HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 87
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 437/19, Beschluss v. 23.10.2019, HRRS 2020 Nr. 87
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 5. Juni 2019 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten im zweiten Rechtsgang wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.
Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg, weil die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
1. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft von der Bildung einer Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus der früheren Verurteilung vom 5. Juni 2014 abgesehen. Der Vollstreckungsstand zum Zeitpunkt des ersten Urteils (21. Februar 2017) ist auch dann maßgeblich, wenn - wie hier - die zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe erlassen ist (BGH, Urteile vom 9. Dezember 2009 - 5 StR 459/09 Rn. 2 und vom 18. März 1982 - 4 StR 636/81 Rn. 21). Denn durch eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung soll der Angeklagte nicht nur nicht ungerechtfertigt benachteiligt, sondern auch nicht ungerechtfertigt bevorzugt werden.
Dem Senat ist indes eine Korrektur dieses Rechtsfehlers verwehrt. Denn nur der Angeklagte hat das Urteil angefochten; durch die unterbliebene Gesamtstrafenbildung ist er nicht beschwert. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht für die verfahrensgegenständliche Tat bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung eine mildere Einzelstrafe verhängt hätte. Die Bildung einer Gesamtstrafe unter Auflösung der bereits erlassenen Gesamtfreiheitsstrafe und Einbeziehung der Einzelstrafen aus der früheren Verurteilung hätte damit nur zu einer höheren (Gesamt-)Strafe als der hier festgesetzten Strafe führen können. Die teilweise Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zur Nachholung der rechtsfehlerhaft unterbliebenen Gesamtstrafenbildung ist mit Blick auf das Verbot der reformatio in peius (§ 358 Abs. 2 StPO) nicht veranlasst.
2. Der Senat ist nicht gehindert, die Revision des Angeklagten insgesamt im Beschlusswege zu verwerfen, obwohl der Generalbundesanwalt nach § 349 Abs. 2 und 4 StPO beantragt hat, das Urteil des Landgerichts unter Verwerfung im Übrigen aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, soweit die Bildung einer Gesamtstrafe unterblieben ist. Denn der Aufhebungsantrag des Generalbundesanwalts hinsichtlich der unterbliebenen Gesamtstrafenbildung wirkt zu Lasten und nicht zu Gunsten des Angeklagten im Sinne des § 349 Abs. 4 StPO (vgl. zur Möglichkeit einer Verwerfung der Revision eines Angeklagten durch Beschluss trotz Aufhebungsantrags des Generalbundesanwalts wegen unterbliebener Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB: BGH, Beschluss vom 4. November 2009 - 2 StR 434/09 mwN).
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 87
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede