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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 763

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 81/19, Beschluss v. 04.06.2019, HRRS 2019 Nr. 763


BGH 1 StR 81/19 - Beschluss vom 4. Juni 2019 (LG Traunstein)

Aufrechterhalten einer Maßregel bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung.

§ 55 StGB; § 67f StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 23. Oktober 2018

a) dahingehend abgeändert, dass die Anordnung der Maßregel entfällt und die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt aus dem Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 17. Juli 2018 - - aufrechterhalten wird;

b) aufgehoben, soweit der Vorwegvollzug der Strafe angeordnet worden ist.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe von drei Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 17. Juli 2018 - - zur Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt und einen Vorwegvollzug von 15 Monaten angeordnet. Das mit der allgemeinen Sachrüge geführte Rechtsmittel hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die hier abgeurteilte Tat zeitlich vor der Verurteilung durch das Amtsgericht Rosenheim begangen worden ist und deswegen mit der Strafe aus diesem Urteil eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der Maßregel aber nicht bedacht, dass die Grundsätze der nachträglichen Gesamtstrafenbildung Vorrang vor der Regelung des § 67f StGB haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 9. November 2017 - 1 StR 456/17 Rn. 9, BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, Absehen 1; vom 27. September 2016 - 5 StR 417/16 und vom 25. November 2010 - 3 StR 406/10 Rn. 3; Urteil vom 11. September 1997 - 4 StR 287/97 Rn. 16, BGHR StGB § 64 Anordnung 4) und deswegen die Maßregel aus dem Urteil des Amtsgerichts Rosenheim aufrechtzuerhalten gewesen wäre. Die neuerlich angeordnete Maßregel hat deswegen zu entfallen (vgl. BGH, Urteile vom 10. Dezember 1981 - 4 StR 622/81, BGHSt 30, 305 und vom 11. September 1997 - 4 StR 287/97 Rn. 16, BGHR StGB § 64 Anordnung 4; Beschluss vom 27. September 2016 - 5 StR 417/16).

Über die Anordnung des Vorwegvollzugs ist daher erneut zu entscheiden. Dabei wird das neu zuständige Tatgericht zu beachten haben, dass die bereits begonnene Behandlung in der Entziehungsanstalt aktuell dringende Therapiebedürftigkeit begründen kann, um die bereits angelaufenen therapeutischen Maßnahmen durch eine Rückverlegung in die Justizvollzugsanstalt nicht zunichte zu machen. Da die gesetzlichen Regelungen über die Vollstreckungsreihenfolge auch der Sicherung des Therapieerfolgs dienen, muss diese vollstreckungsrechtliche Folge bei der Entscheidung über die Anordnung des Vorwegvollzugs bedacht werden (BGH, Beschlüsse vom 9. November 2017 - 1 StR 456/17 Rn. 11, BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, Absehen 1; vom 13. November 2018 - 3 StR 243/18 Rn. 9 und vom 18. September 2018 - 3 StR 329/18). Dem Senat ist es verwehrt, in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst darüber zu befinden, weil die Entscheidung Wertungen und Beurteilungen erfordert, die dem Tatgericht vorbehalten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2018 - 3 StR 243/18 Rn. 11).

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 763

Bearbeiter: Christoph Henckel