HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 660
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 87/22, Beschluss v. 05.05.2022, HRRS 2022 Nr. 660
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 18. November 2021 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen besonders schweren Raubes in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die mit der Beanstandung der Verletzung formellen und materiellen Rechts geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Schuldspruch und die Einziehungsanordnung erweisen sich als rechtsfehlerfrei. Hingegen hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar begegnet die Nichtanwendung von Jugendstrafrecht auf den zu den Tatzeiten jeweils knapp 20-jährigen Angeklagten keinen Bedenken. Das Landgericht hat aber weder bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall nach § 250 Abs. 3 StGB vorliegt, dessen Voraussetzungen es verneint hat, noch bei der Strafzumessung im engeren Sinne das junge Alter des Angeklagten bei der Begehung der Taten zu dessen Gunsten eingestellt, sondern diesen Umstand allein bei der Bildung der Gesamtstrafe berücksichtigt. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil dadurch ein bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt (vgl. § 267 Abs. 3 StPO) schon bei der Bildung der Einzelstrafen nicht herangezogen worden ist. Bei der dem Angeklagten drohenden langen Haft bleiben angesichts seines jungen Alters die gewichtigen Nachteile für seine persönliche Entwicklung unbeachtet (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 1992 - 5 StR 447/92).
Der Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Die Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von dem Wertungsfehler nicht betroffen sind. Das neue Tatgericht kann weitergehende Feststellungen treffen, wenn diese den bisherigen nicht widersprechen.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 660
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede