hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 11

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 452/18, Beschluss v. 24.10.2018, HRRS 2019 Nr. 11


BGH 1 StR 452/18 - Beschluss vom 24. Oktober 2018 (LG Hechingen)

Rücktritt von der Verabredung eines Verbrechens (ausnahmsweise möglicher Rücktritt durch Nicht-Weiterhandeln).

§ 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB; § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Die Voraussetzungen für den Rücktritt von der Verbrechensverabredung nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB entsprechen denjenigen des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB; in beiden Fällen wird der Täter straflos, wenn er die Tat freiwillig verhindert. Die Verhinderung setzt zwar in der Regel ein aktives, auf Verhinderung der Tatvollendung abzielendes Verhalten des Täters voraus; bloßes Nicht-Weiterhandeln reicht aber aus, wenn sämtliche Tatbeteiligte dahin übereinkommen, von der Tat (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB) oder von ihrer Vollendung (§ 24 Abs. 2 Satz 1 StGB) abzusehen (vgl. BGHSt 42, 158, 162).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 7. Mai 2018 - unter Erstreckung gemäß § 357 StPO auf die nicht revidierenden Mitangeklagten K. und R. - aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte und die Mitangeklagten im Fall 15 der Urteilsgründe wegen Verabredung zum schweren Bandendiebstahl verurteilt worden sind,

b) im Gesamtstrafenausspruch.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten M. als Mittäter neben den ebenfalls verurteilten nicht revidierenden Mitangeklagten K. und R. wegen schweren Bandendiebstahls in acht Fällen, wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen und wegen Verabredung zum schweren Bandendiebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten K. hat es wegen schweren Bandendiebstahls, wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in vier Fällen und wegen Verabredung zum schweren Bandendiebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten, den ebenfalls nicht revidierenden Mitangeklagten R. wegen schweren Bandendiebstahls und wegen Verabredung zum schweren Bandendiebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit Blick auf das durch die Taten jeweils Erlangte hat das Landgericht die Einziehung des Wertes der Taterträge angeordnet.

Die Revision des Angeklagten M., mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Die erhobenen Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen nicht durch.

II.

Mit Ausnahme von Fall 15 der Urteilsgründe halten Schuldspruch und Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung stand; die zugrunde liegenden Feststellungen beruhen auf einer tragfähigen Beweiswürdigung.

III.

Die Verurteilung im Fall 15 der Urteilsgründe wegen Verabredung zu einem Verbrechen des schweren Bandendiebstahls hat dagegen keinen Bestand. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts, die Angeklagten hätten die weitere Ausführung der verabredeten Tat nicht freiwillig aufgegeben oder verhindert und seien daher nicht strafbefreiend von der Verbrechensverabredung zurückgetreten, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlossen sich die Angeklagten M., K., R. sowie weitere Personen vor dem 19. August 2011 zusammen, um fortlaufend in teilweise wechselnder Besetzung von Polen nach Deutschland zu reisen, um hier Einbruchdiebstähle - schwerpunktmäßig in Parfümerie- und Fahrradgeschäfte - zu begehen und das Diebesgut in Polen zu veräußern, um hieraus ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Im Rahmen dieser Bandenabrede kamen die Angeklagten M., K. und R. in den Tagen vor dem 27. Oktober 2017 überein, in Me. gewaltsam in ein Firmengebäude einzudringen und Waren zu entwenden. Zu diesem Zweck mieteten sie (erneut) ein Transportfahrzeug an und fuhren nach Me., wo sie am 27. Oktober 2017 gegen 2.30 Uhr ankamen und ein Fahrradgeschäft sowie Parfümerien auskundschafteten. Aus „nicht näher bekannten Gründen“ (UA S. 11) konnte die Ausführung der verabredeten Tat jedoch nicht erfolgen. Die Angeklagten wurden, kurz nachdem sie von Me. losfahren wollten, vorläufig festgenommen.

2. Die getroffenen Feststellungen tragen die hierauf vom Landgericht gestützte Annahme, der Ausführung der verabredeten Tat hätten „objektive Gründe“ entgegengestanden, weshalb die Aufgabe der Tatausführung nicht auf „autonomen“ Gründen beruht habe und damit „ein freiwilliges Aufgeben oder Verhindern der Tatausführung“ nicht vorliege (UA S. 12), nicht.

a) Die Feststellungen zu den Gründen für die Abstandnahme der Angeklagten von der weiteren Tatbegehung sind lückenhaft.

Die Voraussetzungen für den Rücktritt von der Verbrechensverabredung nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB entsprechen denjenigen des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB; in beiden Fällen wird der Täter straflos, wenn er die Tat freiwillig verhindert. Die Verhinderung setzt zwar in der Regel ein aktives, auf Verhinderung der Tatvollendung abzielendes Verhalten des Täters voraus; bloßes Nicht-Weiterhandeln reicht aber aus, wenn sämtliche Tatbeteiligte dahin übereinkommen, von der Tat (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB) oder von ihrer Vollendung (§ 24 Abs. 2 Satz 1 StGB) abzusehen (BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 - 1 StR 51/96, BGHSt 42, 158, 162; Beschluss vom 7. September 2016 - 1 StR 202/16, NStZ-RR 2016, 367 f.).

b) Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Das Landgericht hat zu den Gründen, die die Angeklagten zur Aufgabe der Tatausführung bewegt haben, lediglich festgestellt, dass diese „nicht näher bekannt“ seien.

Auf dieser Grundlage zu folgern, dass es an der nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB für einen strafbefreienden Rücktritt von der Verbrechensverabredung erforderlichen freiwilligen Verhinderung der Tat gefehlt habe, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Denn mangels näherer Kenntnis der Gründe der Angeklagten für die Aufgabe des Tatplans und der verabredeten Tatbegehung ist gerade nicht auszuschließen, dass nach dem insoweit maßgeblichen Vorstellungsbild der Angeklagten eine Durchführung des verabredeten schweren Bandendiebstahls (§ 244a Abs. 1 StGB) objektiv noch ohne Weiteres möglich gewesen wäre und daher eine freiwillig getroffene Übereinkunft der Angeklagten, von der verabredeten Tatbegehung abzusehen, vorlag. Mit dem Vorstellungsbild der Angeklagten, das entscheidend für die Frage der Freiwilligkeit ist, hat sich das Landgericht nicht auseinander gesetzt.

3. Die Sache bedarf daher insoweit neuer tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung.

Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht. Es kann indes nicht ausgeschlossen werden, dass vom neuen Tatrichter weitere Feststellungen getroffen werden können, die die Annahme einer freiwilligen Verhinderung der Tat (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB) tragen oder ausschließen. Das Landgericht kann daher weitere Feststellungen treffen, die mit den bisherigen Feststellungen - insbesondere zu den Gründen für die Aufgabe der verabredeten Tatausführung durch die Angeklagten - nicht in Widerspruch stehen.

4. Die Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs ist gemäß § 357 StPO auf die nicht revidierenden Mitangeklagten K. und R. zu erstrecken, soweit diese im Fall 15 ebenfalls wegen Verabredung zum schweren Bandendiebstahl verurteilt worden sind. Auch deren Verurteilung beruht - ebenso wie die Verurteilung des Angeklagten M. - auf einer unzureichenden Auseinandersetzung mit dem Vorstellungsbild der Mitangeklagten bei Aufgabe der verabredeten Tatbegehung und damit der nicht tragfähigen Annahme, es fehle an einer freiwilligen Verhinderung der Tatbegehung.

Die Aufhebung der im Fall 15 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafen nach sich.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 11

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede