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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 632

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 530/19, Beschluss v. 05.03.2020, HRRS 2020 Nr. 632


BGH 1 StR 530/19 - Beschluss vom 5. März 2020 (LG Mannheim)

Mittelbare Täterschaft (Tateinheit bei einzelnem Tatbeitrag zu mehren Handlungen des Tatmittlers).

§ 25 Abs. 1 StGB; § 52 Abs. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Die Beurteilung der Konkurrenzen richtet sich auch für den mittelbaren Täter nach dessen Tatbeitrag, unabhängig von der konkurrenzrechtlichen Beurteilung der Handlungen, die ihm zuzurechnen sind. Hat ein mittelbarer Täter, der an der unmittelbaren Ausführung der Taten nicht beteiligt ist, seinen alle Einzeldelikte fördernden Tatbeitrag bereits im Vorfeld erbracht, werden ihm die Handlungen des Tatmittlers als tateinheitlich begangen zugerechnet, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob beim Tatmittler Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen wäre, ist demgegenüber ohne Belang.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird

a) das Verfahren in den Fällen 1 und 2 der Gründe des Urteils des Landgerichts Mannheim vom 14. Juni 2019 mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt sowie der Steuerhinterziehung beschränkt,

b) das genannte Urteil

aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 22 Fällen, davon in 20 Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug und in 19 Fällen in weiterer Tateinheit mit Steuerhinterziehung, schuldig ist, und

bb) in den Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte jeweils zu einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt ist.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in Tateinheit mit Computerbetrug in 22 Fällen, davon in 19 Fällen in weiterer Tateinheit mit Steuerhinterziehung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat nach einer Beschränkung der Strafverfolgung (§ 154a StPO) den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); überwiegend ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Zur Verfahrensvereinfachung nimmt der Senat auf Anregung des Generalbundesanwalts und mit dessen - im Antrag auf Verfahrensteileinstellung (§ 154 StPO) liegenden - Zustimmung den Vorwurf des Computerbetrugs in den ersten beiden Fällen der Urteilsgründe (April und Mai 2016) von der Strafverfolgung aus (§ 154a Abs. 2, 1 Satz 1 Nr. 1 StPO).

2. Die in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafen von je einem Jahr und acht Monaten sind jeweils auf ein Jahr und sechs Monate herabzusetzen (§ 354 Abs. 1 StPO entsprechend): Zieht man bei diesen beiden Taten die Beträge ab, die auf die Computerbetrugstaten (§ 263a Abs. 1 StGB) zulasten der Urlaubsund Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK) entfallen, ergeben sich zusammen mit den ersparten Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a Abs. 1, 2 Nr. 1 StGB) und der verkürzten Lohnsteuer (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 41a EStG) jeweils Gesamtbeträge, für welche das Landgericht in vergleichbaren Fällen Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten verhängt hat (vgl. insbesondere Fall 8 der Urteilsgründe). Die geringfügige Abänderung dieser beiden Einzelfreiheitsstrafen lässt den Gesamtstrafenausspruch von vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe unberührt.

3. Zu den Konkurrenzen bemerkt der Senat:

Die Annahme von Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) zwischen dem Vorenthalten und Veruntreuen der Sozialversicherungsbeiträge, dem Computerbetrug und der Hinterziehung von Lohnsteuern innerhalb jeden monatlichen Falles ist - abweichend von der Auffassung des Generalbundesanwalts - rechtsfehlerfrei. Denn die Angeklagten gaben die Erklärungen nicht selbst ab, sondern ließen als mittelbare Täter von den gutgläubigen Mitarbeitern eines Steuerberaterbüros die Bruttolohnsummen an die ULAK, die Beitragsmeldungen an die AOK B. und die Lohnsteueranmeldungen an das Finanzamt elektronisch übermitteln (§ 263a Abs. 1 StGB; § 266a Abs. 1, 2 Nr. 1 StGB; § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 150 Abs. 1 Satz 3, § 168 Satz 1 AO, § 41a EStG; § 25 Abs. 1 Alternative 2 StGB).

a) Die Beurteilung der Konkurrenzen (§§ 52, 53 StGB) richtet sich auch für den mittelbaren Täter nach dessen Tatbeitrag, unabhängig von der konkurrenzrechtlichen Beurteilung der Handlungen, die ihm zuzurechnen sind. Hat ein mittelbarer Täter, der an der unmittelbaren Ausführung der Taten nicht beteiligt ist, seinen alle Einzeldelikte fördernden Tatbeitrag bereits im Vorfeld erbracht, werden ihm die Handlungen des Tatmittlers als tateinheitlich begangen zugerechnet, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob beim Tatmittler Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen wäre, ist demgegenüber ohne Belang (BGH, Beschlüsse vom 13. Mai 2003 - 3 StR 128/03 Rn. 17 und vom 10. Mai 2001 - 3 StR 52/01 Rn. 3; vgl. zur Annahme von Tateinheit, wenn sich ein mittelbarer Täter der Einfuhr unverzollter und unversteuerter Waren in das Gebiet der Europäischen Union gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Satz 1, Abs. 7 AO bei deren anschließendem Verbringen in das deutsche Steuergebiet zusätzlich wegen der Verletzung einer eigenen Erklärungspflicht strafbar macht: BGH, Urteil vom 27. Juni 2018 - 1 StR 282/17 Rn. 16 f. mit kritischer Anmerkung Ebner, HFR 2019, 431).

b) An diesen Vorgaben gemessen war das monatliche Mitteilen zu geringer Löhne gegenüber dem Steuerberaterbüro ein vorbereitender Akt. Jeweils weitere individuelle nur dem Computerbetrug, dem Veruntreuen von Arbeitsentgelt oder der Lohnsteuerhinterziehung zuzuordnende Beiträge leistete der Angeklagte nicht. Dies ist auch der Grund, warum bezüglich der ersten beiden Fälle eine Verfahrensbeschränkung und nicht eine Verfahrensteileinstellung (§ 154 Abs. 2, 1 Nr. 1 StPO) geboten war.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 632

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 206

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede