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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 271

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 BGs 42/21, Beschluss v. 29.01.2021, HRRS 2021 Nr. 271


BGH Ermittlungsrichter 1 BGs 42/21 (1 ARs 1/20) - Beschluss vom 29. Januar 2021

Gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit eines Beweisantrags im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (Vorlage von Log-Dateien von E-Mail-Accounts von Mitarbeitern eines Bundesministeriums: keine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses)

Art. 10 Abs. 1 GG; Art. 44 Abs. 2 Satz 2 GG; § 17 Abs. 2, Abs. 4 PUAG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die E-Mail-Kommunikation von Amtsträgern und Amtsträgerinnen in Amtsgeschäften über einen dienstlichen E-Mail-Account unterfällt nicht dem Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses.

2. Art. 44 Abs. 2 Satz 2 GG untersagt dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss lediglich unmittelbare Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis. Eine „Zweitverwertung“ von bereits erhobenen Daten ist dem Untersuchungsausschuss jedoch nicht verwehrt.

Entscheidungstenor

Es wird festgestellt, dass der 2. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages aufgrund des Beweisantrages der Antragsteller vom 29. Oktober 2020 (Ausschussdrucksache 19[29] 156) verpflichtet ist, Beweis zu erheben durch Ersuchen an den Präsidenten des Deutschen Bundestages um Vorlage der auf den Servern des Deutschen Bundestages gespeicherten Protokolldateien (Logfiles) in digitaler Form, die die Nutzung folgender Accounts betreffen: 1. @bundestag.de @bundestag.de @bundestag.de und

2. als Absender oder Adressaten das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und/oder die dort Bediensteten

a)
b)
c)
d)
e)
f)
g)
h)
i)
j)
aufweisen.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen die Ablehnung eines im 2. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gemäß § 17 Abs. 2 PUAG gestellten Antrags auf Beweiserhebung.

1. Dieser Untersuchungsausschuss hat im Wesentlichen den Auftrag, „das Verhalten der Bundesregierung, insbesondere des BMVI und seiner nachgeordneten Behörden, im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Einführung der Infrastrukturabgabe, einschließlich der Vergabe sowie der Kündigung der Verträge zur Erhebung und Kontrolle und die daraus resultierenden Folgen inklusive den Prozessen der Abwicklung des Projekts, umfassend auf[zu]klären. Dabei soll er diese Vorgänge unter vertraglichen, rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen, haushälterischen und politischen Gesichtspunkten untersuchen sowie die persönlichen und politischen Verantwortlichkeiten und die Aufklärungs- und Informationspraxis der Bundesregierung, insbesondere des BMVI, gegenüber dem Bundestag zu diesen Vorgängen überprüfen.“ Hierzu soll er insbesondere auch klären, welche Entscheidungen „durch die Bundesregierung, insbesondere durch das BMVI sowie durch den jeweiligen Bundesverkehrsminister persönlich im Hinblick auf die geplante Infrastrukturabgabe aus welchen Gründen gefällt“ wurden (vgl. zum Untersuchungsauftrag im Einzelnen BT-Drs. 19/15543, S. 2 ff.).

2. Zum Verfahrensgang im Untersuchungsausschuss ist - soweit für das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 17 Abs. 4 PUAG von Bedeutung - von folgendem Sachverhalt auszugehen:

a) Der Untersuchungsausschuss fasste mehrere auf die Vorlage von Unterlagen durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gerichtete Beweisbeschlüsse. So hat der Untersuchungsausschuss mit dem Beweisbeschluss BMVI-5 vom 12. Dezember 2019 Beweis erhoben durch Beiziehung aller Unterlagen aus dem Leitungsbereich des BMVI (Bundesminister, verbeamtete Staatssekretäre, parlamentarische Staatssekretäre), insbesondere Leitungsvorlagen, Terminkalenderauszüge, Vorbereitungen und Sprechzettel sowie Protokolle und andere Nachbereitungen für dienstliche Termine, Informationen parlamentarischer Gremien oder Gespräche, schriftliche und elektronische Anschreiben Dritter, Antwortentwürfe und Antworten zum Untersuchungsgegenstand seit dem 16. Dezember 2013, sowie sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Zusammenhang mit einer solchen Vorlage, einem solchen Termin oder einer solchen Kommunikation zum Untersuchungsgegenstand seit dem 16. Dezember 2013 in den Büros der genannten Mitglieder der Leitungsebene oder in Organisationseinheiten des BMVI, die einem Mitglied der Leitungsebene direkt zugeordnet sind, entstanden sind oder in Gewahrsam genommen wurden, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim BMVI (vgl. zum Wortlaut dieses Beweisbeschlusses im Einzelnen Anlage 2 zur Antragsschrift vom 7. Dezember 2020).

b) Auf die Beweisbeschlüsse übermittelte das BMVI dem Untersuchungsausschuss insgesamt mehr als 700.000 Blatt Akten sowie tausende E-Mails in digitaler Form. Zur Erfüllung konkret des Beweisbeschlusses BMVI-5 vom 12. Dezember 2019 legte das BMVI dem Untersuchungsausschuss in zwölf Tranchen - letztmalig am 1. Juli 2020 - insgesamt rund 46.000 Blatt Akten vor. Bereits die ersten Aktenvorlagen durch das BMVI im Januar 2020 enthielten E-Mails, die als Absender, Empfänger oder zur Kenntnisnahme („cc.“) einen Bundestags-Account von Bundesminister S. ( @bundestag.de) auswiesen; ferner enthielten die Unterlagen Ausdrucke von E-Mails, deren Anredetext „Sehr geehrter Herr Bundesminister“ lautete und die an ein als“ “ abgekürzt bezeichnetes E-Mail-Postfach gesendet worden waren (vgl. Anlagenkonvolut AG 4 zur Antragserwiderung vom 8. Januar 2021 und Anlage 6 zur Antragsschrift vom 7. Dezember 2020).

c) Unter dem 13. Mai 2020 gab der Leiter des Ministerbüros des BMVI gegenüber dem Untersuchungsausschuss eine Vollständigkeitserklärung (Anlage 4 zur Antragsschrift vom 7. Dezember 2020) ab, in der er unter anderem ausführte: „Ich erkläre hiermit, dass die vom Leitungsbereich zu dem Beweisbeschluss BMVI-5 des 2. UA der 19. WP vorgelegten Unterlagen nach bestem Wissen und Gewissen vollständig sind. […] Der guten Ordnung halber wird darauf hingewiesen, dass die derzeitigen Leitungsvertreter auch ihre privaten Kommunikationsmittel mit Blick auf den Beweisbeschluss BMVI-5 gesichtet haben. Untersuchungsgegenständliche Daten sind nicht vorhanden.“ d) Mit Schreiben vom 1. Juli 2020 (Anlage 5 zur Antragsschrift vom 7. Dezember 2020) legte die „Leiterin Stabsstelle 2. UA“ des BMVI dem Untersuchungsausschuss unter Bezugnahme auf den Beweisbeschluss BMVI-5 einen Ordner mit ca. 320 Blatt weiteren Unterlagen vor. Dabei handele es sich um eine „Nachlieferung, die auf ein Büroversehen zurückzuführen“ sei. In diesem Ordner befanden sich zumindest auch E-Mails zwischen dem Leiter der Abteilung Leitung, Kommunikation des BMVI und Bundesminister S. die über einen Bundestags-Account von Bundesminister S. ( @bundestag.de) empfangen beziehungsweise versandt worden waren.

e) In einer Vollständigkeitserklärung vom 16. Juli 2020 (Anlage 8 zur Antragsschrift vom 7. Dezember 2020) erklärte Bundesminister S. gegenüber dem Untersuchungsausschuss, seine Abgeordneten-E-Mail-Postfächer seien „hinsichtlich des Untersuchungsauftrags des 2. UA der 19. WP der guten Ordnung halber - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - auf untersuchungsgegenständliche Daten geprüft“ worden. Untersuchungsgegenständliche Daten seien, soweit in den genannten Postfächern festgestellt, bereits unter den an das BMVI gerichteten Beweisbeschlüssen nach bestem Wissen und Gewissen vollständig vorgelegt worden.

f) Mit Schreiben vom 9. Dezember 2020 erklärte die Leiterin der „Stabsstelle 2. UA“ des BMVI gegenüber dem Untersuchungsausschuss unter Bezugnahme auf mehrere Beweisbeschlüsse einschließlich Beweisbeschluss BMVI-5 für das BMVI und diesem nachgeordnete Behörden, „auf Grundlage der mir vorliegenden Vollständigkeitserklärungen nach bestem Wissen und Gewissen, dass die untersuchungsgegenständlichen und vorlagepflichtigen Unterlagen zu den im Betreff genannten Beweisbeschlüssen dem 2. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode vollständig vorgelegt wurden“ (vgl. Anlage AG 3 zur Antragserwiderung vom 8. Januar 2021).

g) Unter dem 22. Oktober 2020 hatten die Antragsteller zunächst beantragt, Beweis zu erheben durch ein an den Präsidenten des Deutschen Bundestages gerichtetes Ersuchen um Vorlage der auf den Servern des Deutschen Bundestages gespeicherten Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel in digitaler Form, die durch die Nutzung der Bundestags-Accounts von Bundesminister S. entstanden sind und die in diesem Beweisantrag näher bezeichneten Absender und/oder Adressaten aufweisen (vgl. zum Wortlaut des Beweisantrags Anlage AG 5 zur Antragserwiderung vom 8. Januar 2021). Der Untersuchungsausschuss lehnte diesen Beweisantrag mehrheitlich mit der Begründung als unzulässig ab, die Beweiserhebung sei auf einen unmittelbaren Eingriff in das Fernmeldegeheimnis gerichtet, der dem Untersuchungsausschuss verwehrt sei (vgl. Kurzprotokoll der 31. Sitzung vom 29. Oktober 2020, Protokoll-Nr. 19/31, Seiten 8 ff., Anlage AG 6 zur Antragserwiderung vom 8. Januar 2021, sowie Beschlussempfehlung zu dem Beweisantrag auf Ausschussdrucksache 152 vom 29. Oktober 2020, Ausschuss-Drucksache 154, Anlage AG 7 zur Antragserwiderung vom 8. Januar 2021).

h) Die Antragsteller stellten darauf unter dem 29. Oktober 2020 den hier verfahrensgegenständlichen Beweisantrag auf Vorlage der auf den Servern des Deutschen Bundestages gespeicherten Protokolldateien (Logfiles) in digitaler Form, die die Nutzung bestimmter Bundestags-Accounts von Bundesminister S. betreffen und als Absender oder Adressaten das BMVI und/oder die im Beweisantrag aufgelisteten Bediensteten des BMVI aufweisen. Zum vollständigen Wortlaut des Beweisantrags vom 29. Oktober 2020 wird auf die Ausschussdrucksache 19(29) 156 (Anlage 13 zur Antragsschrift vom 7. Dezember 2020) Bezug genommen.

i) Der Untersuchungsausschuss lehnte diesen Beweisantrag in seiner 33. Sitzung am 5. November 2020 mehrheitlich als unzulässig ab, weil auch die Vorlage der Protokolldateien (Logfiles) über die Nutzung der E-Mail-Accounts einen Eingriff in das durch Art. 10 GG geschützte Fernmeldegeheimnis darstelle (vgl. Protokoll der 33. Sitzung vom 5. November 2020, S. 11 ff., sowie die Begründung der Bundestagsabgeordneten für die Ablehnung des Beweisantrages auf Ausschussdrucksache 156, Anlagen 13 und 14 zur Antragsschrift vom 7. Dezember 2020).

3. Gegen die Ablehnung ihres Beweisantrags vom 29. Oktober 2020 wenden sich die Antragsteller mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 17 Abs. 4 PUAG vom 7. Dezember 2020.

a) Die Antragsteller behaupten, der Beweisantrag richte sich allein auf die IT-technische Dokumentation des dienstlichen E-Mail-Verkehrs, weil er ausschließlich die Kommunikation der genannten zehn Angehörigen des BMVI mit Bundesminister S. benenne. Über die Protokolldateien könnten im Kern nur Absender und Empfänger (Minister und Beamte) sowie Zeitpunkte ermittelt werden; auf den Inhalt des Kommunikationsprozesses werde mit dem streitigen Beweisantrag nicht zugegriffen (S. 5, 7 der Antragsschrift vom 7. Dezember 2020). Davon geht auch der Antragsgegner aus (vgl. S. 5 der Antragserwiderung vom 8. Januar 2021).

Die Antragsteller sind der Ansicht, der Beweisantrag habe nicht unter Verweis auf Art. 44 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 10 GG abgelehnt werden dürfen. Der Schutzbereich von Art. 10 Abs. 1 GG sei nicht berührt, weil dieses Grundrecht nur die Privatsphäre schütze. Dienstliche Kommunikation unter Behördenangehörigen sei nicht umfasst, weil sich Hoheitsträger nicht auf Grundrechte berufen könnten. Jedenfalls gebiete das verfassungsrechtlich geschützte Aufklärungsinteresse der qualifizierten Minderheit eine funktional eingrenzende Auslegung von Art. 42 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 10 GG, die dem Ausschuss nicht jede Kontrollmöglichkeit abschneidet. Sollte die Ablehnung des Beweisantrages auf der Annahme gründen, bei den zu überprüfenden Kontakten könne es sich theoretisch um private Kommunikation zwischen Minister und Behördenangehörigen handeln, sei dies gänzlich unplausibel. Zudem würde es damit ein Amtsträger in der Hand haben, das auf den dienstlichen Inhalt bezogene Pflichtenregime in eigener Entscheidung abzulegen und damit insbesondere das Kontrollsystem des Art. 44 GG zu unterlaufen. Eine Auslegung des Beweisantragsrechts, die „derartigen Umgehungen Tür und Tor öffnete“, stehe nicht mit dem hohen Rang des in Art. 44 GG verankerten Rechts auf parlamentarische Kontrolle in Einklang. Das bereits auf Art. 44 Abs. 1 GG basierende Beweiserhebungsrecht bilde den Kern des parlamentarischen Untersuchungsrechtes, das sich ersichtlich auch auf die Vorlage dienstlicher Kommunikation erstrecke, und zwar unabhängig davon, über welche Kommunikationswege diese abgewickelt worden sei. Soweit hier ferner Rechte aus dem Mandat als Abgeordneter des Deutschen Bundestags zu bedenken sein sollten, weil es sich theoretisch auch um mandatsbezogene Kommunikation gehandelt haben könnte, seien für eine solche Argumentation gleichfalls die Maßstäbe der praktischen Konkordanz und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anzuwenden, weshalb auch solche - voraussichtlich nicht tangierten - Rechtspositionen hinter dem Rang des Beweiserhebungsrechts zurücktreten müssten.

Zu dem gerichtlichen Verfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG vertreten die Antragsteller die Auffassung, die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Beweisantrages sei allein auf Grundlage der Begründung zu prüfen, die der Untersuchungsausschuss am 4. November 2020 gegeben habe, da diese Begründung gerade der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes diene; sonstige Verweigerungsgründe seien deshalb nicht zu prüfen.

Die Antragsteller beantragen, festzustellen, dass der 2. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages aufgrund des Beweisantrages der Antragsteller vom 29. Oktober 2020 (A-Drs. 19[29]156) verpflichtet ist, Beweis zu erheben durch Ersuchen an den Präsidenten des Deutschen Bundestages um Vorlage der auf den Servern des Deutschen Bundestages gespeicherten Protokolldateien (Logfiles) in digitaler Form, die die Nutzung folgender Accounts betreffen:

1. @bundestag.de @bundestag.de @bundestag.de und 2. als Absender oder Adressaten das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und/oder die dort Bediensteten 1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

aufweisen.

b) Der Antragsgegner beantragt, den Antrag der Abgeordneten Dr. J., C. und K. zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, die beantragte Beweiserhebung sei unzulässig und deshalb zu Recht abgelehnt worden; ihr stehe das Beweiserhebungsverbot aus Art. 44 Abs. 2 Satz 2 GG entgegen. Die Vorlage der auf den Servern des Deutschen Bundestages gespeicherten Protokolldateien (Logfiles) durch den Bundestagspräsidenten stelle einen Eingriff in das durch Art. 10 GG geschützte Fernmeldegeheimnis dar. Dieses umfasse auch die in den Protokolldateien gespeicherten Umstände der Kommunikation wie Absender, Empfänger und Zeitpunkte. Aus den Protokolldateien von E-Mails ließen sich Rückschlüsse über Art, Häufigkeit, Dauer und Teilnehmer von E-Mail-Verkehr ziehen; der Beweisantrag ziele gerade auf die Darstellung dieser Kommunikationsbeziehungen und ihre Intensität ab. Von Art. 10 GG geschützt seien nicht nur die Kommunikationsvorgänge als solche, sondern auch deren spätere, nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs erfolgte Ablage auf Datenträgern, wenn die E-Mails außerhalb des Herrschaftsbereichs des Kommunikationsteilnehmers gespeichert werden und dieser keine technische Möglichkeit hat, eine Weitergabe zu verhindern. Das Fernmeldegeheimnis schütze die Vertraulichkeit individueller Kommunikation als solche; auch bei der über eine dienstliche Telekommunikationseinrichtung geführten Korrespondenz seien die natürlichen Kommunikationsteilnehmer geschützt. Selbst Personen, die als Funktionsträger ausländischer juristischer Personen handelten, könnten eine Verletzung von Art. 10 Abs. 1 GG geltend machen.

Der Antragsgegner behauptet zudem, bei Erhebung der beantragten Beweise sei eine Begrenzung auf rein dienstliche Kommunikation nicht sicherzustellen. Hinzu komme, dass weder auf Seiten des Deutschen Bundestages noch auf Seiten der in dem Beweisantrag als mögliche Kommunikationsteilnehmer einzeln aufgeführten Dienststellen des BMVI die private Kommunikation über die dienstlichen E-Mail-Accounts untersagt sei. Auch wenn in dem verfahrensgegenständlichen Beweisantrag die Kommunikationsteilnehmer auf beiden Seiten abschließend aufgezählt sind, sei dadurch eine private Kommunikation dieser nicht ausgeschlossen. Aus den Protokolldateien ließen sich daher gegebenenfalls Rückschlüsse auf rein private Angelegenheiten ziehen.

Schließlich ist der Antragsgegner der Ansicht, das Fernmeldegeheimnis setze der Beweiserhebungsbefugnis des Untersuchungsausschusses eine absolute Schranke. Einem Untersuchungsausschuss ständen die Möglichkeiten des Strafprozesses, in die Grundrechte aus Art. 10 GG unmittelbar einzugreifen, nicht zur Verfügung. Auch der Mehrheit wäre es deshalb verwehrt gewesen, den von der Minderheit beantragten Beweis zu erheben.

II.

Das Feststellungsbegehren der Antragsteller hat Erfolg. Der Beweisantrag vom 29. Oktober 2020 durfte nicht abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund nach § 17 Abs. 2 PUAG liegt nicht vor. Der 2. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages ist daher zu der beantragten Beweiserhebung verpflichtet.

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 17 Abs. 4 PUAG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

a) Die Antragsteller sind antragsberechtigt; der Feststellungsantrag ist von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gestellt, die ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages repräsentieren (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 - 3 ARs 20/16, BGHSt 62, 60, 65 ff.).

b) Der Beweisantrag vom 29. Oktober 2020 erfüllt die formalen Anforderungen von § 17 Abs. 2 PUAG (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78 115 ff.; BGH [ER], Beschluss vom 20. Februar 2009 - 1 BGs 20/09, BeckRS 2009, 6265 Rn. 27 ff.). Sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema sind hinreichend konkret benannt. Der Beweisantrag dient einer Überprüfung der Vollständigkeit von Akten, die das BMVI aufgrund vorangegangener Beweiserhebung dem Untersuchungsausschuss vorzulegen hatte, und steht damit in Zusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag.

c) Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller ist gegeben. Die Antragsteller müssen sich vorliegend nicht auf die abgegebenen Vollständigkeitserklärungen verweisen lassen, weil nach Abgabe einer Vollständigkeitserklärung unter Hinweis auf ein „Büroversehen“ in nicht unerheblichem Umfang Unterlagen nachgereicht wurden und sie unter Bezugnahme auf den vom BMVI vorgelegten E-Mail-Verkehr mit einem Bundestags-Account von Bundesminister S. konkrete Anhaltspunkte vorgetragen haben, die Zweifel an der Vollständigkeit der Vorlage begründen können.

2. Der Feststellungsantrag ist begründet.

a) Die begehrte Feststellung einer Verpflichtung des Untersuchungsausschusses zur Vornahme der im Beweisantrag formulierten Beweiserhebung (vgl. zur Tenorierung BGH, Beschluss vom 6. Februar 2019 - 3 ARs 10/18, Rn. 33 ff.) erfolgt, wenn der Beweiserhebung keine - und damit auch keine anderen als die von der Mehrheit geltend gemachten - Gründe entgegenstehen. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs ist deshalb nicht auf die Überprüfung des konkreten Ablehnungsgrundes beschränkt, sondern hat umfassend zu prüfen, ob das Beweisbegehren zulässig im Sinne von § 17 Abs. 2 PUAG ist. Nur dann ist der Untersuchungsausschuss zu der begehrten Beweiserhebung verpflichtet. Wäre der Prüfungsumfang auf den konkret geltend gemachten Ablehnungsgrund beschränkt, müsste sich die Entscheidungsformel eines stattgebenden Beschlusses auf die Feststellung beschränken, dass der Beweisantrag nicht mit der gegebenen Begründung hätte abgelehnt werden dürfen. Dies wäre jedoch weder mit dem Wortlaut von § 17 Abs. 4 PUAG noch mit dem Rechtsschutzziel dieser Norm vereinbar. Die Prüfung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs ist allerdings insoweit beschränkt, als er nicht befugt ist, den Inhalt des Beweisantrags abzuändern, etwa in Bezug genommene E-Mail-Adressen auszutauschen. Verfahrensgegenstand ist der konkrete Beweisantrag, wie er gestellt und von der Ausschussmehrheit abgelehnt wurde.

b) Die begehrte Beweiserhebung ist nicht unzulässig.

aa) Eine Beweiserhebung ist unzulässig, wenn sie von dem Untersuchungsgegenstand nicht gedeckt ist oder gegen verfassungsrechtliche, gesetzliche oder geschäftsordnungsmäßige Vorschriften verstößt; darüber hinaus kann ein Beweisantrag abgelehnt werden, wenn das Antragsrecht missbräuchlich ausgeübt wird (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78, 118 ff.; BGH, Beschluss vom 6. Februar 2019 - 3 ARs 10/18, Rn. 19).

bb) Der Beweiserhebung steht Art. 44 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 10 GG nicht entgegen.

(1) Gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 2 GG bleibt das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis unberührt. Diese Bestimmung enthält eine besondere grundrechtsbezogene Beschränkung des Untersuchungsrechts, die einem Untersuchungsausschuss die Möglichkeit eines unmittelbaren Eingriffs in die Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG, insbesondere nach den §§ 99 ff. StPO, verwehrt. Ein Untersuchungsausschuss kann danach beispielsweise keine Postsendungen beschlagnahmen oder Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen gemäß §§ 100a ff. StPO vornehmen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78, 126 f.). Allerdings ist dem Ausschuss damit nicht jeglicher Zugriff auch auf Akten prinzipiell schon deshalb versagt, weil sich in den Akten Ergebnisse vorausgegangener Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG finden und die Kenntnisnahme seitens des Untersuchungsausschusses einen neuen Eingriff darstellen würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78, 127; Glauben in Bonner Kommentar, 160. Aktualisierung März 2013, Art. 44 Rn. 96; Groh in v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 44 Rn. 74; v. Achenbach in Waldhoff/Gärditz, PUAG-Kommentar, 1. Aufl. 2015, Vorbemerkung E Rn. 20; a.A. wohl Brocker in Glauben/Brocker, Handbuch mit Kommentierung zum PUAG, 3. Aufl. 2016, S. 240 f.; ders., BeckOK GG, Art. 44 Rn. 62.1).

Bei den Freiheitsrechten des Art. 10 Abs. 1 GG handelt es sich um klassische Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat, die die Vertraulichkeit privater Kommunikation gegen Beschränkungen und sonstige Eingriffe der öffentlichen Gewalt schützen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 805/98, BVerfGE 106, 28, 35 ff.; BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33, 52 f.; M. Martini in v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 10 Rn. 23, 86). Die Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG gewährleisten die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch einen privaten, vor der Öffentlichkeit verborgenen Austausch von Kommunikation (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1984 - 1 BvR 1494/78, BVerfGE 67, 157, 171; BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33, 53; BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, BVerfGE 106, 28, 35 f.). Art. 10 Abs. 1 GG gehört damit zu den Grundrechten, die die Privatsphäre schützen; der Grundrechtsschutz bezieht sich auf Bürgerverhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 1992 - 1 BvR 1430/88, BVerfGE 85, 386, 395 f., 397).

Die Grundrechte beanspruchen zwar grundsätzlich auch im Beamtenverhältnis sowie für politische Amtsträgerinnen und Amtsträger Geltung. Dabei ist jedoch zwischen Amtsausübung und persönlicher Rechtsstellung zu differenzieren. Die Amtsführung ist keine Grundrechtsausübung. Soweit Beamtinnen und Beamte oder politische Amtsträgerinnen und Amtsträger ausschließlich als Amtswalter berührt sind, liegt ein Grundrechtseingriff nicht vor (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. Oktober 2006 - 2 BvE 1-4/06, BVerfGE 118, 277, 379 [nicht tragend]; Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juli 2020- VerfGH 6/20, juris Rn. 173; Depenheuer, Das öffentliche Amt, HdbStR III, 3. Aufl. 2005, § 36 Rn. 60 f.; BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 1989 - 6 P 1/88, NVwZ 1990, 71, 73). Die Pflicht zur Offenbarung von Amtshandlungen oder Zuständen innerhalb der öffentlichen Verwaltung im Rahmen einer parlamentarischen Untersuchung ist deshalb nicht schon aus sich heraus ein Grundrechtseingriff gegenüber den beteiligten Amtsträgerinnen und Amtsträgern (Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juli 2020 - VerfGH 6/20, juris Rn. 173).

Ein Eingriff in die Grundrechte von Amtsträgerinnen und Amtsträgern liegt nur dann vor, wenn die Maßnahmen (auch) deren persönliche Rechtsstellung berühren, etwa weil Amtshandlung und persönliche Umstände untrennbar miteinander verbunden sind (vgl. Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juli 2020 - VerfGH 6/20, juris Rn. 173).

(2) Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Der Beweisantrag bezieht sich allein auf Amtsgeschäfte. Er zielt ab auf Kommunikation des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur, der in dieser Funktion gemäß § 1 BMinG in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht, mit Bediensteten seines Ministeriums über deren dienstliche E-Mail-Accounts zu der in die Zuständigkeit des Ministeriums fallenden Infrastrukturabgabe. In Rede steht daher ausschließlich Kommunikation unter Amtsträgern. Dass von der Beweiserhebung auch private Kommunikation der Ministeriumsmitarbeiter mit ihrem Minister erfasst sein könnte, ist zwar denkmöglich; konkretes hierzu ist allerdings weder vorgetragen noch naheliegend. Denn jedem Bediensteten im öffentlichen Dienst wird generell eine strikte Unterscheidung zwischen Dienstgeschäften und Privatsphäre abverlangt. Im Zeitalter von Smartphone und Daten-Flatrate hat jeder Amtsträger die Möglichkeit, dienstliche und private Kommunikation ohne weiteres zu trennen und private Belange ausschließlich über eigene Kommunikationsmittel zu verfolgen.

Wird diese Trennung nicht eingehalten, müssen Amtsträger mit der Anwendung des dienstlichen Pflichtenregimes auch auf die private Kommunikation rechnen, die sie über dienstliche Telekommunikationsmittel führen. Jedenfalls im Hinblick auf die Speicherung und Auswertung ihrer Verbindungsdaten können sie sich nicht auf den Grundrechtsschutz aus Art. 10 Abs. 1 GG berufen. Vielmehr unterwerfen sie sich insoweit den für den dienstlichen Verkehr geltenden Regeln. Die unterschiedslose Nutzung erweist sich insoweit als Zustimmung in die Datenerhebung und -auswertung (vgl. Löwer in v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 10 Rn. 27), die tatbestandsausschließend wirkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 1992 - 1 BvR 1430/88, BVerfGE 85, 386, 398; BVerfG, Urteil vom 12. März 2003 - 1 BvR 330/96, 348/99, BVerfGE 107, 299, 313; Maunz/ Dürig/Durner, GG, 92. EL August 2020, Art. 10 Rn. 162 f.; M. Martini in v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 10 Rn. 110). Anderenfalls hätten es Amtsträger in der Hand, das auf den dienstlichen Inhalt bezogene Pflichtenregime in eigener Entscheidung abzulegen (ebenso bereits Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein--Westfalen, Urteil vom 14. Juli 2020 - VerfGH 6/20, juris Rn. 138), indem sie private Kommunikation in Dienstgeschäfte einflechten. Hierdurch wäre es ihnen möglich, den Zugriff des Dienstherrn oder eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses auf die dienstliche Kommunikation zumindest erheblich zu erschweren. Die Erhebung und Auswertung von Verbindungsdaten der Kommunikation unter Amtsträgern über dienstliche E-Mail-Adressen wird demnach nicht schon deshalb zu einem Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG, weil die theoretische Möglichkeit einer (auch) privaten Mitnutzung dieses Accounts besteht.

Der pauschale Hinweis des Antragsgegners, weder der Deutsche Bundestag noch das BMVI hätten private Kommunikation über die dienstlichen E-Mail-Postfächer untersagt, führt zu keiner anderen Bewertung. Eine ausdrückliche Erlaubnis ist nicht vorgetragen. Die dargestellte notwendige Trennung zwischen Amtsstellung und Privatheit bringt es mit sich, dass die private Nutzung dienstlicher Kommunikationsmittel grundsätzlich untersagt ist, sofern sie nicht ausdrücklich gestattet wird. Dies folgt bereits aus den allgemeinen Dienstpflichten des Amtsträgers. In den Bundesministerien gilt offenkundig nichts anderes (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage Drucksache 19/22769, BT-Drs. 19/23635, S. 6; siehe auch Richtlinie Telekommunikation Bund - RL-Tk Bund -, dort Ziffer 3.5 und Anlage 4 Anhang 1). Wird eine Nutzung dienstlicher Kommunikationsmittel im Ausnahmefall gleichwohl auch für private Zwecke erlaubt, erfolgt dies typischerweise - aus den dargestellten Gründen auch notwendigerweise - verbunden mit dem Erfordernis einer Einwilligung in die Speicherung und Verwendung der Verbindungsdaten, die für diese private (Mit-)Nutzung die Geltung von Art. 10 GG einschränkt (vgl. etwa § 3 Abs. 4 der Dienstvereinbarung über die Nutzung elektronischer Medien am Arbeitsplatz, ADBTV Anlage 23, zwischen der Verwaltung des Deutschen Bundestages und dem Personalrat bei der Verwaltung des Deutschen Bundestages).

Dass es sich bei den Kommunikationspartnern der im Beweisantrag bezeichneten Ministeriumsangehörigen um Bundestags-Accounts ihres Ministers und von Mitarbeitern seines Abgeordnetenbüros handelt, vermag am fehlenden Grundrechtsschutz für die hier betroffenen Verbindungsdaten ebenfalls nichts zu ändern. Zwar sind Abgeordnetenstatus und persönliche Rechtsstellung regelmäßig nicht ebenso eindeutig voneinander abzugrenzen wie bei Ministeriumsbediensteten (vgl. dazu etwa BVerfG, Urteil vom 11. Oktober 2006 - 2 BvE 1-4/06, BVerfGE 118, 277, 379 [nicht tragend]; BeckOK GG/Butzer, 45. Ed. 15. November 2020, Art. 38 GG, Rn. 117). Anders ist dies allerdings bei einem Zusammentreffen von Abgeordnetenmandat und Ministeramt. Lässt ein Bundesminister zu, dass Bedienstete des Ministeriums ihn unter seinen vom Deutschen Bundestag bereitgestellten E-Mail-Adressen zu Amtsgeschäften kontaktieren und antwortet er hierauf inhaltlich von demselben E-Mail-Account aus, öffnet er diesen Kommunikationsweg eigenverantwortlich für Dienstgeschäfte als Minister und begibt sich im Umfang der Kommunikation mit dem Ministerium des grundrechtlichen Schutzes. Insoweit kann nichts anderes gelten als bei Beamten, so dass für die über einen Abgeordneten-Account geführte Kommunikation mit den Ministeriumsbediensteten das Regelungsregime für ministeriale Dienstgeschäfte gilt und der Grundrechtsschutz jedenfalls für die betroffenen Verbindungsdaten insofern entfällt, als diese Kommunikation herausgefiltert wird. So lag es hier. Der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur verfügt über ein eigenes E-Mail-Postfach im Ministerium (vgl. Anlagenkonvolut AG 4 zur Antragserwiderung vom 8. Januar 2021 und Anlage 6 zur Antragsschrift vom 7. Dezember 2020), über das er ohne weiteres und ausschließlich seine amtsbezogene Kommunikation hätte führen können. Indem sich der Beweisantrag auf Kommunikation der Bundestags-Accounts ausschließlich mit Ministeriums-Postfächern beschränkt, bleibt er im Rahmen des vom Bundesminister eröffneten weiteren Kommunikationsweges für Dienstgeschäfte und scheidet damit mandatsbezogenen E-Mail-Verkehr hinreichend aus.

Für die Accounts der Mitarbeiter des Abgeordnetenbüros kann insoweit nichts anderes gelten. Konkrete Umstände, die eine separate Betrachtung notwendig machen könnten, sind nicht vorgetragen. Funktionsbezogen kann der Schutz dieser Postfächer nicht weiter gehen als der des Abgeordneten selbst. Auf die eigene Rechtsstellung der Mitarbeiter gelangen entweder die vorstehend zitierte Dienstvereinbarung oder die dargestellten allgemeinen Grundsätze zur Anwendung.

(3) Selbst wenn unterstellt wird, die Verbindungsdaten der von dem Beweisantrag umfassten E-Mail-Konten sind durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützt, führt dies nicht zur Unzulässigkeit der Beweiserhebung. Denn Art. 44 Abs. 2 Satz 2 GG untersagt - wie bereits ausgeführt - lediglich unmittelbare Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis.

(a) Der Beweisantrag bezieht sich auf die Vorlage der auf den Servern des Deutschen Bundestages „gespeicherten“ Protokolldateien, also auf bereits erhobene und noch vorhandene Verbindungsdaten. Ginge man davon aus, auch die Verbindungsdaten einer dienstlichen Kommunikation unter Amtsträgern seien von Art. 10 GG geschützt, läge vorliegend der unmittelbare Eingriff in das Fernmeldegeheimnis bereits in der Erhebung und Speicherung der Protokolldateien durch den Deutschen Bundestag. Die Vorlage der Daten gegenüber dem Untersuchungsausschuss würde zwar den Kreis der von diesen Daten Kenntnis Nehmenden vergrößern und damit die Eingriffswirkung vertiefen, also selbst einen (weiteren) Eingriff darstellen. Eine solche „Zweitverwertung“ von bereits erhobenen Daten ist dem Untersuchungsausschluss jedoch nicht durch Art. 44 Abs. 2 Satz 2 GG verwehrt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78, 127, 146; Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juli 2020 - VerfGH 6/20, juris Rn. 181), wenn sie verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

(b) Dies ist hier der Fall.

Die begehrte Beweiserhebung dient einer Überprüfung der Vollständigkeit der in Erfüllung von Beweisbeschlüssen vorgelegten Akten und Unterlagen, an der vorliegend ein rechtlich schutzwürdiges Interesse der Antragsteller besteht. Zur Erreichung dieses Ziels ist die beantragte Beweiserhebung geeignet. Die Protokolldateien können die Aufklärung zumindest fördern. Gäbe es weiteren E-Mail-Verkehr, wäre damit unter Zugrundelegung des Vortrags zum Aussagegehalt der Logfiles zwar nicht belegt, dass sich die weiteren E-Mails überhaupt auf den Untersuchungsgegenstand beziehen, weil sich aus Kommunikationsteilnehmern und Zeitpunkt des E-Mail-Verkehrs für sich gesehen kein Zusammenhang zur Infrastrukturabgabe ergibt und in Anbetracht der Vielzahl in einem Ministerium anfallender Vorgänge nicht auszuschließen ist, dass der in Rede stehende Kommunikationsweg auch für andere dienstliche Themen genutzt wurde. Der bloßen Existenz weiterer E-Mails kann deshalb kein dahingehender Beweiswert zukommen, die vom BMVI vorgelegten Akten seien insofern unvollständig. Umgekehrt stände jedoch die Vollständigkeit der Vorlage dieser Kommunikation fest, wenn kein über die bereits vorgelegten E-Mails hinausgehender Verkehr zwischen den antragsgegenständlichen Postfächern festgestellt wird.

Die Beweiserhebung ist zur weiteren Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes erforderlich. Eine vergleichbar geeignete mildere Möglichkeit zur Kontrolle der Vollständigkeit vorgelegter Akten in Bezug auf die von den Antragstellern geltend gemachten Anhaltspunkte ergibt sich aus dem Sachvortrag der Beteiligten nicht.

Die Beweiserhebung erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig. Das in Art. 44 GG gewährleistete Untersuchungsrecht gehört zu den ältesten und wichtigsten Rechten des Parlaments, das die Möglichkeit zu der Sachverhaltsaufklärung schafft, die das Parlament zur Wahrung seiner Kontrollfunktion gegenüber der ihm verantwortlichen Regierung benötigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78, 114; BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101, 133 Rn. 107 f.). Das Recht auf Aktenvorlage gehört zum Kern des Untersuchungsrechts. Der Untersuchungsausschuss muss sich nicht mit Aktenauskünften zufrieden geben oder sein Verlangen auf bestimmte Aktenteile beschränken, sondern soll sich anhand der vollständigen Akten selbst ein Bild vom Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit machen können (BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78, 117; BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15, BVerfGE 143, 101, 134 Rn. 110). Demgegenüber ist die Eingriffstiefe einer Vorlage der Protokolldateien gering; Inhaltsdaten sind nach dem Vortrag der Beteiligten nicht umfasst. Die Verbindungsdaten sind bereits gespeichert, lediglich die Zahl der Kenntnisnehmenden wird durch den Erhebungsakt erweitert. Da die Bundesregierung vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Grenzen verpflichtet ist, einem Ersuchen auf Aktenvorlage nachzukommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78, 116 f.), mussten der Bundesminister sowie die Bediensteten des BMVI von vornherein damit rechnen, dass ihre dienstlichen E-Mail-Accounts für im Zusammenhang mit der Dienstausübung stehende Zwecke überprüft werden und die Daten dienstlicher E-Mail-Postfächer auch Eingang in einen Untersuchungsausschuss finden können; sei es auch nur, um die relevante dienstliche Kommunikation herauszufiltern. Sie hatten es selbst in der Hand, für eine etwaige private Kommunikation untereinander auch private Kommunikationswege zu nutzen. Dass vorliegend über Abgeordneten-Accounts des Bundesministers geführte Kommunikation in Rede steht, ändert aus den bereits dargestellten Gründen nichts an dieser Bewertung; der Beweisantrag beschränkt sich auf Verbindungsdaten der Kommunikation mit E-Mail-Accounts des BMVI.

cc) Die Freiheit des Mandats (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) steht der beantragten Beweiserhebung ebenfalls nicht entgegen.

Das Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ist vom Untersuchungsausschuss zwar zu achten (Morlok in Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl. 2015, Art. 44 Rn. 64; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 44 Rn. 6; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1996 - 2 BvE 1/95, BVerfGE 94, 351, 368). Der mit der Beweiserhebung durch Vorlage der Verbindungsdaten von Bundestags-Accounts verbundene Eingriff in das freie Mandat ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Insoweit gilt letztlich nichts anderes als vorstehend zu Art. 10 Abs. 1 GG ausgeführt wurde. Maßgeblich ist auch hier, dass der Abgeordnete seinen Bundestags-Account für E-Mail-Verkehr mit Ministeriumsangehörigen zu Dienstgeschäften, die seine Amtsstellung als Bundesminister betreffen, geöffnet hat und die Beweiserhebung sich auf diese Kommunikation beschränkt.

dd) Die beantragte Beweiserhebung ist nicht ungeeignet zur Erreichung des Beweisziels.

(1) Da nach dem Vortrag der Beteiligten (vgl. S. 5, 7 der Antragsschrift vom 7. Dezember 2020; S. 5 der Antragserwiderung vom 8. Januar 2021) die Protokolldateien ausschließlich Kommunikationspartner und Zeitpunkte enthalten, kann aus den begehrten Daten für sich allein nicht auf eine Unvollständigkeit der vom BMVI vorgelegten Unterlagen geschlossen werden, wenn die Protokolldateien weitere E-Mails ausweisen sollten, die in den Unterlagen nicht enthalten sind. Denn - möglicherweise vorhandene - weitere E-Mails könnten sich, wie bereits ausgeführt wurde, auf gänzlich andere Themen als die Infrastrukturabgabe beziehen. In Anbetracht der Vielzahl in einem Ministerium anfallender Vorgänge, die dem Minister zur Kenntnis zu bringen und ggf. von ihm zu entscheiden sind, ist bei lebensnaher Betrachtung nicht unwahrscheinlich, dass der Bundesminister seinen Abgeordneten-Account gegenüber Ministeriumsbediensteten nicht nur für Fragen in Zusammenhang mit der Infrastrukturabgabe öffnete, sondern auf diesem Weg auch zu anderen Themen des Ministeriums mit den Bediensteten kommunizierte. Dies wiederum macht es wahrscheinlich, dass die Protokolldateien auch dienstlichen E-Mail-Verkehr enthalten, der sich nicht auf den Untersuchungsgegenstand bezieht. In diesem Fall wären die Protokolldateien für sich gesehen ohne Aussagekraft für das Beweisziel, da relevante Mails nicht ohne weiteres von irrelevanten unterschieden werden können. Daraus folgt jedoch nicht die Ungeeignetheit des Beweismittels (vgl. zur Anwendbarkeit dieses Ablehnungsgrundes und funktionsadäquaten Modifizierung des Prüfungsmaßstabs Gärditz in Waldhoff/Gärditz, PUAG-Kommentar, 1. Aufl. 2015, § 17 Rn. 18; vgl. zum strafprozessualen Maßstab etwa BGH, Beschluss vom 15. September 1994 - 1 StR 424/94, NStZ 1995, 45; BGH, Beschluss vom 6. März 2008 - 5 StR 617/07, NStZ 2008, 351). Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass - ggf. nach weiteren Beweiserhebungen - auch bei Vorhandensein weiteren E-Mail-Verkehrs zwischen den erfassten Accounts das Beweisziel erreicht werden kann. Die konkrete Beweiswürdigung und eine etwaige Erhebung weiterer Beweise bleiben ohnehin dem Untersuchungsausschuss vorbehalten.

(2) Dass nach dem Vortrag des Antragsgegners „derzeit“ nicht alle der im Beweisantrag bezeichneten E-Mail-Accounts, dafür aber teilweise andere E-Mail-Adressen vergeben sind, führt nicht zu einer teilweisen Ungeeignetheit der beantragten Beweiserhebung. Der Beweisantrag ist zeitlich nicht auf die Gegenwart beschränkt. Es ist nicht auszuschließen, dass die betreffenden E-Mail-Adressen in der Vergangenheit vergeben waren.

ee) Schließlich ist der Beweisantrag nicht missbräuchlich (vgl. zum Maßstab BVerfG, Urteil vom 8. April 2002 - 2 BvE 2/01, BVerfGE 105, 197, 225); die Antragsteller haben aus den dargestellten Gründen ein berechtigtes Interesse an einer Überprüfung der Vollständigkeit der vom BMVI vorgelegten Unterlagen.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 271

Bearbeiter: Christoph Henckel