HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 76
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 267/19, Beschluss v. 22.08.2019, HRRS 2020 Nr. 76
1. Auf die Revision des Angeklagten R. wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 18. Dezember 2018
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in 13 Fällen der Beihilfe zum Betrug schuldig ist;
b) aufgehoben
aa) im gesamten den Angeklagten betreffenden Strafausspruch,
bb) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen
(1) hinsichtlich des Angeklagten, soweit die Einziehung eines Betrages in Höhe von mehr als 304.367,95 €, davon in Höhe von 183.946,05 € als Gesamtschuldner mit dem Mitangeklagten Z., angeordnet wurde;
(2) hinsichtlich des Mitangeklagten Z. - unter Erstreckung auf diesen -, soweit die Einziehung eines Betrages in Höhe von mehr als 354.563 €, davon in Höhe von 183.946,05 € als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten, angeordnet wurde.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es betreffend den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 334.367,95 € angeordnet, davon in Höhe von 213.946,05 € gesamtschuldnerisch haftend mit dem Mitangeklagten Z. Den nicht revidierenden Mitangeklagten Z. hat es wegen Beihilfe zum Betrug in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 384.563 € - davon in Höhe von 213.946,05 € als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten - angeordnet.
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat - hinsichtlich der Einziehung unter Erstreckung auf den Mitangeklagten Z. - in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützte der Angeklagte nicht identifizierte Hintermänner bei der Begehung von insgesamt 13 Betrugstaten, indem er für die Zahlungsabwicklung vier - auf die Namen anderer Personen, unter anderem den nicht revidierenden Mitangeklagten Z., „laufende“ - Konten zur Verfügung stellte und an der Vereinnahmung sowie Verteilung der betrügerisch erlangten Beträge mitwirkte. Durch die Unterstützung der Haupttäter wollte sich der Angeklagte eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang in Form der ihm für seine Mitwirkung versprochenen „Provisionen“ in Höhe von ca. 15-20 % der Beute verschaffen.
Die vom Angeklagten geförderten Haupttaten bestanden darin, dass die Hintermänner die Geschädigten in den Jahren 2014 und 2015 - meist telefonisch - kontaktierten und diesen gegenüber entweder wahrheitswidrig behaupteten, dass sie günstig Aktien erwerben und diese zeitnah zu einem deutlich höheren Preis an einen Investor weiterveräußern und damit einen erheblichen Gewinn erzielen könnten (Geschädigte B. und Be.), oder ihnen wahrheitswidrig vorspiegelten, dass für eine erforderliche Umschreibung von Aktien, deren Inhaber die Geschädigten waren, Kosten und Gebühren zu entrichten und auf das jeweils genannte Zielkonto zu überweisen seien (Geschädigte P. und Po.). Die Geschädigten überwiesen infolge der jeweiligen Täuschung irrtumsbedingt den jeweils angeforderten Betrag auf eines der vom Angeklagten benannten Zielkonten. Eine Gegenleistung erhielten die Geschädigten für ihre Überweisungen, wie von den Hintermännern von vornherein beabsichtigt, nicht.
Der Angeklagte sorgte seinerseits in Kenntnis des Umstands, dass es sich bei den auf den Zielkonten eingegangenen Überweisungen um Beträge aus von den Hintermännern begangenen Betrugstaten handelte, für den erforderlichen Informationsfluss zwischen den Hintermännern und den über die Zielkonten Verfügungsberechtigten. Insbesondere kündigte er die jeweils bevorstehenden Kontogutschriften an und teilte mit, wie mit den eingegangenen Beträgen weiter zu verfahren sei. Nach Eingang der Beträge auf den Zielkonten veranlasste er die Verteilung der Gelder, wobei er den nach Abzug der Provisionen verbleibenden Rest der Beträge meist über eigene Konten oder in bar - in den Fällen B.II.1.a. und b., B.II.2.a.aa. und bb., c.aa. und cc. sowie d., B.II.3.a., b. und c. der Urteilsgründe unter Einbindung des Mitangeklagten Z. - an die Hintermänner weiterleitete.
2. Das Landgericht hat die Unterstützungshandlungen des Angeklagten für die einzelnen Haupttaten zu jeweils einer Tat je Zielkonto zusammengefasst und ist auf dieser Grundlage von vier im Konkurrenzverhältnis der Tatmehrheit stehenden Beihilfetaten des Angeklagten ausgegangen. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen beim Angeklagten hat das Landgericht in Höhe der Beträge angeordnet, die zumindest vorübergehend auf dessen Konten gutgeschrieben oder in bar an diesen gelangt sind.
Die Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg.
1. Der Schuldspruch bedarf der Änderung, weil die vom Landgericht vorgenommene konkurrenzrechtliche Einordnung der Beihilfehandlungen Rechtsfehler aufweist. Zwar ist das Landgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte durch seine Unterstützungshandlungen zu 13 Haupttaten des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) Beihilfe geleistet hat. Die konkurrenzrechtliche Zusammenfassung der Tatbeiträge des Angeklagten zu vier Fällen der Beihilfe zum Betrug hält jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. März 2018 - 4 StR 75/17 Rn. 3 und vom 20. September 2016 - 3 StR 302/16 Rn. 6 sowie Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03 Rn. 20, BGHSt 49, 177, 182 f.). Maßgeblich ist hierbei der Umfang der Tatbeiträge des jeweiligen Beteiligten. Erfüllt er hinsichtlich aller oder einzelner Taten einer Serie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten, soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt, als tatmehrheitlich begangen (§ 53 StGB) zuzurechnen. Ob bei der akzessorischen Beihilfe Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen ist, hängt sowohl von der Anzahl der Beihilfehandlungen als auch von der Zahl der vom Gehilfen geförderten Haupttaten ab. Tatmehrheit ist danach anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbständige Haupttaten unterstützt werden. Dagegen liegt nur eine einzige Beihilfe vor, wenn der Gehilfe mit seiner Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines Anderen Hilfe leistet. Handlungseinheit liegt ferner vor, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. September 2018 - 2 StR 31/18 Rn. 29 mwN und vom 20. September 2016 - 3 StR 302/16 Rn. 6; Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03 Rn. 20, BGHSt 49, 177, 182 f.).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Angeklagte wegen 13 in Tatmehrheit stehenden Taten der Beihilfe zum Betrug strafbar.
Durch die Mitwirkung an der Vereinnahmung und Verteilung der von den Geschädigten jeweils überwiesenen Beträge leistete der Angeklagte zu den realkonkurrierenden Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen im Ausführungsstadium der jeweiligen Haupttat. Seine darüber hinausgehende, tatübergreifend alle Taten erfassende Mitwirkung im Vorbereitungsstadium dieser Haupttaten führt angesichts seines individuellen Tatbeitrags im Ausführungsstadium zu keiner anderen Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. September 2018 - 2 StR 31/18 Rn. 30; vom 12. März 2012 - 3 StR 436/11 Rn. 4; vom 28. Februar 2012 - 3 StR 435/11 Rn. 8 und vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08 Rn. 20; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 27 Rn. 31a; Haas in Matt/Renzikowski, StGB, § 27 Rn. 49).
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte hiergegen nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
2. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs nach sich. Die Feststellungen sind von der vom Landgericht vorgenommenen unzutreffenden konkurrenzrechtlichen Einordnung der Taten nicht betroffen und haben daher Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende, mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.
3. Auch die den Angeklagten betreffende Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit sie über die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 304.367,95 € hinausgeht.
a) Das Urteil leidet insoweit an einem Erörterungsmangel, weil das Landgericht den im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigten Umstand, dass der Angeklagte im Bemühen um Schadenswiedergutmachung einen Betrag von 30.000 € hinterlegt hat, bei der Frage des Umfangs der Einziehung des Wertes von Taterträgen nicht in den Blick genommen hat. Es hätte diesbezüglich erörtern müssen, ob der Angeklagte auf die Rückgabe des hinterlegten Betrags verzichtet hat. Denn die Hinterlegung unter Verzicht auf die Rückgabe steht der Erfüllung gleich (§§ 378, 376 Abs. 2 Nr. 1 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2012 - IX ZR 35/11 Rn. 14; Erman/Buck-Heeb, BGB, 15. Aufl., § 378 Rn. 1 mwN). Im Falle eines Verzichts auf die Rückgabe der hinterlegten 30.000 € wäre der Anspruch des hierdurch begünstigten Verletzten auf Ersatz des Betrugsschadens in dieser Höhe erloschen und eine Einziehungsanordnung gemäß § 73e Abs. 1 StGB insoweit ausgeschlossen.
b) Da nicht festgestellt ist, im Hinblick auf welchen Schadensersatzanspruch zu Gunsten welches Geschädigten der Betrag von 30.000 € hinterlegt wurde, und damit offen bleibt, ob die Hinterlegung dem Ausgleich eines Schadens dient, für den die gesamtschuldnerische Haftung des Mitangeklagten Z. angeordnet wurde, ist in Höhe des hinterlegten Betrags auch der Ausspruch über die Anordnung gesamtschuldnerischer Haftung aufzuheben.
c) Einer Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht; das neue Tatgericht wird allerdings ergänzende Feststellungen zur Hinterlegung des Betrags von 30.000 € durch den Angeklagten zu treffen haben, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen dürfen.
4. Gemäß § 357 Satz 1 StPO ist die Einziehungsentscheidung wegen der Gesamtwirkung einer Hinterlegung beziehungsweise Erfüllung nach § 422 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB auch hinsichtlich des Mitangeklagten Z. in Höhe eines von der Gesamtschuldanordnung umfassten Betrags von 30.000 € aufzuheben.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 76
Externe Fundstellen: NStZ 2020, 403
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede