HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 351
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 421/19, Beschluss v. 29.01.2020, HRRS 2020 Nr. 351
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 19. März 2019
a) in den Fällen III. 2. b. bb. 2009 und 2011 der Urteilsgründe (Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuerhinterziehung 2009 und 2011) aufgehoben; insoweit wird das Verfahren eingestellt und trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens sowie die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen;
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in den Fällen III. 2. b. aa. der Urteilsgründe der Bestechung im geschäftlichen Verkehr in 41 Fällen schuldig ist;
c) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
aa) im Fall III. 1. der Urteilsgründe;
bb) hinsichtlich der Einzelstrafen in den Fällen III. 2. b. aa. der Urteilsgründe;
cc) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in drei Fällen und Steuerhinterziehung in neun Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer im Jahr 2014 ergangenen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt, von der ein Monat als vollstreckt gilt. Zudem hat das Landgericht den Angeklagten wegen Untreue und Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen Hinterziehung von Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Veranlagungsjahre 2009 und 2011 verurteilt hat (Fälle III. 2. b. bb. 2009 und 2011 der Urteilsgründe), hat das angefochtene Urteil keinen Bestand. Das Verfahren ist insoweit wegen des von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernisses der verbrauchten Strafklage (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2018 - 3 StR 651/17 Rn. 13) einzustellen. Das Landgericht Bochum hat mit rechtskräftigem Urteil vom 30. Juni 2014 den Angeklagten bereits wegen derselben Steuerstraftaten (§ 264 StPO) für das Veranlagungsjahr 2011 verurteilt (vgl. auch UA S. 11). Bei den das Veranlagungsjahr 2009 betreffenden Steuerdelikten ist die Strafklage aufgrund einer Verfahrenseinstellung gemäß § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO in einem früheren, diese Taten umfassenden Ermittlungsverfahren verbraucht. Mit der Zahlung der Geldauflage durch den Angeklagten besteht insoweit ein Verfahrenshindernis bezüglich der Strafverfolgung als Vergehen (§ 153a Abs. 1 Satz 5 StPO).
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue im Fall III. 1. der Urteilsgründe hält der Überprüfung auf die Sachrüge nicht stand. Auf die Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gründete der Angeklagte im Jahr 2003 die W. GmbH (nachfolgend: W.), als deren Geschäftsführer er tätig war. Die Gesellschaft betätigte sich in der Abfallentsorgung als Maklerin und vermittelte Abfallproduzenten und Entsorger. Sie war in den Vertragsbeziehungen zwischengeschaltet, Direktverträge zwischen Abfallproduzent und Entsorger kamen nicht zustande.
a) Die A. AG produzierte Kupfer und musste Eisensilikatsand entsorgen. Die N. OHG betätigte sich im Bereich der Tongewinnung und zugleich im Rahmen der Wiederverfüllung der Tongruben auch im Bereich der Abfallentsorgung. In der Vergangenheit zahlte die A. AG an die W. des Angeklagten jeweils 22 Euro pro Tonne zu entsorgendem Eisensilikatsand. Die W. zahlte wiederum 17,50 Euro pro Tonne an die N. OHG, um den Abfall in der dort vorhandenen Tongrube einbauen und entsorgen zu können. Von Februar 2008 bis Dezember 2012 kam es zu Bestechungshandlungen des Angeklagten gegenüber einem Mitarbeiter der A. AG, der für die Organisation der Entsorgung zuständig war, um der W. eine konstante Einnahmequelle zu sichern. Die W. wandte hierfür ca. 1,73 Millionen Euro auf. Nachdem diese Zahlungen aufgedeckt worden waren, beging der Mitarbeiter der A. AG Selbstmord.
b) Aufgrund der guten gemeinsamen Beziehungen war der Angeklagte seit dem Jahr 2008 Prokurist der N. OHG mit Gesamtprokura. Er bezog zuletzt ein monatliches Gehalt von 8.000 Euro brutto. Seine Aufgabe bestand darin, Entsorgungsverträge für die OHG zu akquirieren und hierbei für sie die bestmöglichen Konditionen zu erzielen. Dabei durfte er auch solche Verträge vermitteln, die über die W. als Maklerin liefen und somit eine zusätzliche Provision für diese und letztlich den Angeklagten abwarfen. Dies war auch dem Zeugen No. bewusst, der die Höhe des Gewinns des Angeklagten für gering hielt und nicht wissen wollte. Der Zeuge versprach sich davon, das Wissen und die Kontakte des Angeklagten für die OHG binden zu können, „um so bei Zeiten Direktverträge abschließen zu können und hierdurch letztlich irgendwann die Provision zugunsten des Angeklagten bzw. der W. einzusparen.“ Die von ihm ausgehandelten Vertragsentwürfe legte der Angeklagte dem Zeugen No. zur Unterzeichnung vor, der sich auf dessen Empfehlung stützte. Hierzu gehörte, dass der Angeklagte den Zeugen auch über die Frage informierte, ob er bzw. die W. eine Provision erhielten. Dabei war der Umstand des Provisionserhalts dann evident, wenn die W. als Vertragspartei zwischengeschaltet war, so dass es in diesem Fall keines gesonderten Hinweises durch den Angeklagten mehr bedurfte.
c) Nach der Aufdeckung der Bestechungszahlungen des Angeklagten kündigte die A. AG sämtliche Verträge mit der W. fristlos. Außerdem machte die AG Schadensersatzansprüche gegen den Angeklagten und die W. geltend und erwirkte einen dinglichen Arrest in beider Vermögen in Höhe von 1,8 Millionen Euro. Im Zuge von Vergleichsverhandlungen wurde vereinbart, dass ein Teil der Forderung in Höhe von 700.000 Euro durch Zahlung seitens des Angeklagten und ein weiterer Betrag in Höhe von einer Million Euro durch eine Verrechnung erfüllt werde. Letztere sollte dadurch erfolgen, dass der Angeklagte der A. AG durch seine Kontakte einen Direktvertrag über die Entsorgung von Eisensilikatsand mit der N. OHG zu vergünstigten Konditionen verschafft, und zwar zum Preis von 16,50 Euro pro Tonne. Im Gegenzug sollte ein Betrag von 5,50 Euro pro Tonne auf die Verbindlichkeiten des Angeklagten und der W. gegenüber der A. AG verrechnet werden. Bei einer zur Entsorgung vorgesehenen Gesamttonnage von 181.818,2 Tonnen ergibt sich ein Betrag von einer Million Euro. Über diesen Inhalt der Verrechnungsabrede bestand am 16. August 2013 Einigkeit. Die entsprechende Vertragsurkunde unterzeichneten die Vertreter der A. AG und der Angeklagte am 27./28. August 2013 final.
d) Der Angeklagte hielt während der Verhandlungen mit der A. AG mit dem Zeugen No. Rücksprache, dem er die Verrechnungsvereinbarung zu seinen Gunsten verschwieg. Vielmehr erweckte er bei dem Zeugen - dem es darauf ankam, die Maklerprovision der W. einzusparen - den Eindruck, als würde er nunmehr dessen Ansinnen nach einem Direktvertrag mit der A. AG entsprechen. Der Angeklagte unterbreitete dem Zeugen No. den von der A. AG gefertigten Vertragsentwurf, der eine Liefermenge von 181.818,2 Tonnen bei einem Preis von 16,50 Euro pro Tonne (nebst einer Abnahmegarantie zugunsten der A. AG über weitere 100.000 Tonnen zum Preis von 22 Euro pro Tonne) zum Gegenstand hatte. Der Zeuge No. nahm an, die W. würde mangels ihrer Zwischenschaltung keine Provision erhalten. Auf die Frage des Zeugen No., wieso nur 16,50 Euro statt wie früher 17,50 Euro an die OHG gezahlt würden, obwohl es ein Direktvertrag sei, erklärte der Angeklagte, „mehr sei einfach nicht drin“. Aufgrund der hohen Liefermenge hielt der Zeuge die Marge letztlich „für auskömmlich“. Im Vertrauen auf die Angaben des Angeklagten unterzeichnete er neben diesem am 21. August 2013 den Vertrag mit der A. AG. Das Vertragsvolumen von fast 182.000 Tonnen Eisensilikatsand war bis Ende Januar 2015 nahezu erreicht. Bei einem Gespräch mit Vertretern der A. AG über einen möglichen Anschlussvertrag erfuhren die Vertreter der N. OHG erstmals von der Verrechnungsabrede zugunsten des Angeklagten.
In Kenntnis der verabredeten Verrechnung zwischen der A. AG und dem Angeklagten sowie der W. hätte der Zeuge No. einen Preis von 16,50 Euro pro Tonne nicht akzeptiert. Tatsächlich war die A. AG bereit, für die Entsorgung des Eisensilikatsandes einen Preis von 22 Euro pro Tonne zu bezahlen, und hätte diesen Betrag auch an die N. OHG gezahlt, wenn nicht ein Betrag von 5,50 Euro pro Tonne auf die Verbindlichkeiten des Angeklagten verrechnet worden wäre. Dieser Preis wurde damals von den Mitarbeitern der A. AG für angemessen erachtet, da er der Höhe der früheren Verträge entsprach und bei der AG infolge des Selbstmords des früher zuständigen Mitarbeiters nahezu kein Wissen mehr um die Entsorgungsmöglichkeiten und aktuellen Preise am Markt bestand. Zudem befand sich die A. AG unter einem erheblichen Entsorgungsdruck, da ihre eigene Lagerkapazität von ca. 50.000 Tonnen Eisensilikatsand bereits überschritten war und ein Produktionsstopp mit massiven finanziellen Verlusten drohte.
e) In diesem Geschehen hat das Landgericht eine Untreue des Angeklagten gesehen, der als Prokurist der N. OHG die ihn treffende Vermögensbetreuungspflicht verletzt habe. Der Vermögensnachteil der OHG belaufe sich auf eine Million Euro.
2. Die in sich widersprüchlichen Feststellungen gestatten dem Senat keine abschließende Prüfung, ob der Angeklagte eine ihn treffende Vermögensbetreuungspflicht im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB verletzt hat.
a) Untreue setzt sowohl in der Variante des Missbrauchs (§ 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB) als auch in derjenigen des Treubruchtatbestands (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) voraus, dass dem Täter eine Vermögensbetreuungspflicht obliegt und er diese verletzt. Eine solche Pflicht ist gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierfür ist in erster Linie von Bedeutung, ob sich die fremdnützige Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, mithin als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt. Diese besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen muss über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit hinausgehen. Erforderlich ist weiterhin, dass dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Hierbei ist nicht nur auf die Weite des ihm eingeräumten Spielraums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (vgl. BGH, Urteile vom 9. November 2016 - 5 StR 313/15, BGHSt 61, 305 Rn. 33 mwN und vom 25. Mai 2010 - VI ZR 205/09, BGHZ 185, 378 Rn. 9).
Allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen, insbesondere aus Austauschverhältnissen, reichen nicht aus, und zwar auch dann nicht, wenn sich hieraus Rücksichtnahme- oder Sorgfaltspflichten ergeben. In der Regel wird sich eine Treuepflicht nur aus einem fremdnützig typisierten Schuldverhältnis ergeben, in welchem der Verpflichtung des Täters Geschäftsbesorgungscharakter zukommt. Bei rechtsgeschäftlicher Grundlage kommt es im Einzelfall auf die vertragliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses an (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94 Rn. 26; Beschluss vom 2. April 2008 - 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182 Rn. 15 ff.; jeweils mwN).
b) Nach diesen Maßgaben hat der Angeklagte womöglich keine Vermögensbetreuungspflicht verletzt. Zwar spricht seine Stellung als Prokurist der N. OHG grundsätzlich dafür, dass er ihr gegenüber treupflichtig war (vgl. BGH, Urteil vom 6. September 1962 - 1 StR 298/62, bei Herlan, GA 1964, 130; SSW-StGB/Saliger, 4. Aufl., § 266 Rn. 15; Waßmer in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 266 StGB Rn. 49; NK-StGB/Kindhäuser, 5. Aufl., § 266 Rn. 58). Für die inhaltliche Ausgestaltung und Reichweite der Treuepflicht sind indes die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien maßgeblich. Die Urteilsgründe lassen eine genaue und widerspruchsfreie Darstellung vermissen, welche Vereinbarungen der Angeklagte mit der N. OHG über die Vereinnahmung einer „Provision“ der W. getroffen hatte.
aa) Sollte es ihm nach den vertraglichen Abreden trotz seiner Prokuristenstellung gestattet gewesen sein, sich bzw. der W. auch bei Direktverträgen der N. OHG mit einem Abfallproduzenten eine Provision zu sichern, steht deshalb - bezogen auf das von dem Produzenten zu zahlende Entgelt - ein fremdnützig typisiertes Schuldverhältnis in Zweifel. Für eine derartige Auslegung des Vertrages zwischen dem Angeklagten und der N. OHG spricht nach den Feststellungen, dass er auch bei über die W. als Maklerin vermittelten Verträgen eine Provision verdienen durfte (UA S. 16). Damit ist der gesetzliche Regelfall des § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB beschrieben, in dem ein Makler die vereinbarte Provision mit dem Abschluss des von ihm vermittelten Hauptvertrages verdient. Die Urteilsgründe leiden insofern daran, dass das Landgericht nicht zwischen einer derartigen Provision und der Gewinnmarge bei einer vertraglichen Zwischenschaltung differenziert. Darüber hinaus sind die subjektiven Erwartungen des Zeugen No. unmaßgeblich, soweit und solange sie sich nicht mit den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der N. OHG und dem Angeklagten deckten. Zu diesen vertraglichen Abreden sind auch der Beweiswürdigung keine eindeutigen Festlegungen zu entnehmen. Dass der Angeklagte die „bestmöglichen“ Konditionen für die N. OHG aushandeln sollte, steht ohnehin zu der ihm jedenfalls bei einer Zwischenschaltung der W. zugestandenen Gewinnmarge in einem vom Landgericht nicht aufgelösten Widerspruch.
Aus dem vom Zeugen No. verfolgten wirtschaftlichen Zweck, den Angeklagten zum Prokuristen zu bestellen, ergibt sich ebenfalls nicht zwingend, dass dieser bei Direktverträgen kein Provisionsinteresse verfolgen durfte. Denn die Feststellungen des Landgerichts legen in erster Linie die Deutung nahe, dass es dem Zeugen darum ging, das Wissen und die Kontakte des Angeklagten in die OHG zu überführen und zukünftig ohne dessen Tätigkeit Entsorgungsverträge abschließen zu können. Für den Profit des Angeklagten machte die Vertragsgestaltung (Direktvertrag mit Provision oder Zwischenschaltung der W.) ohnehin keinen Unterschied. Die Ausführungen des Landgerichts, eine Information des Zeugen No. über den Anfall einer „Provision“ des Angeklagten sei dann entbehrlich gewesen, wenn die W. zwischengeschaltet war (vgl. UA S. 16/17), deuten zusätzlich auf eine ihm für beide Gestaltungen erlaubte - und auch umgesetzte - Verdienstmöglichkeit hin.
bb) Dass die verhandlungsführende Person einen Teil der Gegenleistung, zu welcher der Vertragspartner bereit ist, seinem Geschäftsherrn entzieht und in die eigene Tasche lenkt, ist bei einer solchen Erlaubnis nicht pflichtwidrig (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1990 - IV ZR 187/89 Rn. 16). Den Feststellungen lässt sich auch nicht etwa entnehmen, dass die Höhe einer dem Angeklagten bei Direktverträgen gestatteten Provision begrenzt gewesen wäre und er eine solche Grenze durch die mit der A. AG getroffene Verrechnungsabrede überschritten hätte. Hiergegen spricht vielmehr, dass der Zeuge No. die Höhe des Profits des Angeklagten nicht wissen wollte (UA S. 16). Zudem hatte auch der Zeuge den Vertrag mit dem Abfallproduzenten zu unterzeichnen und konnte damit das vom Angeklagten erzielte Verhandlungsergebnis überprüfen.
Nach den bisherigen Feststellungen ist folglich zumindest nicht ausgeschlossen, dass der erst mit dem Zustandekommen eines Direktvertrages entstehende Provisionsanspruch der W. der vertragsimmanente, für die N. OHG erkennbar eigennützige Grund des Angeklagten war, ein für beide Parteien des Entsorgungsvertrages akzeptables Entgelt auszuhandeln. Eine Pflichtverletzung des Angeklagten im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB ist damit nicht belegt. Insoweit weist der Generalbundesanwalt auch zutreffend darauf hin, dass die Verletzung einer Informationspflicht über die getroffene Verrechnungsabrede mit der A. AG hierfür nicht ausreichen würde. Denn es handelte sich allenfalls um eine sonstige vertragliche Rücksichtnahmepflicht.
3. Den vom Landgericht verneinten Tatbestand des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) hat der Angeklagte nach den bisherigen Feststellungen ebenfalls nicht nachprüfbar verwirklicht. Der Senat teilt aufgrund der vorgesehenen Verrechnung zwischen der A. AG und dem Angeklagten zwar nicht die Ansicht des Landgerichts (UA S. 73), es fehle an einer Stoffgleichheit zwischen dem angestrebten Vermögensvorteil und einem bei der N. OHG eingetretenen Vermögensnachteil (vgl. zu den Anforderungen SSW-StGB/Saliger, 4. Aufl., § 263 Rn. 314 ff. mwN). Eine Täuschungshandlung des Angeklagten liegt aber nicht zweifelsfrei vor. Ob in seiner Antwort auf die Frage des Zeugen No. nach der Höhe des von der A. AG zu zahlenden Entgelts, es sei „nicht mehr drin gewesen“, nach den Gesamtumständen zugleich die konkludente Erklärung (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 263 Rn. 21 ff.) liegt, er bzw. die W. würden keinen eigenen Vermögensvorteil erzielen, ist aufgrund der unklaren Vertragsgrundlage mit der N. OHG und der ebenso fraglichen „gelebten“ Informationspraxis als Auslegungsbehelf nicht sicher zu beurteilen. Gleiches gilt für eine vertragliche Garantenpflicht des Angeklagten, sollte an eine Täuschung durch Unterlassen (§ 13 StGB) anzuknüpfen sein.
4. Sowohl der Verurteilung wegen Untreue als auch einem Schuldspruch wegen Betruges steht zudem entgegen, dass ein Vermögensschaden der N. OHG nicht feststeht. Soweit das Landgericht einen Schaden in Höhe von einer Million Euro bejaht hat, ist seine Beweiswürdigung lücken- und damit rechtsfehlerhaft. So wäre zu erörtern gewesen, weshalb die A. AG trotz der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Angeklagten (naheliegend anknüpfend an die Höhe der Bestechungsgelder als Mindestschaden) - von einem angemessenen Preis von unverändert 22 Euro pro Tonne ausgegangen sein soll. Ebenso wenig hat das Landgericht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die A. AG diesen Preis ohne die Verrechnungsabrede mit dem Angeklagten für eine derart große Gesamttonnage gezahlt hätte. Denn bereits ein deutlich geringeres Vertragsvolumen hätte ihr den Entsorgungsdruck genommen und die Zeit verschafft, den Markt zu sondieren.
Die verdichtete Aussicht auf einen solchen Vertrag, der bereits ein wirtschaftlicher Wert beizumessen ist und in dessen Beeinträchtigung damit der Vermögensschaden liegt (sog. Exspektanz; vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2004 - 5 StR 136/04 Rn. 9 f., BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 64; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 135; jeweils mwN), ist folglich nicht belegt. Zwar ist aufgrund der bei der A. AG vorliegenden Besonderheiten eine Exspektanz der N. OHG auf einen höheren Preis als 16,50 Euro pro Tonne in Betracht zu ziehen. Auch dann wird aber durch eine Gesamtsaldierung zu prüfen sein, ob und in welcher Höhe der N. OHG ein Vermögensschaden entstanden ist. Im Fall eines festzustellenden geringeren hypothetischen Vertragsvolumens (z.B. 70.000 Tonnen) könnte sich ihr wirtschaftlicher Nachteil um die Vermögensmehrung verringern, die im Gewinn der OHG für die weitergehende Menge bei 16,50 Euro pro Tonne liegt (vgl. UA S. 22).
5. Mit der Verurteilung des Angeklagten im Fall III. 1. der Urteilsgründe hat der zweite Gesamtstrafausspruch zu entfallen. Die jeweils zugehörigen Feststellungen können ebenfalls keinen Bestand haben (§ 353 Abs. 2 StPO).
1. Der verbleibende Schuldspruch bedarf der Änderung, weil die vom Landgericht vorgenommene konkurrenzrechtliche Einordnung der Bestechungstaten im geschäftlichen Verkehr rechtsfehlerhaft ist. Insoweit liegen nicht nur vier, sondern 41 in Tatmehrheit stehende Taten vor.
a) Die Strafkammer hat den Angeklagten nicht nur ohne Rechtsfehler wegen Steuerhinterziehung in drei - weiteren - Fällen (Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 2012) verurteilt, sondern auch den Tatbestand der Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 aF StGB) zu Recht als erfüllt angesehen. Den Feststellungen zufolge erbrachte die W. auf Scheinrechnungen über ihr nicht gewährte Beratungsleistungen in den Jahren 2011 bis 2014 Zahlungen an den Zeugen P., der bei einem Zementwerk für die Materialprüfung verantwortlich war und entscheidenden Einfluss auf die Einkaufsentscheidungen der Geschäftsführung hatte. Die vereinbarten Zahlungen dienten nach der Vorstellung des Angeklagten dazu, einen durch Konkurrenten ungestörten Absatzweg der von der W. gelieferten, aber nicht von ihr hergestellten Zuschlagsstoffe für die Zementproduktion zu gewährleisten (vgl. UA S. 31, 69). Damit liegen die Voraussetzungen des § 299 Abs. 2 aF StGB inklusive der erforderlichen Unrechtsvereinbarung vor. Denn die zum Zwecke des Wettbewerbs vorgenommenen Handlungen waren nach der Vorstellung des Täters geeignet, seine eigene Bevorzugung oder die eines Dritten im Wettbewerb zu veranlassen. Dies ist ausreichend, da es sich um ein subjektiviertes Tatbestandsmerkmal handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2015 - 1 StR 235/14 Rn. 55; Urteil vom 18. Juni 2003 - 5 StR 489/02 Rn. 23).
b) Die Zusammenfassung der Tatbeiträge des Angeklagten zu vier Fällen der Bestechung im geschäftlichen Verkehr, die auf einer jährlichen Bündelung der Zahlungsanweisungen beruht, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Da die Strafkammer infolgedessen in drei Fällen (auch) das Regelbeispiel des § 300 Satz 2 Nr. 1 StGB bejaht und straferschwerend gewertet hat (UA S. 77 f., 80), ist der Angeklagte hierdurch beschwert. Der Generalbundesanwalt weist zu Recht darauf hin, dass der Angeklagte bei den Zahlungen auf die insgesamt 41 Scheinrechnungen jeweils dadurch einen Tatbeitrag geleistet hat, dass er die von seiner Mitarbeiterin vorbereiteten Überweisungen unterschrieb (UA S. 32). Aufgrund der offenen Laufzeit der Vorteilsgewährung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 - 2 StR 339/08 Rn. 26 mwN) liegen daher 41 selbständige Taten des Angeklagten vor. Die von der Strafkammer hervorgehobene Tatsache, dass er die Zahlbeträge nicht bei jeder Unterschriftsleistung, sondern nur jährlich überprüfte, führt nicht zu nur vier Bestechungstaten. Denn unbeschadet der Aktivitäten seiner Mitarbeiterin sind für den Angeklagten als Täter dessen feststellbare individuelle Tatbeiträge entscheidend (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 25 Rn. 16, 48 mwN), die der Begleichung der jeweiligen Scheinrechnung dienten.
2. Der demnach veranlassten Schuldspruchänderung stehen die zu diesem Tatkomplex erhobenen Verfahrensrügen nicht entgegen, die zudem den Bestand der Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen für das Veranlagungsjahr 2012 nicht gefährden.
a) Die Revision rügt mit zwei zulässigen Inbegriffsrügen (§ 261 StPO), dass die in den Urteilsgründen festgestellten, von dem Zeugen P. herrührenden Rechnungsdaten und -summen wie auch die korrespondierenden, zum Teil um Skonti verminderten Zahlbeträge der W. nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden seien. Die gerügten Verfahrensfehler liegen vor. Denn das zu den 41 Scheinrechnungen angeordnete Selbstleseverfahren ist nicht abgeschlossen worden (§ 249 Abs. 2 Satz 3 StPO); Urkunden über die Zahlungsvorgänge waren ebenso wenig Gegenstand der Beweisaufnahme. Zugleich ist nicht davon auszugehen, dass der Angeklagte oder ein Zeuge die von den Rügen erfassten Umstände (jeweilige Daten und Beträge, vgl. Tabellen UA S. 33-35) auf Vorhalt hin aus eigener Erinnerung bestätigen konnte. Dagegen spricht, dass die Strafkammer insoweit auf die „im Rahmen des Urkundsbeweises eingeführten“ Rechnungen abgestellt hat (UA S. 70; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Februar 2016 - 1 StR 590/15).
b) Bei den Bestechungstaten beruht das Urteil auf diesen Verfahrensfehlern jedoch nicht, soweit es die Grundlagen des Schuldspruchs betrifft. Denn von diesen konnte sich die Strafkammer aufgrund anderer Beweismittel überzeugen. Die 41 Rechnungen mitsamt den darin ausgewiesenen Daten und Beträgen sind im konkreten Anklagesatz genannt (vgl. Anklage 35 Js 68/15 vom 7. August 2015, Bl. 3201 f. HA); der Vorsitzende hat zu zwei Rechnungen Korrekturhinweise erteilt (Bl. 356 PB II). Nach den Urteilsgründen hat sich der Angeklagte hierzu derart eingelassen, dass die „unter Punkt III.2. dargestellten Rechnungen tatsächlich leistungsunterlegt gewesen und die damit korrespondierenden Zahlungen durch die W. erfolgt seien“ (UA S. 61). Damit hat er den Erhalt der anklagegegenständlichen Rechnungen des Zeugen P. und jeweilige Zahlungen der W. gestanden. Ein hierauf bezogenes Geständnis konnte der Angeklagte - zumal bei der grundsätzlich monatlichen Rechnungstellung und seinen jährlichen Überprüfungen - aus eigenem Wissen abgeben.
Dieser Einlassung ist die Strafkammer gefolgt, „soweit es die Rechnungsstellung und Zahlung betrifft“ (UA S. 62). Hierbei hat sie sich zugleich auf die Aussagen der Zeugen P. und R. gestützt. Den an dieser Stelle ebenfalls erwähnten „eingeführten Urkunden“ kam nur noch eine untergeordnete Bedeutung zu (vgl. erst wieder UA S. 70), von der die Überzeugungsbildung der Strafkammer nicht mehr abhing. Dass die Zahlungen nicht leistungsunterlegt waren, hat sie ohnehin mit anderen Beweismitteln belegt. Damit ist ein Beruhen des Schuldspruchs - auch in Form der sachlichrechtlich veranlassten Korrektur - auf den nicht eingeführten Urkunden auszuschließen. Denn mit den sonstigen Beweismitteln hat sich das Landgericht von 41 Bestechungstaten des Angeklagten gegenüber dem Zeugen P. überzeugt. Einzig deren jeweiliger Schuldumfang steht aufgrund der insoweit durchgreifenden Inbegriffsrügen nicht fest, da die Höhe der einzelnen Zahlungen nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist.
c) Die verbliebenen Steuerdelikte sind von den Verfahrensfehlern, die mit den Inbegriffsrügen gerügt werden, nicht betroffen. Die Feststellungen, dass der Angeklagte für die W. aus den Rechnungen des Zeugen P. zu Unrecht Vorsteuern gezogen und Betriebsausgaben geltend gemacht hat, beruhen nach dem Gesagten schon auf anderen Beweismitteln. Auch die Höhe der aufgrund entsprechender Jahreserklärungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) verkürzten Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuern für das Veranlagungsjahr 2012 konnte das Landgericht auf ein Teilgeständnis des Angeklagten, Zeugenaussagen sowie die verlesenen Steuerunterlagen stützen (vgl. UA S. 70).
3. Der Schuldspruchänderung bei den Bestechungstaten steht § 265 StPO ebenso wenig entgegen. Denn der Angeklagte hätte sich bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung, wie sie auch der zugelassenen Anklage vom 7. August 2015 zugrunde lag, nicht anders als geschehen verteidigen können.
Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung der für die Bestechungstaten verhängten Einzelstrafen wie des ersten Gesamtstrafausspruchs nach sich. Die zugehörigen Feststellungen sind ebenfalls aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO). Infolge der insoweit erfolgreichen Inbegriffsrügen können schon die Feststellungen zu den Rechnungsinhalten und Zuwendungsbeträgen (Datum und Höhe gemäß den Tabellen UA S. 33-35) keinen Bestand haben.
Zum Zeitpunkt und zur Höhe dieser Zahlungen wird das neue Tatgericht ergänzende Feststellungen treffen, um - unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 14. September 2016 - 5 StR 315/16 Rn. 3; Paul in KK-StPO, 8. Aufl., § 331 Rn. 2a) - den festzusetzenden Einzelstrafen für die Bestechungstaten einen zutreffenden Schuldumfang zugrunde legen und bei der Gesamtstrafenbildung die Zäsurwirkung des Urteils des Landgerichts Bochum vom 30. Juni 2014 beachten zu können. Ergänzende Feststellungen dürfen den bisherigen, soweit aufrechterhalten, nicht widersprechen.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 351
Externe Fundstellen: StV 2020, 760
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede