HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1058
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 214/22, Beschluss v. 26.07.2022, HRRS 2022 Nr. 1058
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 17. März 2022 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und die Einziehung eines Bargeldbetrags von 98.000 € sowie des Wertes von Taterträgen in Höhe von weiteren 302.000 € angeordnet. Im Übrigen hat es die Angeklagte freigesprochen. Die gegen die Verurteilung gerichtete, auf die Rüge einer Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Der auf eine Verletzung von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO gestützten Verfahrensrüge bleibt der Erfolg versagt.
a) Die Rüge wegen fehlerhafter Ablehnung des Hilfsbeweisantrags vom 16. März 2022 auf Vernehmung der Zeugin S. genügt nicht den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist daher bereits unzulässig. Denn die im Antrag und in den Urteilsausführungen zur Ablehnung des Hilfsbeweisantrags vom Landgericht in Bezug genommenen Schreiben der H. Versicherung wurden nicht vorgelegt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2021 - 4 StR 103/21 Rn. 4 f.; LR-Becker, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 372 mwN). Deren Inhalt ergibt sich nicht vollständig aus den Urteilsgründen.
b) Die Verfahrensrüge wäre im Übrigen auch unbegründet, weil das Landgericht den Hilfsbeweisantrag im Ergebnis zurecht abgelehnt hat.
aa) Zwar begegnet die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags auf Vernehmung der Zeugin S. zu dem vom geschädigten Zeugen A. angegebenen Grund für die Kündigung des Kfz-Versicherungsvertrags im Jahr 2020 (Veräußerung des Fahrzeugs) mit der Begründung fehlender Konnexität beziehungsweise völliger Ungeeignetheit erheblichen Bedenken. Die insoweit unter Beweis gestellten Behauptungen sind aber für die Entscheidung ohne tatsächliche Bedeutung (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO), sodass der diesbezügliche Hilfsbeweisantrag rechtsfehlerfrei aus diesem Grunde hätte abgelehnt werden können. Dieser Ablehnungsgrund kann vom Revisionsgericht in dieser Konstellation eines Hilfsbeweisantrags aufgrund des Urteilsinhalts ohne Weiteres nachgebracht werden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 - 1 StR 683/18 Rn. 57 mwN).
bb) Die genannte Beweisbehauptung ist schon deshalb ohne tatsächliche Bedeutung für die Entscheidung, weil das Landgericht den Umstand, dass der Zeuge hinsichtlich der Kündigung des Versicherungsverhältnisses objektiv unrichtige Angaben gemacht hat, in seine Beweiswürdigung ohne Einschränkungen eingestellt hat. Insoweit ist das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise von Erinnerungslücken beziehungsweise Fehlerinnerungen des 87-jährigen Zeugen ausgegangen, die indes in der Gesamtwürdigung nicht geeignet waren, seine Überzeugung von der wahrheitsgemäßen Schilderung des der Verurteilung zugrundeliegenden Tatgeschehens durch den Zeugen zu erschüttern (UA S. 23).
Hiermit korrespondierend hat das Landgericht auch dem Umstand, dass die Zeugin S. im Vermerk vom 8. September 2020 über das Telefonat im Zusammenhang mit der Kündigung des Kfz-Versicherungsvertrags als Kündigungsgrund festgehalten hat „VN hat das Fahrzeug verkauft und möchte kein neues anmelden. Bitte den Vertrag abrechnen“, keine Bedeutung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen A. beigemessen (UA S. 25). Danach kann ausgeschlossen werden, dass einer entsprechenden Aussage der Zeugin S. tatsächliche Bedeutung für die Beweiswürdigung hätte zukommen können. Insbesondere wäre aus einer der Beweisbehauptung entsprechenden Aussage der Zeugin S. kein zwingender Schluss auf eine fehlende Glaubwürdigkeit des Zeugen A. zu ziehen. Entsprechendes gilt auch hinsichtlich der unter Beweis gestellten Behauptung, der Zeuge A. sei im September 2020 „postalisch“ über die Abrechnung des Versicherungsvertrags und den Grund hierfür - eine Veräußerung des Fahrzeugs - informiert worden.
Ohne tatsächliche Bedeutung für die Entscheidung waren die insoweit mit dem Hilfsantrag unter Beweis gestellten Tatsachen vor allem aber auch deshalb, weil das Landgericht seine Überzeugung von dem Tatgeschehen nicht nur auf die - sorgfältig, ausführlich und nachvollziehbar gewürdigte - Aussage des Zeugen A. gestützt hat, sondern auch auf bestätigende Umstände außerhalb dessen Angaben, namentlich darauf, dass es die vom Zeugen A. angegebenen Abhebungs- und Einzahlungsvorgänge in dessen Kontoauszügen nachvollziehen konnte und bei der Angeklagten ein Betrag von 98.000 € in der Stückelung des vom Zeugen A. aufbewahrten und abhandengekommenen Geldbetrags (200-€-Scheine) - an ungewöhnlicher Stelle versteckt - aufgefunden worden war.
cc) Im Übrigen hat das Landgericht den Hilfsbeweisantrag - soweit überhaupt von der Angriffsrichtung der Verfahrensrüge umfasst und soweit im Beweisantrag Beweistatsachen benannt wurden - rechtsfehlerfrei nach § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 StPO mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellten Tatsachen seien bereits erwiesen.
2. Die auf die Sachrüge gebotene sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1058
Bearbeiter: Christoph Henckel