HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 357
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 583/19, Beschluss v. 29.01.2020, HRRS 2020 Nr. 357
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Weiden i. d. OPf. vom 13. August 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt; von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat das Landgericht abgesehen.
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB ist durchgreifend rechtsfehlerhaft, weil sich anhand der vom Landgericht getroffenen, widersprüchlichen Feststellungen nicht beurteilen lässt, ob das sachverständig beratene Landgericht einen Hang des Angeklagten, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. zu den Voraussetzungen: BGH, Beschluss vom 9. Januar 2019 - 1 StR 602/18 Rn. 12 f. mwN), rechtsfehlerfrei abgelehnt hat.
Das Landgericht hat einen solchen Hang „im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen auch im Hinblick auf die übrigen Feststellungen“ (UA S. 51) verneint und sich insoweit auch die Einschätzung des Sachverständigen, der Angeklagte habe sich zu seinem Betäubungsmittelkonsum divergierend geäußert (UA S. 40, 50), zu eigen gemacht. Das Vorliegen eines Hangs drängte sich aber angesichts der im Rahmen der persönlichen Verhältnisse (UA S. 5) getroffenen Feststellungen auf, die sich allerdings nicht ohne weiteres mit den Ergebnissen der Blut- und Haaranalyse sowie der körperlichen Untersuchung des Angeklagten und seinen Krankenunterlagen aus der Justizvollzugsanstalt (UA S. 39, 42) vereinbaren lassen.
Insoweit weist der Senat darauf hin, dass die Angaben eines Angeklagten in der Hauptverhandlung (und gegenüber dem Sachverständigen) zu seiner Person, insbesondere auch, soweit sie Anknüpfungstatsachen der Voraussetzungen des § 64 StGB bilden, nicht ohne weiteres ungeprüft übergenommen werden dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2004 - 5 StR 411/04 Rn. 18, BGHSt 49, 365, 371 zu den Anknüpfungstatsachen der Spielsucht).
2. Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss daher - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; vgl. z.B.: BGH, Beschluss vom 23. Juli 2019 - 1 StR 62/19 Rn. 8 mwN), in der er die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen hatte.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 357
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede