HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 941
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 169/19, Beschluss v. 23.07.2019, HRRS 2019 Nr. 941
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 17. August 2018 - soweit es den Angeklagten betrifft - mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in zwei tatmehrheitlichen Fällen, wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen sowie wegen dirigierender Zuhälterei in drei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Der Mitangeklagte Z. wurde wegen derselben Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen beide Angeklagte hat das Landgericht gesamtschuldnerisch die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 19.957,50 Euro angeordnet.
Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
1. Die Revision hat mit der zulässig erhobenen Verfahrensrüge der Verletzung von § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO Erfolg.
a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:
Im Termin zur Hauptverhandlung vom 20. Juni 2018 unterbreitete das Landgericht - nach einer Vorbesprechung mit den Verfahrensbeteiligten in einer Sitzungspause - in der Hauptverhandlung einen Verständigungsvorschlag, der entsprechend protokolliert wurde. Das Landgericht wies darauf hin, dass eine Einlassung der Angeklagten im Termin vom 11. Juli 2018 erwartet wird, falls der Verständigungsvorschlag des Gerichts akzeptiert werden sollte.
In den folgenden Hauptverhandlungsterminen vom 11. Juli 2018 und vom 13. Juli 2018 finden sich keine Erklärungen des Angeklagten zur Sache und dazu, ob er dem Verständigungsvorschlag der Kammer zustimmt. Der Angeklagte wurde aber am 11. Juli 2018 gemäß § 257c Abs. 4 und 5 StPO belehrt.
Im weiteren Hauptverhandlungstermin vom 6. August 2018 machte der Angeklagte Angaben zur Sache. Es ergingen dann verschiedene rechtliche Hinweise und das Landgericht hat mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft durch Beschluss Verfahrensbeschränkungen nach § 154a Abs. 2 StPO und nach § 154 Abs. 2 StPO vorgenommen.
Im folgenden Hauptverhandlungstermin am 10. August 2018 erklärte der Verteidiger des Angeklagten, dass die im letzten Hauptverhandlungstermin abgegebene Erklärung zur Sache im Rahmen des Verständigungsvorschlags des Gerichts abgegeben wurde. Anschließend erklärte die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft, dass dem Verständigungsvorschlag der Kammer zugestimmt wird. Eine Zustimmung des Angeklagten zum Verständigungsvorschlag des Gerichts ist nicht erfolgt.
Das Landgericht ist im Urteil (UA S. 6) hinsichtlich beider Angeklagter von einer wirksamen Verständigung gemäß § 257c StPO entsprechend dem Vorschlag des Gerichts vom 20. Juni 2018 ausgegangen.
b) Damit wurde gegen § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO verstoßen, da keine wirksame Verständigung zu Stande kam, weil der Angeklagte dem Vorschlag des Gerichts nicht zugestimmt hat.
Die Regelung des § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO gestattet eine Verständigung nur nach dieser Vorschrift. Danach kommt eine Verständigung in der Hauptverhandlung zustande, wenn das Gericht ankündigt, wie die Verständigung aussehen könnte (§ 257c Abs. 3 Satz 1 StPO), und wenn der Angeklagte sowie die Staatsanwaltschaft zustimmen (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO). Eine solche Zustimmung bewirkt das formwirksame Zustandekommen der Verständigung. Sie ist als gestaltende Prozesserklärung unanfechtbar und unwiderruflich (BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11, BGHSt 57, 273 Rn. 13 f.). Die Zustimmung zum Verständigungsvorschlag muss deshalb - nicht zuletzt wegen der Bindungswirkung - ausdrücklich erfolgen. Eine nur konkludente Erklärung des Angeklagten reicht hierzu nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2016 - 5 StR 39/16, NStZ-RR 2017, 87; Urteil vom 14. Mai 2014 - 2 StR 465/13 Rn. 8; Jahn/Kudlich in MüKo-StPO, 2016, § 257c Rn. 143; Moldenhauer/Wenske in: KK-StPO, 8. Aufl. 2019, § 257c Rn. 25).
Ein solcher Ablauf hat nach dem durch das Protokoll der Hauptverhandlung belegten Vortrag des Beschwerdeführers nicht stattgefunden. Zwar hat die Vertreterin der Staatsanwaltschaft ausdrücklich dem Verständigungsvorschlag des Gerichts zugestimmt, die für das Zustandekommen der Verständigung notwendige weitere Zustimmungserklärung des Angeklagten ist aber nicht abgegeben worden. Auch aus der Erklärung des Verteidigers vom 10. August 2018 kann eine solche ausdrückliche und eindeutige Zustimmung nicht abgeleitet werden, da hierdurch nur klargestellt wird, dass die Einlassung des Angeklagten auch im Rahmen des Verständigungsvorschlags erfolgt ist. Die dienstlichen Stellungnahmen der Berufsrichter reichen insoweit nicht.
2. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf der fehlenden Zustimmung des Angeklagten beruht. Das Geständnis des Angeklagten kann durch das rechtsfehlerhafte Verfahren zur Verständigung beeinflusst sein.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 941
Externe Fundstellen: NJW 2020, 81; NStZ 2019, 688; StV 2021, 7
Bearbeiter: Christoph Henckel