HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 782
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 146/21, Beschluss v. 18.05.2021, HRRS 2021 Nr. 782
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 25. Januar 2021 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Weiter wurde gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 46.110 Euro gesamtschuldnerisch angeordnet. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Schuldspruch, die Einziehungsanordnung sowie die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sind frei von Rechtsfehlern. Der Strafausspruch kann aber keinen Bestand haben, da das Landgericht die Voraussetzungen des fakultativen Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe (§ 46b StGB) rechtsfehlerhaft geprüft hat.
Das Landgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des fakultativen Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe gemäß § 46b StGB ohne revisionsrechtlich nachvollziehbare Begründung verneint (UA S. 14) und deshalb nicht erwogen, entweder unter Verbrauch jenes Strafmilderungsgrundes einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB zu bejahen oder den zur Anwendung gebrachten Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB über § 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Insoweit führt der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 22. April 2021 zur Begründung näher aus:
„a) Der fakultative Strafmilderungsgrund der Aufklärungshilfe gemäß § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB kommt in Betracht, wenn der Täter durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Straftat nach § 100a Abs. 2 StPO, die mit seiner mit im Mindestmaß erhöhter Freiheitsstrafe bedrohten Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, wobei sich sein Aufklärungsbeitrag in Fällen, in denen er - wie hier - an der Tat beteiligt war, über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken muss (§ 46b Abs. 1 Satz 3 StGB). Einem Aufklärungserfolg im Sinne dieser Vorschrift kann auch dann noch wesentliches Gewicht für die Aufklärung der Tat eines anderen Beteiligten zukommen, wenn hierdurch wichtige Tatsachen oder Beweise offenbart werden oder den bereits vorhandenen Erkenntnissen eine sicherere Grundlage verschafft wird (vgl. Senat, Beschluss vom 27. August 2019 - 1 StR 586/18 -, juris Rn. 9; BGH, Beschlüsse [richtigerweise: Urteil] vom 23. Januar 2019 - 5 StR 479/18 -, juris Rn. 28; [Beschluss] vom 3. Februar 2021 - 4 StR 305/20 -, juris Rn. 6).
b) Nach den getroffenen Feststellungen ist die Anwendbarkeit des § 46b Abs. 1 [Satz 1] Nr. 1 StGB weder zwingend ausgeschlossen noch versteht sich das vom Landgericht ohne nähere Begründung verneinte Vorliegen seiner Voraussetzungen aus sich heraus.
Der Angeklagte hatte als „interner Kronzeuge“ (vgl. Schäfer/ Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Auflage, Rn. 1047 mwN; Senat, Beschluss vom 23. April 2013 - 1 StR 131/13 -, juris Rn. 6) bereits im Ermittlungsverfahren (§ 46b Abs. 3 StGB) freiwillig Angaben zu dem gesondert verfolgten R. als Mittäter des schweren Raubes gemacht (§ 46[b] Abs. 1 Satz 3 StGB). Letzterer stellt eine Katalogtat im Sinne des § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. k) StPO dar und ist für den Angeklagten mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter drei Jahren bedroht.
Es erscheint überdies nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte durch diese Angaben einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Tat des R. als Mittäter geleistet hat. Die Formulierung des Landgerichts, jene Angaben trugen zur weiteren Erhärtung des bestehenden dringenden Tatverdachts bei (UA S. 8), ließe die Bewertung zu, der Angeklagte habe den vorhandenen Erkenntnissen eine sicherere Grundlage für die Aburteilung des R. verschafft … . Verlässlich kann dies anhand der Urteilsgründe indes nicht beurteilt werden, weil insgesamt Angaben dazu fehlen, auf welcher Grundlage der dringende Tatverdacht gegen R. im Zeitpunkt der Angaben des Angeklagten bereits begründet war. Waren diese schon erdrückend, könnte den Angaben des Angeklagten eine entscheidende, grundlegende oder tragende Bedeutung abzusprechen sein.
Im Ergebnis kann den Urteilsgründen daher auch in ihrem Gesamtzusammenhang nicht entnommen werden, auf welche tatsächliche Grundlage sich das Landgericht bei seiner Verneinung der Voraussetzungen des § 46b StGB gestützt hat. Die revisionsgerichtliche Überprüfung jener Entscheidung ist daher nicht möglich.
c) Der vorgenannte Mangel nötigt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Es wird weder ausgeschlossen werden können, dass angesichts der weiteren vom Landgericht in die gebotene Gesamtabwägung des minderschweren Falls zugunsten des Angeklagten eingestellten Aspekte dieses bei Annahme des vertypten Milderungsgrundes aus § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB die Strafe dem Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen hätte, noch, dass es den Strafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB gemäß § 46b Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hätte und so zu einer geringeren als der jetzt verhängten Strafe gelangt wäre.
Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es hingegen nicht, weil diese von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).“
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 782
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede