HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1172
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 94/19, Beschluss v. 11.07.2019, HRRS 2019 Nr. 1172
1. Auf die Revision des Angeklagten O. wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 15. Oktober 2018, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten O. wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Wohnungseinbruchdiebstahl zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten A. hat es wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge, mit besonders schwerem Raub und mit weiteren Straftatbeständen eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren verhängt. Die Revision des Angeklagten O., mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des ihn betreffenden Strafausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Schuldspruch ist frei von Rechtsfehlern; jedoch hält der Strafausspruch gegen den Angeklagten O. rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des typisierten Strafmilderungsgrundes der Hilfe zur Aufklärung von schweren Straftaten nach § 46b StGB rechtsfehlerhaft nicht erwogen.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Mitangeklagte A. im Ermittlungsverfahren lediglich seine Beteiligung an dem Einbruch eingeräumt, eine von ihm vorgenommene Gewaltanwendung aber bestritten (UA S. 17). In der Hauptverhandlung gab er an, „wechselseitig“ mit dem Angeklagten O. auf den Geschädigten eingewirkt zu haben, stellte aber seine Absicht, den Geschädigten schwer zu verletzen oder zu töten, weiterhin in Abrede (UA S. 17). Demgegenüber hatte der Angeklagte O. die Gewalthandlungen des Mitangeklagten A. bereits im Ermittlungsverfahren detailliert geschildert. Auf der Grundlage der glaubhaften Einlassung des Angeklagten O. hat sich das Landgericht davon überzeugt, dass die Gewalthandlungen gegenüber dem Geschädigten allein vom Mitangeklagten A. ausgingen (UA S. 28 f.). Im Rahmen der Strafzumessung hat es jedoch lediglich allgemein zugunsten des Angeklagten O. berücksichtigt, dass er „auch hinsichtlich der Tatbeiträge des Mitangeklagten“ Aufklärungshilfe geleistet hat (UA S. 55). Einen minder schweren Fall des besonders schweren Raubes im Sinne von § 250 Abs. 3 StGB hat das Landgericht nicht angenommen.
b) Die Nichterörterung von § 46b StGB ist rechtsfehlerhaft. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen kam eine Strafrahmenverschiebung wegen des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. h und k StPO in Betracht. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts war die Aufklärungshilfe des Angeklagten auch wesentlich.
Bei der Wesentlichkeit der Aufklärungshilfe handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2016 - 5 StR 26/16 Rn. 10 mwN). Sie ist zu bejahen, wenn die Tat ohne den Aufklärungsbeitrag nicht oder nicht im gegebenen Umfang aufgeklärt worden wäre, die Aussage des Angeklagten jedenfalls aber eine sicherere Grundlage für die Aburteilung des Tatbeteiligten schafft, indem sie den Strafverfolgungsbehörden die erforderliche Überzeugung vermittelt, dass ihre bisherigen Erkenntnisse zutreffen (vgl. BGH aaO mwN). Dies hat das Landgericht, das seine Überzeugung von den vom Mitangeklagten A. vorgenommenen Gewalthandlungen insbesondere auf die Angaben des Angeklagten O. gestützt hat, nicht erkennbar bedacht. Es hätte prüfen müssen, ob es unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes einen minder schweren Fall (§ 250 Abs. 3 StGB) bejaht oder von der gegebenenfalls eröffneten Milderungsmöglichkeit nach § 49 StGB Gebrauch macht (vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. März 2019 - 2 StR 594/18 Rn. 13 mwN). Dem Umstand, dass das Landgericht die Aufklärungshilfe des Angeklagten O. lediglich als allgemeinen Strafzumessungsumstand berücksichtigt hat, vermag der Senat eine konkludente Ermessensausübung im Sinne von § 46b Abs. 1 StGB nicht zu entnehmen.
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafe bei zutreffender Rechtsanwendung niedriger bemessen worden wäre (§ 337 Abs. 1 StPO), und hebt deshalb den Strafausspruch auf. Im Umfang der Aufhebung verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (§ 354 Abs. 3 StPO).
d) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen können getroffen werden, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1172
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 336; StV 2021, 33
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede