HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 663
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 514/20, Beschluss v. 21.04.2021, HRRS 2021 Nr. 663
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 20. August 2020 aufgehoben
a) im Fall C.III.1.b) bb) der Urteilsgründe (Hinterziehung von Umsatzsteuern im Jahr 2014 - Tat 3);
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Einziehung des Wertes von Taterträgen, soweit diese den Betrag von 1.371.601,22 € übersteigt.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe eines Betrags von 1.882.392 € angeordnet.
Die hiergegen mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch wegen vollendeter Steuerhinterziehung hält im Fall C.III.1.b) bb) der Urteilsgründe (Umsatzsteuerhinterziehung im Jahr 2014 - Tat 3) revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil er insoweit nicht von ausreichenden Feststellungen getragen ist. Im Übrigen liegen keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten vor.
a) Bei Straftaten der Steuerhinterziehung setzt die Vollendung der Tat voraus, dass der Täter durch seine Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat (§ 370 Abs. 1 und 4 AO). Liegt die Tat - wie hier - in der Hinterziehung von Umsatzsteuern durch Abgabe einer inhaltlich unzutreffenden Steueranmeldung (§ 150 Abs. 1 Satz 3 AO i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 18 Abs. 3 UStG, § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO), hängt die Tatvollendung davon ab, ob die unrichtige Steueranmeldung eine Zahllast oder eine Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer beziehungsweise eine Steuervergütung zum Inhalt hat. Führt nämlich die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so steht diese gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erst dann gleich, wenn die Finanzbehörde zugestimmt hat (§ 168 Satz 2 AO). In diesem Falle bedarf es mithin der Feststellung, ob das Finanzamt seine Zustimmung zur Steueranmeldung erteilt hat. Fehlt es daran, leidet das Urteil an einem Darstellungsmangel (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2020 - 1 StR 148/20 Rn. 6 mwN).
b) So liegt es im Fall C.III.1.b) bb) der Urteilsgründe (Tat 3; Umsatzsteuer 2014). Da offen bleibt, ob das Finanzamt dem in der fristgerecht eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung errechneten Erstattungsanspruch zugestimmt hat (UA S. 27), ist eine Beurteilung, ob - wie das Landgericht angenommen hat - auch in diesem Falle Tatvollendung eingetreten ist, nicht möglich.
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall C.III.1.b) bb) der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafe und der Gesamtstrafe nach sich. Die übrigen Einzelstrafen haben dagegen Bestand. Insbesondere ist der Schuldumfang hinsichtlich der einzelnen Taten rechtsfehlerfrei festgestellt. Das Landgericht hat die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG steuermindernd wirkenden Vorsteuerbeträge im Ergebnis zutreffend bei der Berechnung der Verkürzungsbeträge in Abzug gebracht.
Da die getroffenen Feststellungen lediglich unvollständig sind und mit Blick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 168 Satz 2 AO im Fall C.III.1.b) bb) der Urteilsgründe der Ergänzung durch das neue Tatgericht bedürfen, haben sie nach § 353 Abs. 2 StPO Bestand.
3. Aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs im Fall C.III.1.b) bb) der Urteilsgründe (Umsatzsteuer 2014 - Tat 3) ist auch die hierauf gestützte Einziehung des Wertes von Taterträgen, nämlich der in diesem Fall in Rede stehenden Steuerersparnis in Höhe von 510.790,78 €, aufzuheben. Die weitergehende Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen erweist sich dagegen als rechtsfehlerfrei, weil dem Angeklagten durch die abgeurteilten Taten ein entsprechender wirtschaftlich messbarer und daher nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB abzuschöpfender Steuervorteil entstanden ist. Dem Angeklagten, der als faktischer Geschäftsführer des Bordellbetriebs V. selbst Steuerschuldner war (vgl. hierzu st. Rspr.; BGH, Urteil vom 10. März 2021 - 1 StR 272/20 Rn. 28 mwN), hat durch die jeweiligen Taten der Steuerhinterziehung Steuervorteile in Höhe der vom Landgericht festgestellten Verkürzungsbeträge erlangt, weil sich diese wegen der aus § 34 Abs. 1 AO resultierenden Pflicht des Angeklagten zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Unternehmens - auch der Begleichung von Umsatzsteuerschulden - in seinem Vermögen wirtschaftlich niedergeschlagen haben (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 10. März 2021 - 1 StR 272/20 Rn. 28; Beschlüsse vom 6. August 2020 - 1 StR 198/20 Rn. 18 und vom 15. Januar 2020 - 1 StR 529/19, BGHR StGB § 73 Erlangtes 33 Rn. 11-13; jeweils mwN).
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 663
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede