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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1321

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 140/20, Beschluss v. 16.09.2020, HRRS 2020 Nr. 1321


BGH 1 StR 140/20 - Beschluss vom 16. September 2020 (LG Bonn)

Steuerhinterziehung (zulässige Schätzung der Besteuerungsgrundlagen: vorherige Erfüllung der Aufklärungsplicht; Beihilfe: steuerrechtliche Erklärungspflicht als besonderes persönliches Merkmal).

§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO; § 244 Abs. 2 StPO; § 261 StPO; § 27 StGB; § 28 Abs. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Auf eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen darf nicht vorschnell ausgewichen werden, wenn eine tatsachenfundierte Berechnung anhand der bereits vorliegenden und der erhebbaren Beweismittel möglich erscheint. Die zuverlässige Klärung, ob eine für die Berechnung verlässliche Tatsachengrundlage beschafft werden kann, ist dabei auch und besonders Aufgabe der Ermittlungsbehörden. Deshalb wäre es verfehlt und würde die Hauptverhandlung mit unnötigem Aufklärungsaufwand belasten, wenn die Ermittlungsbehörden sich darauf beschränkten, die Quote zu schätzen, ohne zuvor ausermittelt zu haben, ob eine tatsachenfundierte Berechnung möglich ist.

2. Im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig (st. Rspr), wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, die tatsächlichen Verhältnisse, die für die Bemessung der Steuer maßgebend sind, aber ungewiss sind. Ziel der Schätzung ist es, aus den vorhandenen Anhaltspunkten in einem Akt des Schlussfolgerns und der Subsumtion diejenigen Tatsachen zu ermitteln, von deren Richtigkeit der Tatrichter überzeugt ist (vgl. BGH wistra 2007, 345). Die Schätzung ist so vorzunehmen, dass sie im Ergebnis einem ordnungsgemäß durchgeführten Bestandsvergleich bzw. einer ordnungsgemäßen Einnahmeüberschussrechnung möglichst nahekommt. Sie muss daher schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein.

3. Soweit Tatsachen zur Überzeugung des Tatrichters feststehen, hat er diese der Schätzung zugrunde zu legen. Die im Rahmen des Steuerstrafverfahrens erfolgende Schätzung steht zudem unter dem Gebot, dass sich unüberwindbare Zweifel zugunsten des Angeklagten auswirken müssen. Dementsprechend müssen die vom Besteuerungsverfahren abweichenden Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) eingehalten werden (vgl. BGH wistra 2010, 148). Erforderlichenfalls hat der Tatrichter einen als erwiesen angesehenen Mindestschuldumfang festzustellen (vgl. BGH wistra 2010, 148). Das bedeutet u.a., dass der Tatrichter die Schätzung der Höhe nach auf den Betrag zu begrenzen hat, der mindestens hinterzogen worden ist.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 13. Juni 2019, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Strafausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen IV.2. (Fälle 5, 7, 9 bis 17 der Anklage betreffend die E. GmbH 2012), IV.3. (Fälle 18, 20 und 22 der Anklage betreffend die M. GmbH 2012), IV.4. (Fälle 56, 57 und 23 der Anklage betreffend die M. GmbH 2013), IV.5. (Fälle 25, 58 und 26 der Anklage betreffend die A. GmbH 2014) und IV.6. bis IV.8. (Fälle 54, 55 und 59 der Anklage betreffend die Einkommensteuer des Angeklagten G. 2012 bis 2014) der Urteilsgründe;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und

c) im Ausspruch über die Einziehung.

2. Auf die Revision der Angeklagten Ma. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es sie betrifft, im gesamten Strafausspruch - in den Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch die Beteiligung an der Gründung der E. GmbH, der M. GmbH und der A. GmbH mit den zugehörigen Feststellungen - aufgehoben.

3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden als unbegründet verworfen.

4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen Steuerhinterziehung in 20 Fällen, davon in vier Fällen im Versuch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, hiervon einen Monat wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt erklärt, und 279.702 Euro als Wert von Taterträgen eingezogen. Die Angeklagte Ma. hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 250 Tagessätzen zu je zehn Euro - unter Gewährung von Ratenzahlungen - verurteilt, hiervon 30 Tagessätze als vollstreckt erklärt, und 1.400 Euro als Wert von Taterträgen eingezogen. Die gegen ihre Verurteilungen mit der Sachrüge - der Angeklagte G. darüber hinaus mit der Beanstandung der Verletzung formellen Rechts - geführten Revisionen der Angeklagten erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I. Revision des Angeklagten G. :

1. Die im Schriftsatz vom 9. August 2019 erhobenen Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Hinsichtlich der weiteren, im Schriftsatz vom 12. August 2019 erhobenen formellen Beanstandungen bedarf es keiner Entscheidung, weil bereits die Sachrüge in vollem Umfang der Verfahrensbeanstandungen durchdringt.

2. Der Schuldspruch, der Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen IV.1. (Fall 3 der Anklage: B. GmbH 2011) und IV.9. bis 12. (Umsatzsteuerhinterziehungen der Z. GmbH 2011 bis 2014) sowie die Kompensationsentscheidung weisen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

3. Der Ausspruch über die Einzelstrafen in den im Beschlusstenor bezeichneten Fällen hält hingegen sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht bei der Berechnung der Umsätze der vom Angeklagten faktisch geführten Scheinfirmen E. GmbH, M. GmbH sowie A. GmbH hinsichtlich eines Teils der Umsätze eine unzureichende Schätzung und mithin nicht ausschließbar bei den Taten der Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatz- sowie Einkommensteuerhinterziehungen einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt hat. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift hierzu ausgeführt:

„Im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 - 1 StR 561/13, wistra 2014, 276, vom 4. Februar 1992 - 5 StR 655/91, wistra 1992,147 und vom 10. September 1985 - 4 StR 487/85, wistra 1986, 65; Urteil vom 26. Oktober 1998 - 5 StR 746/97, BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 1, 2), wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, die tatsächlichen Verhältnisse, die für die Bemessung der Steuer maßgebend sind, aber ungewiss sind. Ziel der Schätzung ist es, aus den vorhandenen Anhaltspunkten in einem Akt des Schlussfolgerns und der Subsumtion diejenigen Tatsachen zu ermitteln, von deren Richtigkeit der Tatrichter überzeugt ist (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2007 - 5 StR 58/07, wistra 2007, 345; vgl. auch BFH, Urteil vom 26. Februar 2002 - X R 59/98, BFHE 198, 20, BStBl II 2002, 450). Die Schätzung ist so vorzunehmen, dass sie im Ergebnis einem ordnungsgemäß durchgeführten Bestandsvergleich bzw. einer ordnungsgemäßen Einnahmeüberschussrechnung möglichst nahekommt (BFH, Urteil vom 19. Januar 1993 - VIII R 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594, Rn. 23). Sie muss daher schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (…). Soweit Tatsachen zur Überzeugung des Tatrichters feststehen, hat er diese der Schätzung zugrunde zu legen. Die im Rahmen des Steuerstrafverfahrens erfolgende Schätzung steht zudem unter dem Gebot, dass sich unüberwindbare Zweifel zugunsten des Angeklagten auswirken müssen (Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 81). Dementsprechend müssen die vom Besteuerungsverfahren abweichenden Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) eingehalten werden (BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - 1 StR 283/09, wistra 2010, 148). Erforderlichenfalls hat der Tatrichter einen als erwiesen angesehenen Mindestschuldumfang festzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - 1 StR 283/09, wistra 2010, 148 sowie Jäger in Klein, AO, 12. Aufl., § 370 Rn. 96 mwN). Das bedeutet u.a., dass der Tatrichter die Schätzung der Höhe nach auf den Betrag zu begrenzen hat, der ?mindestens? hinterzogen worden ist (Rüsken in Klein, AO, 12. Aufl., § 162 Rn. 19a).

So verhält es sich hier hinsichtlich der Taten Ziff. 2.5, 2.7, 2.9 bis 17, 3.18, 3.20, 3.22, 4.56, 4.57, 4.23, 5.25, 5.58, 5.26, 6.54, 7.55 und 8.59 der Urteilsgründe.

Dem Gericht war es nicht möglich, aus der Buchhaltung der Scheinunternehmen die Besteuerungsgrundlagen in zutreffender Höhe festzustellen. Zwar lagen dem Gericht unterschriebene Montageangebote - mithin Verträge - teilweise vor, da die Auftragsbestätigungen jedoch weder in Papierform noch als E-Mail sichergestellt werden konnten, fehlten der Kammer ?die allermeisten unterschriebenen Angebote?. Die Kammer hatte lediglich Zugriff auf ca. 500 Montageangebote, die von den E-Mail-Adressen der Scheinunternehmen an die Kunden und gleichzeitig auch zur Kenntnis an eine E-Mail-Adresse der Z. GmbH versandt wurden (UA S. 55). Da die auf dem E-Mail-Account der Z. GmbH vorgefundenen Angebote aber nur teilweise identisch waren mit den Angeboten, die ?auf den Computern? der Z. GmbH sichergestellt wurden, ist die Strafkammer rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass ihr nicht alle Montageangebote zur Verfügung standen (UA S. 56).

Auch bei der Ermittlung der Montagevergütungen darf allerdings nicht vorschnell auf eine pauschale Schätzung in Form eines Anteils am Umsatz oder vorliegender (unvollständiger) Montageangebote ausgewichen werden, wenn eine tatsachenfundierte Berechnung anhand der bereits vorliegenden und der erhebbaren Beweismittel möglich erscheint. Die zuverlässige Klärung, ob eine für die Berechnung verlässliche Tatsachengrundlage beschafft werden kann, ist dabei auch und besonders Aufgabe der Ermittlungsbehörden. Deshalb wäre es verfehlt und würde die Hauptverhandlung mit unnötigem Aufklärungsaufwand belasten, wenn die Ermittlungsbehörden sich darauf beschränkten, die Quote zu schätzen, ohne zuvor ausermittelt zu haben, ob eine tatsachenfundierte Berechnung möglich ist. Um einen unverhältnismäßigen Untersuchungsaufwand zu vermeiden (BGH, Beschluss vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9), kann die Schätzung aber auch anhand repräsentativer Stichproben erfolgen. Gerade dann, wenn sich solche Feststellungen bei angemessenem Aufklärungsaufwand nicht treffen lassen, darf das Tatgericht eine an den Umständen des Falles orientierte Schätzung unter Beachtung des Zweifelssatzes vornehmen (BGH, Beschluss vom 5. März 2002 - 3 StR 491/01, NStZ 2002, 438, 439).

Beweismittel, anhand derer die Ermittlung des Umsatzes und der konkrete Umfang der erbrachten Arbeiten möglich [sind], sind hier - wovon das Landgericht rechtsfehlerfrei ausgegangen ist - die sichergestellten Montageangebote und der festgestellte Umfang der Warenlieferungen an die Z. GmbH. Diese können ein aussagekräftiges Indiz zur Ermittlung der tatsächlich vereinnahmten Vergütung sein. Die so gewonnenen Ergebnisse sind jedoch auf ihre Zuverlässigkeit zu überprüfen. Im vorliegenden Fall erscheint es möglich, durch die Vernehmung eines repräsentativen Anteils der ermittelbaren Kunden die Schätzung der Höhe der Montagevergütungen tatsachenfundiert zu überprüfen (zu den Kunden T. und Go. vgl. UA S. 52). Ebenso könnte das Ergebnis eines bereits im Ermittlungsverfahren durch Fragebögen ermittelte[n] Auftragsvolumen[s] in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Ob es in derartigen Fällen dann noch einer persönlichen Vernehmung von Kunden bedarf, entscheidet sich nach den Erfordernissen des Amtsaufklärungsgrundsatzes (§ 244 Abs. 2 StPO) und des Beweisantragsrechts (insb. § 244 Abs. 3 StPO).

Da sich die Strafkammer trotz dieser Umstände, die eine tatsachenfundierte Schätzung orientiert an den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls als möglich erscheinen lassen, einer pauschalen, an Durchschnittswerten orientierten Schätzung bedient hat, erweist sich das Urteil als rechtsfehlerhaft. Es wird nicht auszuschließen sein, dass auf der Grundlage einer tatsachenfundierten Gegenrechnung der Schuldumfang nennenswert geringer ausgefallen wäre.“ Dem schließt sich der Senat an. Der Rechtsfehler, der nur den Schuldumfang der im Beschlusstenor bezeichneten Taten betrifft, hat die Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafaussprüche, des Gesamtstrafausspruchs und der die Einkommensteuerverkürzungen betreffenden Einziehungsentscheidung mit den zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) zur Folge.

II. Revision der Angeklagten Ma. :

1. Der Schuldspruch sowie die Einziehungsanordnung und die Kompensationsentscheidung halten sachlichrechtlicher Nachprüfung stand.

2. Der Strafausspruch weist hingegen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.

a) Der Schuldumfang der vom Angeklagten G. begangenen Haupttaten als faktischer Geschäftsführer der mit Hilfe der Angeklagten Ma. gegründeten Scheinfirmen E. GmbH, M. GmbH sowie A. GmbH ist rechtsfehlerhaft bestimmt, so dass hiervon auch die Beihilfehandlungen der Angeklagten betroffen sind. Dies hat die Aufhebung der diesen Taten zugrundeliegenden Einzelstrafaussprüche sowie des Ausspruchs über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen zur Folge.

b) Darüber hinaus liegt noch hinsichtlich aller Beihilfehandlungen der Angeklagten ein weiterer Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten bei der Bestimmung des Strafrahmens vor, weil das Landgericht die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 StGB nicht geprüft hat.

aa) Der Angeklagte G. hat die für die genannten Scheinfirmen und die weitere Scheinfirma B. GmbH (Fall IV.1. der Urteilsgründe) keine Steuererklärungen (Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen) abgegeben. Das Landgericht hat ihn daher jeweils wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verurteilt.

bb) Die Strafe für die Beihilfehandlungen der Angeklagten Ma. hat die Wirtschaftsstrafkammer jeweils aus dem nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO entnommen, ohne die weitere in § 28 Abs. 1 StGB vorgesehene Strafrahmenverschiebung in Betracht zu ziehen. Der Senat hat durch Urteil vom 23. Oktober 2018 im Verfahren 1 StR 454/17 seine bisherige Rechtsprechung geändert und entschieden, dass es sich bei der vom Straftatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) vorausgesetzten Erklärungspflicht um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB handelt, das eine Strafrahmenverschiebung eröffnet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheidet eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1 StGB lediglich dann aus, wenn die Tat allein wegen des Fehlens des strafbegründenden persönlichen Merkmals als Beihilfe statt als Täterschaft zu werten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2019 - 1 StR 50/19 Rn. 6).

Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen kann nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteile vom 23. Oktober 2018 - 1 StR 454/17 Rn. 19 und vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218), was bei der Angeklagten Ma. nicht der Fall ist. Das Landgericht hat allerdings deren Tatbeitrag, die den Angeklagten G. bei der Gründung der Scheingesellschaften unterstützt hat, bereits ohne Anknüpfung an diesen Umstand lediglich als Gehilfenbeitrag bewertet. Die Voraussetzungen einer weiteren Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der des § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB lagen daher vor.

3. Hinsichtlich der Beihilfehandlung der Angeklagten bei der Gründung der B. GmbH (Fall IV.1. der Urteilsgründe) führt dieser Rechtsfehler lediglich zur Aufhebung des Einzelstrafausspruchs. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil diese von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann insoweit aber ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1321

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 15; StV 2021, 697

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede