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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 17

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 351/20, Beschluss v. 28.10.2020, HRRS 2021 Nr. 17


BGH 1 StR 351/20 - Beschluss vom 28. Oktober 2020 (LG Traunstein)

Gesamtstrafenbildung (Benennung der Einzelstrafen im Urteil).

§ 54 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 23. Juni 2020, soweit es ihn betrifft,

a) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben;

b) im Ausspruch über die Einziehung dahingehend ergänzt, dass der Angeklagte für die gegen ihn in Höhe von 64.519 Euro angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 57.619 Euro als Gesamtschuldner und darüber hinaus selbständig haftet.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Computerbetruges in 1.231 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 64.519 Euro angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte in 1.231 Fällen im Internet elektronische Tickets der D. und des M. und nutzte dabei „gephishte“ Kreditkartendaten, die er zuvor im Darknet erworben hatte.

2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, weil den Urteilsgründen nicht durchgängig zu entnehmen ist, welche Einzelstrafen das Landgericht für die einzelnen Taten verhängt hat. Dies führt zur Aufhebung aller Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.

a) Das Landgericht hat gegen den Angeklagten 804 Einzelstrafen von je drei Monaten Freiheitsstrafe und 427 Einzelstrafen von je sieben Monaten Freiheitsstrafe verhängt.

Eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten brachte es in 180 Fällen, in denen der Angeklagte die erlangten Tickets nicht ausschließbar unentgeltlich an Freunde abgab, und in weiteren 624 Fällen, in denen der Einzelschaden 25 Euro nicht überstieg, in Ansatz. Dabei hat das Landgericht in den 180 Fällen einen besonders schweren Fall gemäß § 263a Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB abgelehnt, da bei einer unentgeltlichen Weitergabe ein gewerbsmäßiges Handeln nicht gegeben sei. In den weiteren 624 Fällen hat es den Regelstrafrahmen nach § 263a Abs. 2, § 263 Abs. 4, § 248a StGB im Hinblick auf die geringen Schadenssummen zugrunde gelegt. Eine Einzelfreiheitsstrafe von jeweils sieben Monaten hat das Landgericht in 427 Fällen zugemessen, in denen es einen besonders schweren Fall nach § 263a Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB auf der Grundlage gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten bejaht hat.

Eine konkrete Benennung, für welche Tat welche Einzelstrafe verhängt wurde, nahm das Landgericht ebenso wenig vor wie eine Kennzeichnung, in welchen Fällen der Angeklagte die Tickets unentgeltlich an Freunde abgab.

b) Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, lässt sich in den Fällen, in denen der Schaden 25 Euro übersteigt, jeweils nicht nachvollziehen, welche Einzelstrafe das Landgericht verhängt hat. Insoweit kommt sowohl eine Verhängung von drei als auch von sieben Monaten Freiheitsstrafe in Betracht, da sich nicht die Fälle bestimmen lassen, in denen der Annahme gewerbsmäßigen Handelns die unentgeltliche Weitergabe an Dritte entgegensteht. Damit ist auch in keinem Einzelfall für das Revisionsgericht nachprüfbar, ob die - vom Landgericht in 427 nicht näher bezeichneten Fällen bejahten - Voraussetzungen eines besonders schweren Falls nach § 263a Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB gegeben sind.

c) Auch wenn eine Zuordnung der verhängten Einzelstrafen von drei Monaten Freiheitsstrafe zu den Fällen möglich ist, in denen der Schaden 25 Euro nicht übersteigt, hebt der Senat den Strafausspruch insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter eine neue und in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls von Bedeutung, dass auch in diesen 804 Fällen nicht deutlich wird, in welchen Fällen der Angeklagte die elektronischen Tickets unentgeltlich weitergegeben hat.

3. Die Einziehungsentscheidung ist - aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts - entsprechend § 354 Abs. 1 StPO dahingehend zu ergänzen, dass der Angeklagte in Höhe eines Betrages von 57.619 Euro als Gesamtschuldner haftet.

4. Eine Erstreckung der Abänderung der Einziehungsentscheidung gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten N. scheidet - entgegen der Anregung des Generalbundeanwalts - vorliegend aus; zwar ist auch insoweit rechtsfehlerhaft die Anordnung gesamtschuldnerischer Haftung mit dem Angeklagten unterblieben. Der Betrag, für den beide als Gesamtschuldner haften, ist den Urteilsgründen jedoch nicht zu entnehmen.

Das Landgericht hat den Mitangeklagten N. wegen Anstiftung zum Computerbetrug in 125 Fällen verurteilt. Davon betreffen 121 Fälle Anstiftungshandlungen zu den Haupttaten des Angeklagten. Hinsichtlich weiterer vier Fälle konnte das Landgericht nicht feststellen, von wem der Mitangeklagte die Tickets erwarb. Angesichts des Umstandes, dass sich aus den Urteilsgründen nicht ergibt, um welche Fälle mit welchen Schadensbeträgen es sich insoweit handelt, ist dem Senat eine Bezifferung des Betrages der gesamtschuldnerischen Haftung bei dem Mitangeklagten N. nicht möglich. Eine Aufhebung und Zurückverweisung unterbleibt jedoch vor dem Hintergrund, dass hinsichtlich des Angeklagten durch den Senat - entsprechend § 354 Abs. 1 StPO - eine gesamtschuldnerische Haftung für alle Fälle angeordnet wurde, in denen der Angeklagte die Tickets an Dritte weitergegeben hat. Damit sind auch die 121 Fälle erfasst, in denen der Angeklagte im Auftrag des Mitangeklagten N. Tickets erworben und an diesen weitergegeben hat und beide gesamtschuldnerisch haften. Eine gesonderte Anordnung hinsichtlich des nicht revidierenden Mitangeklagten N. ist daher entbehrlich.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 17

Bearbeiter: Christoph Henckel