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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1217

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 300/19, Beschluss v. 03.09.2019, HRRS 2019 Nr. 1217


BGH 1 StR 300/19 - Beschluss vom 3. September 2019 (LG Regensburg)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Tateinheit: Voraussetzungen einer Bewertungseinheit).

§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG; § 52 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Zwar werden sämtliche Betätigungen, die sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen, vom gesetzlichen Tatbestand in dem pauschalierenden, verschiedenartige Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden. Dabei ist jedoch entscheidend, dass sich die Bemühungen des Täters auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen. Eine Bewertungseinheit kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Betäubungsmittel aus einem einheitlichen Erwerbsvorgang stammen, aber auch dann, wenn Drogen aus verschiedenen Erwerbsvorgängen zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint werden. Demgegenüber kann allein der gleichzeitige Besitz verschiedener zum Handeltreiben bestimmter Mengen aus verschiedenen Liefervorgängen eine Bewertungseinheit nicht begründen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 7. März 2019 aufgehoben, wobei die Feststellungen bestehen bleiben.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und acht Monaten verurteilt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet sowie eine Entscheidung zum Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe getroffen. Die Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts rügt, erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der Angeklagte verwahrte am 25. März 2018 in dem Anhänger eines Kleintransporters vor seinem Wohnanwesen in Z. 67,5 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 6,64 Kilogramm THC sowie weitere 376,3 Gramm Marihuana an unterschiedlichen Orten im Wohnhaus auf. Bei dem Anwesen handelte es sich in Teilen um eine ehemalige Diskothek mit einem angrenzenden Wohnhaus, das auch im Kellerbereich eine große Anzahl von Räumlichkeiten besaß. Das - durch den Angeklagten auf unbekannte Weise beschaffte - Marihuana in dem Anhänger hatte der Angeklagte zuvor längere Zeit im Keller des Wohnanwesens in einem ehemals als Kühlraum genutzten Raum aufbewahrt. Zugleich baute der Angeklagte in einem weiteren Kellerraum mehrere Cannabispflanzen an, um daraus rauchfähiges Marihuana zu gewinnen. Am 25. März 2018 befanden sich in der voll funktionsfähigen Aufzuchtanlage 20 Pflanzen mit einer Wuchshöhe von 25 bis 50 cm sowie zwölf Setzlinge und 15 Keimlinge mit einem Gesamtgewicht von 62,04 Gramm und einem Wirkstoffgehalt von 0,43 Gramm THC. Das Marihuana war in vollem Umfang zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten bestimmt.

Vor der Tür zu dem Kellerraum, in dem der Angeklagte die Aufzuchtanlage betrieb, befand sich in einem Regal linksseitig des Zugangs ein Teleskopschlagstock. Der Angeklagte verwahrte den Schlagstock dort, um ihn gegebenenfalls gegen Personen und zur Verteidigung sämtlicher in den Kellerräumen befindlichen Betäubungsmittel - auch der zuvor auf den Anhänger und in den Kleintransporter geladenen Betäubungsmittel -, insbesondere aber zur Verteidigung der Aufzuchtanlage einsetzen zu können.

Der Angeklagte bewahrte zudem im Innenraum des Kleintransporters in einem Rucksack sowie in einem Stoffetui Amphetamin mit einer Wirkstoffgesamtmenge von 130 Gramm Amphetaminbase, das - jeweils als nicht geringe Menge - teilweise zum Eigenkonsum und teilweise zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war.

Das Landgericht hat in dem Anbau des Marihuanas und der Verwahrung des weiteren Marihuanas im Keller einen Teilakt des im Übrigen eine Bewertungseinheit bildenden unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gesehen und, da der Teleskopschlagstock im unmittelbaren Zusammenhang mit diesem Teilakt stehe, ein bewaffnetes Handeltreiben nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG angenommen.

II.

1. Der Schuldspruch wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat keinen Bestand. Die Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen einer Tat nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht.

Das Landgericht geht im Ansatz zwar zutreffend davon aus, dass es - sofern sich die Tat aus mehreren Einzelakten zusammensetzt - für den Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ausreicht, wenn der qualifizierende Umstand nur bei einem Einzelakt der Tat verwirklicht ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 StR 203/10 Rn. 4 und Urteil vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96 Rn. 9, BGHSt 43, 8, 10 f. mwN).

Allerdings hält die Annahme des Landgerichts, die (zunächst) an unterschiedlichen Stellen im Keller und in der Wohnung sowie später im Kleintransporter deponierten Betäubungsmittel sowie die angebauten Cannabispflanzen seien als eine einheitliche Gesamtmenge zu behandeln und es liege daher bezüglich aller Betäubungsmittel eine einheitliche Tat vor, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zwar werden sämtliche Betätigungen, die sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen, vom gesetzlichen Tatbestand in dem pauschalierenden, verschiedenartige Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden. Dabei ist jedoch entscheidend, dass sich die Bemühungen des Täters auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen. Eine Bewertungseinheit kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Betäubungsmittel aus einem einheitlichen Erwerbsvorgang stammen, aber auch dann, wenn Drogen aus verschiedenen Erwerbsvorgängen zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint werden. Demgegenüber kann allein der gleichzeitige Besitz verschiedener zum Handeltreiben bestimmter Mengen aus verschiedenen Liefervorgängen eine Bewertungseinheit nicht begründen (vgl. insgesamt BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 - 3 StR 487/16 Rn. 4 mwN).

Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich bei den Marihuana-Pflanzen und der erheblichen Menge Marihuana, die zunächst in einem anderen Kellerraum gelagert wurde, nicht um dieselbe Menge, zumal auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das gelagerte Marihuana aus der Aufzuchtanlage des Angeklagten stammte. Vielmehr liegt lediglich ein gleichzeitiger Besitz unterschiedlicher Mengen vor, der eine Bewertungseinheit nicht begründet.

2. Da die in der Aufzuchtanlage befindlichen Pflanzen lediglich einen Marihuanagehalt von 0,43 Gramm THC aufweisen und damit eine nicht geringe Menge hinsichtlich dieser Betäubungsmittel nicht vorliegt, kommt ein bewaffnetes Handeltreiben nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG lediglich hinsichtlich des übrigen im Keller gelagerten Marihuanas in Betracht. Ob auch insoweit der Qualifikationstatbestand erfüllt ist, kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, da Feststellungen zu der Lage des ehemals als Kühlraum genutzten Kellerraums fehlen.

III.

Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; erfasst wird auch die an sich rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Dies entzieht ohne Weiteres dem Strafausspruch und der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie der Entscheidung über den Vorwegvollzug die Grundlage.

Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich lediglich um einen Wertungsfehler handelt (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen können getroffen werden, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1217

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 24

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede