grund der Feiertage nicht schon am 7. April 2023, sondern erst am Dienstag, dem 11. April 2023 geendet habe, habe er darauf vertraut, dass das Schreiben von den Beamten der Justizvollzugsanstalt am Samstag, dem 8. April 2023 zur Post gegeben wird, der Verteidiger das Schreiben am Dienstag, dem 11. April 2023 erhält und noch am selben Tag fristgerecht Revision einlegt. Der Verteidiger habe das Schreiben jedoch erst am 14. April 2023 erhalten.
Ob die Angabe, keine Erlaubnis für ein Telefonat erhalten zu haben, ausreichend glaubhaft gemacht ist, kann dahin stehen. Der Angeklagte hat jedenfalls weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, weshalb er das Schreiben erst am 7. April 2023 und damit eine Woche nach Urteilsverkündung aufgesetzt hat. Zwar darf eine Rechtsmittelfrist grundsätzlich bis zum letzten Tag ausgeschöpft werden (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2021 - 3 StR 185/21 -, Rn. 6 m.w.N.). Der Vortrag, dass das Schreiben bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang am Folgetag von den Beamten zur Post gegeben worden wäre, so dass die Möglichkeit bestanden hätte, dass es dem Verteidiger am nächsten Werktag zugeht, ist jedoch ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Es erschließt sich weder, warum die für die Häftlingspost typischerweise zuständige Vollzugsgeschäftsstelle am Wochenende besetzt gewesen sein sollte, noch wieso es Aufgabe der am Wochenende diensthabenden Vollzugsbeamten gewesen sein sollte, sich um die Post zu kümmern, zumal der Angeklagte das Schreiben offensichtlich nicht unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit persönlich übergeben, sondern in einen dafür vorgesehenen Briefkasten geworfen hat.“
Dem schließt sich der Senat an. Bezogen auf die versäumte Frist zur Einlegung der Revision aus § 341 Abs. 1 StPO sind auch keine Umstände gegeben, die zur Gewährung einer Wiedereinsetzung von Amts wegen Anlass geben. Die verspätet eingelegte Revision ist durch das nach § 46 Abs. 1 StPO zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag berufene Revisionsgericht als unzulässig gemäß § 349 Abs. 1 StPO zu verwerfen.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1084
Bearbeiter: Christoph Henckel