HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 260
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 379/20, Beschluss v. 12.11.2020, HRRS 2021 Nr. 260
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 22. Juni 2020 im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls und wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Zudem hat es eine Entscheidung über die Anrechnung von Auslieferungshaft sowie über die Einziehung des Wertes von Taterträgen getroffen.
Die auf die Beanstandung der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hält rechtlicher Prüfung nicht stand, weil das Urteil keine Begründung für die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe enthält.
Bei der Bildung der Gesamtstrafe handelt es sich um einen eigenständigen Strafzumessungsvorgang, der gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz StPO gesondert zu begründen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 - 4 StR 564/14 Rn. 6). Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Einzelstrafe gebildet. § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB sieht vor, dass hierbei die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt werden müssen. Daran fehlt es hier, weil das Landgericht gänzlich versäumt hat, Erwägungen zur Bestimmung der Gesamtfreiheitsstrafe anzustellen.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat hinsichtlich eines Nachteilsausgleichs im Hinblick auf eine - nach deutschem Recht - an sich gegebene Gesamtstrafenfähigkeit mit der in der Schweiz erfolgten Verurteilung vom 5. Juli 2019 auf Folgendes hin:
Das neue Tatgericht wird bei der Bemessung der Gesamtstrafe angesichts der gegen den Angeklagten in der Schweiz verhängten Freiheitsstrafe von 30 Monaten, wovon 15 Monate als bedingt vollziehbar erklärt wurden, auch das Gesamtstrafübel in den Blick zu nehmen haben. Hätte es sich bei dieser Verurteilung um eine inländische Verurteilung gehandelt, wäre eine Einbeziehung der Strafe nach § 55 StGB möglich gewesen. Dass dies bei einer ausländischen Verurteilung nicht in Betracht kommt, hindert die Berücksichtigung eines Gesamtstrafübels als allgemeinen strafzumessungsrelevanten Aspekt nicht (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2017 - 1 StR 670/16 Rn. 5). Dem daraus entstehenden Nachteil ist durch einen Härteausgleich zu begegnen, der bei früheren Verurteilungen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als bezifferter Nachteilsausgleich durchzuführen (vgl. hierzu: BGH, Beschlüsse vom 23. April 2020 - 1 StR 15/20 Rn. 18 ff., BGHSt 65, 5 und vom 4. August 2020 - 1 StR 252/20 Rn. 4 f.) und bei Verurteilungen durch Drittstaaten als Faktor in der Strafzumessung zu berücksichtigen ist.
Der Aufhebung von Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) bedarf es nicht. Das neue Tatgericht kann mit Blick auf das zu bewertende Gesamtstrafübel ergänzende Feststellungen zu dem Vollstreckungsstand der in der Schweiz erfolgten Verurteilung vom 5. Juli 2019 treffen, die nicht mit den bisherigen Feststellungen in Widerspruch stehen dürfen.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 260
Bearbeiter: Christoph Henckel