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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1045

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 556/18, Beschluss v. 25.07.2019, HRRS 2019 Nr. 1045


BGH 1 StR 556/18 - Beschluss vom 25. Juli 2019 (LG Arnsberg)

Umsatzsteuerhinterziehung (unterlassene Umsatzsteuervoranmeldung als mitbestrafte Vortat einer unvollständigen Umsatzsteuerjahreserklärung); Selbstanzeige (Sperrgrund der Umsatzsatzsteuernachschau: Entfallen bei Nichtentdeckung der Tat im Rahmen der Nachschau).

§ 370 Abs. 1 AO; § 18 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AO; § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. e) AO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Das Verhältnis zwischen Umsatzsteuervoranmeldung und Umsatzsteuerjahreserklärung ist auch für die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) und die Abgabe einer unvollständigen und daher unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) eines der Gesetzeskonkurrenz in Form der mitbestraften Vortat.

2. Diese Umsatzsteuernachschau ist nach § 371 Abs. 2 Nr. 1e AO für die Wirksamkeit von Selbstanzeigen ein Sperrgrund. Der Sperrgrund entfällt nur dann, wenn die Taten des Angeklagten bei dieser Nachschau nicht entdeckt wurden.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 6. Juni 2018 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in zehn Fällen sowie der versuchten Steuerhinterziehung schuldig ist. Die Einzelstrafen für die Taten Ziffer II. A. 1 bis 3 der Urteilsgründe entfallen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1. Das Landgericht hat den Angeklagten unter Einbeziehung einer weiteren Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in 13 Fällen sowie wegen versuchter Steuerhinterziehung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge geführten Revision.

Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Insoweit wird ebenfalls auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts Bezug genommen.

2.

Der Senat hat in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch geändert, weil die von der Strafkammer abgeurteilten Steuerhinterziehungen durch die pflichtwidrig für die Monate August bis Oktober 2012 (Taten Ziffer II. A. 1 bis 3) nicht abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen für die F. GmbH gegenüber der Steuerhinterziehung wegen der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung 2012 als mitbestrafte Vortaten zurücktreten.

a) Das Verhältnis zwischen Umsatzsteuervoranmeldung und Umsatzsteuerjahreserklärung ist auch für die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) und die Abgabe einer unvollständigen und daher unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) eines der Gesetzeskonkurrenz in Form der mitbestraften Vortat (vgl. zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärung des nämlichen Jahres jeweils durch positives Tun im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2018 - 1 StR 7/18 Rn. 8; zur Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung des nämlichen Jahres - jeweils Unterlassen im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO - Urteil vom 13. Juli 2017 - 1 StR 536/16 Rn. 50 ff.).

b) Die Strafbarkeit dieser Vortaten ist nicht bereits durch Selbstanzeigen wieder entfallen. Zwar hat der Angeklagte die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate August bis Oktober 2012 im Februar 2013 nachgeholt und die noch offene Umsatzsteuer nachentrichtet. Er hat allerdings lediglich für September 2012 eine vollständige Umsatzsteuervoranmeldung abgegeben, nicht aber für die Monate August und Oktober 2012, so dass für diese beiden Monate nur den Hinterziehungsbetrag reduzierende Teilselbstanzeigen vorliegen können.

Mit Wirkung vom 1. Januar 2015 hat der Gesetzgeber (BGBl. I S. 2415) die Zulässigkeit einer Teilselbstanzeige für Umsatzsteuervoranmeldungen eingeführt (§ 371 Abs. 2a AO), soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung begangen worden ist. Straffreiheit tritt dann bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt.

Der Angeklagte hat die Korrekturen seiner Umsatzsteuervoranmeldungen vor Inkrafttreten dieser Vorschrift abgegeben. Grundsätzlich ist für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige das bei ihrer Einreichung geltende Recht maßgeblich. § 371 AO i.d.F. vom 28. April 2011 (Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung - Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) sah für solche ab Inkrafttreten dieses Gesetzes abgegebene Teilselbstanzeigen keine Straffreiheit vor. Jedoch wollte der Gesetzgeber auch vor Inkrafttreten des § 371 Abs. 2a AO eingereichte Selbstanzeigen von der Sperrwirkung des § 371 AO i.d.F. vom 28. April 2011 wieder ausnehmen. Bereits vor dem 1. Januar 2015 für Taten abgegebene Selbstanzeigen, die noch nicht rechtskräftig abgeurteilt wurden, sind daher an dieser für den Betroffenen günstigeren Regelung zu messen (vgl. BT-Drucks. 18/3439 S. 7; Klein/Jäger, AO, 14. Aufl., § 371 Rn. 39).

Nach den Feststellungen des Urteils wurde für die F. GmbH Ende 2012 eine Umsatzsteuernachschau durchgeführt (UA S. 9, 26).

Diese Umsatzsteuernachschau war nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO aF und ist nach § 371 Abs. 2 Nr. 1e AO nF für die Wirksamkeit von Selbstanzeigen ein Sperrgrund. Der Sperrgrund entfällt nur dann, wenn die Taten des Angeklagten bei dieser Nachschau nicht entdeckt wurden. Die Strafkammer stellt in Bezug auf die unterlassenen Umsatzsteuervoranmeldungen allerdings fest, dass im Rahmen der Umsatzsteuernachschau aufgefallen ist, dass der Angeklagte für die Monate August bis Oktober 2012 keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben hatte, obwohl die GmbH steuerpflichtige Umsätze getätigt hatte und deshalb die Voranmeldungen im Februar 2013 nachgeholt wurden (UA S. 9). Damit aber waren die Taten entdeckt.

c) Die Schuldsprüche und Einzelstrafen für die Taten Ziffer II. A. 1 bis 3 der Urteilsgründe entfallen daher nur deswegen, weil es sich bei den zugrundeliegenden Taten um zwar strafbare, aber mitbestrafte Vortaten handelt.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1045

Bearbeiter: Christoph Henckel