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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1223

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 363/18, Beschluss v. 24.07.2019, HRRS 2019 Nr. 1223


BGH 1 StR 363/18 - Beschluss vom 24. Juli 2019 (LG Neuruppin)

Gerichtliche Hinweispflicht (erforderlicher Hinweis auf eine mögliche Aberkennung der Wählbarkeit und der Amtsfähigkeit); Einziehung (verkürzte Steuer als erlangtes Etwas bei Steuerhinterziehung).

§ 265 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StPO; § 45 Abs. 2 StGB; § 73 StGB; § 370 Abs. 1 AO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Nach § 265 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 StPO ist das Gericht zu einem Hinweis verpflichtet, wenn sich erst in der Verhandlung besonders vorgesehene Umstände ergeben, die die Möglichkeit einer Aberkennung der Wählbarkeit und Amtsfähigkeit ergeben.

2. Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „erlangtes Etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter Aufwendungen für diese Steuern erspart (st. Rspr.). Dies gilt jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung an einen durch die Tat tatsächlich beim Täter eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft und damit mehr als die bloße Tatbestandserfüllung voraussetzt. Offene Steuerschulden begründen nicht stets über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen einen Vorteil im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Maßgeblich bleibt immer, dass sich ein Vorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt. Nur dann hat der Täter durch die ersparten Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 16. Februar 2018

a) im Ausspruch über die Aberkennung der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit des Angeklagten W.,

b) im Ausspruch über die Einziehung von Taterträgen mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

2. Ihre weitergehenden Revisionen werden als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Es hat ihm das Recht, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, für die Dauer von drei Jahren aberkannt. Den Angeklagten R. hat es wegen Steuerhinterziehung sowie wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt hat. Es hat zudem die Einziehung von Taterträgen in Höhe von 516.478,15 Euro gegen die Angeklagten als Gesamtschuldner angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte W. mit zwei Verfahrensrügen und der allgemeinen Sachrüge, der Angeklagte R. mit der Sachrüge, mit der er sich insbesondere gegen die Einziehung wendet. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der Angeklagte R. erklärte sich gegenüber unseriösen Geschäftsleuten in Polen im Jahr 2012 bereit, zukünftig am Transport von jeweils 15.000 Stangen unversteuerter und unverzollter Zigaretten aus Osteuropa nach Großbritannien mitzuwirken. Seine Aufgabe sollte dabei darin bestehen, ein seriös wirkendes Transportunternehmen als Fassade für einen legal wirkenden Geschäftsbetrieb bereit zu stellen. Dieses Transportunternehmen sollte den Transport aus den Beneluxstaaten nach Großbritannien übernehmen. Hierfür wurde ihm ein Euro pro Zigarettenstange als Verdienst versprochen. Der Angeklagte R. kontaktierte den Angeklagten W., der über Erfahrungen im Speditionsgewerbe verfügte und die beiden kamen überein, gleichberechtigt diese Transporte der guten Verdienstmöglichkeiten wegen abzuwickeln. Sie gewannen den Fahrer K. und den mit W. bekannten C., der bereit war, sich als Halter für den von den Polen zur Verfügung gestellten LKW eintragen zu lassen, dabei jedoch nicht über den illegalen Hintergrund informiert war.

a) Der Angeklagte R. fälschte auf drei den LKW betreffenden Versicherungsanträgen die Unterschrift des C., der davon keine Kenntnis hatte. Diese Anträge auf Abschluss von Kraftfahrtversicherungen legte er zusammen der Versicherungsmaklerin vor, um die erforderlichen Pflichtversicherungen zu erhalten.

b) In Umsetzung des Tatplans der Angeklagten und auf deren Weisung nahm der Fahrer K. am 7. März 2013 in Belgien zunächst einige wenige Paletten Gläser als Ladung auf, die als Tarnung für die Zigaretten dienen sollten. Er fuhr sodann in die Niederlande, wo er auf Beauftragte der polnischen Hinterleute traf, die den LKW mit 2.939.220 Stück unverzollter und unversteuerter Zigaretten der Marken MG, Jin Ling und Dodger beluden. Diese waren zuvor auf unbekanntem Wege in die Niederlande verbracht worden. Anschließend fuhr K. zum belgischen Fährhafen O., um dort die vom Angeklagten W. für ihn gebuchte Fähre nach Großbritannien zu erreichen. Dabei wusste der in die Planung eingebundene K. um seine Verpflichtung zur Versteuerung. Aber weder er noch die Angeklagten, die den Transport mit „Rat und Tat“ begleiteten, gaben für die Zigaretten eine Steuererklärung bei den zuständigen niederländischen Behörden ab. Nach der Überfahrt wurde der LKW im Zielhafen Ra. kontrolliert, wobei die Zigaretten sichergestellt wurden.

Zu den geplanten weiteren Taten kam es nicht mehr.

2. Das Landgericht hat die Tat zu 1.a) als durch den Angeklagten R. begangene einheitliche Urkundenfälschung bewertet. Hinsichtlich der Tat zu 1.b) - die Strafverfolgung war insoweit auf die Hinterziehung niederländischer Tabaksteuer beschränkt worden - hat es eine durch mittäterschaftliches Handeln beider Angeklagten begangene Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Abs. 6 und 7 AO angenommen. Auf der Grundlage der einschlägigen niederländischen Verbrauchssteuergesetze ist es davon ausgegangen, dass die niederländische Tabaksteuer in Höhe von 516.478,15 Euro mit der Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt am 7. März 2013, wodurch die Zigaretten in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wurden, entstanden ist, sowohl von K. als auch von den am Transport mittäterschaftlich beteiligten Angeklagten geschuldet wurde und umgehend hätte erklärt werden müssen.

II.

1. Die Revisionen haben zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Erfolg.

a) Soweit sich der Angeklagte W. mit einer Verfahrensrüge der Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens in Verbindung mit § 154 Abs. 2 StPO gegen den Schuldspruch richtet, hat diese Rüge aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgeführten Gründen keinen Erfolg.

b) Die Überprüfung auf die von beiden Angeklagten erhobene Sachrüge zeigt ebenfalls keinen die Angeklagten belastenden Rechtsfehler auf.

Die Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten beruht tragfähig vor allem auf den geständigen Angaben des Angeklagten R. und der aussagekräftigen Auswertung der Telekommunikation.

Auch die Strafzumessung zeigt keinen Rechtsfehler auf.

2. Die von der Strafkammer getroffene Einziehungsentscheidung hält jedoch sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.

Auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 11. Juli 2019 - 1 StR 620/18), die der Entscheidung des Landgerichts nachfolgte und daher nicht berücksichtigt werden konnte, gilt Folgendes:

Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „erlangtes Etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter Aufwendungen für diese Steuern erspart (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 11. Juli 2019 - 1 StR 620/18 Rn. 19 mwN und vom 18. Dezember 2018 - 1 StR 36/17 Rn. 18 mwN; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73 Rn. 20; Köhler, NStZ 2017, 497, 503 f.). Dies gilt jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung an einen durch die Tat tatsächlich beim Täter eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft und damit mehr als die bloße Tatbestandserfüllung voraussetzt (BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 - 1 StR 620/18 Rn. 19).

Im Hinblick auf den Charakter der Tabaksteuer als Verbrauch- bzw. Warensteuer ergibt sich ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren, auf die sich die Hinterziehung der Tabaksteuern bezieht, einen Vermögenszuwachs erzielt, beispielsweise in Form eines konkreten Vermarktungsvorteils (BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 - 1 StR 620/18 Rn. 20). Offene Steuerschulden begründen hingegen nicht stets über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen einen Vorteil im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Maßgeblich bleibt immer, dass sich ein Vorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt. Nur dann hat der Täter durch die ersparten Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt.

Gemessen an diesen Grundsätzen haben die Angeklagten durch die Taten keinen wirtschaftlichen Vorteil in Höhe von 516.478,15 Euro durch die Hinterziehung von Tabaksteuer erzielt, weil sich die im Wert der Tabakwaren verkörperte Steuerersparnis nicht in ihrem Vermögen in irgendeiner Form widerspiegelt.

Das neu zuständige Tatgericht wird zu klären haben, ob die Angeklagten die zugesagte Entlohnung erhalten haben. Hierzu wird es ergänzende Feststellungen zu treffen haben, denn das Urteil enthält bislang zwar die den Erhalt einer Entlohnung leugnende Einlassung des Angeklagten R. Dies lässt allerdings auch angesichts von aufgeführten Vergütungen für Transporte an den Angeklagten W. in Höhe von 2.600 Euro nicht den sicheren Schluss zu, dass solche Zahlungen tatsächlich nicht erfolgt sind. Sollte eine Entlohnung festgestellt werden können, unterläge diese der Einziehung.

3. Die verhängte Folge als Nebenstrafe nach § 375 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 45 Abs. 2 StGB (vgl. Heine in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 375 AO Rn. 1 mwN; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, AO/FGO, 231. Lieferung Rn. 8; MüKo/Radtke, StGB, 3. Aufl., § 45 Rn. 7) hat ebenfalls keinen Bestand, da der Angeklagte W. eine in diesem Umfang durchgreifende Verfahrensrüge der Verletzung der Hinweispflicht erhoben hat.

a) Der zulässig erhobenen Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

In der Anklageschrift vom 1. Juni 2017 hat die Möglichkeit einer solchen Nebenfolge keine Erwähnung gefunden. Der Angeklagte W. ist nachfolgend, nämlich ab dem 26. Oktober 2017 als sog. Nachrücker Abgeordneter des Landtags in B. geworden. Auf die Möglichkeit der Aberkennung des Amtsverlusts und der Wählbarkeit war der Angeklagte auch durch das Gericht nicht hingewiesen worden. Erstmals im Plädoyer der Staatsanwaltschaft wurden diese Folgen beantragt, ohne dass sich das Gericht dazu verhalten hätte. Die Strafkammer hat sodann im Urteil diese in ihrem Ermessen stehende Nebenfolge angeordnet und dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass die Tat trotz des zeitlichen Abstands eine charakterliche Ungeeignetheit für die derzeit ausgeübte Abgeordnetentätigkeit belege und sich die darin zu Tage getretene Unrechtsschwere auf die nunmehrige Abgeordnetentätigkeit auswirke.

b) Diese Verfahrensweise beanstandet die Revision zu Recht.

Angesichts der Umstände des vorliegenden Einzelfalls liegt in der gerügten Verfahrensweise bereits ein Verstoß gegen § 265 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 StPO in der Fassung des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202, 3210), in Kraft getreten zum 24. August 2017. Nach dieser Vorschrift ist das Gericht zu einem Hinweis verpflichtet, wenn sich erst in der Verhandlung besonders vorgesehene Umstände ergeben, die die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen. So liegt es hier.

Der Senat braucht daher hier nicht zu entscheiden, ob sich eine Hinweispflicht auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 265 Abs. 2 StPO ergeben kann (vgl. hierzu nur Radtke in Hohmann/Radtke, StPO, § 265 Rn. 87 mwN).

aa) Die Erweiterung der Hinweispflichten durch die Neufassung des § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO soll nach dem niedergelegten gesetzgeberischen Willen dazu dienen, die Hinweispflicht im Interesse der Verteidigung auf solche Fälle zu erstrecken, in denen nachträglich die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge in Betracht kommt. Denn auch die Verhängung von Nebenstrafen und Nebenfolgen können in ihren Konsequenzen für den Angeklagten und sein Verteidigungsverhalten erheblich sein, so dass auch insofern eine Hinweispflicht geboten erscheine. Dies diene vor dem Hintergrund des Rechts des Angeklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und des rechtsstaatlichen Grundsatzes des fairen Verfahrens der Sicherung einer sachgemäßen Verteidigung des Angeklagten (BT-Drucks. 18/11277, S. 36 f.; vgl. hierzu Senat, Beschlüsse vom 6. Dezember 2018 - 1 StR 186/18 Rn. 18 und vom 26. April 2019 - 1 StR 471/18 Rn. 13).

bb) Ausweislich der sich aus den Urteilsgründen ergebenden Begründung für die Verhängung der Nebenstrafe war maßgeblicher rechtfertigender Anknüpfungspunkt die Tätigkeit des Angeklagten als Landtagsabgeordneter. Der Umstand, dass der Angeklagte zur Zeit des Urteils als Landtagsabgeordneter tätig war, war zudem bestimmend für das Gewicht der Nebenstrafe, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat. Dabei handelt es sich um einen tatsächlichen Umstand, der in der Anklageschrift noch keine Erwähnung finden konnte, sondern sich erst in der Verhandlung als nachträgliche Tatsache ergeben hat, die die Notwendigkeit der Anordnung der Nebenstrafe aus Sicht der Strafkammer begründet hat.

Auch der Generalbundesanwalt legt in seiner Antragsschrift dar, dass die sinngemäße Anwendung des § 265 StPO auf den Fall des § 45 Abs. 2 StGB gerechtfertigt wäre, wenn sich aus dem Katalog des § 265 Abs. 2 StPO ergäbe, dass der Gesetzgeber Nebenfolgen für so einschneidend erachtet, dass sie ohne vorherigen Hinweis nicht angeordnet werden dürften. Er geht aber davon aus, dass insoweit nur Nebenstrafen und Maßregeln erfasst seien, was einerseits den aktuellen Gesetzestext nicht widerspiegelt, andererseits den Charakter der Nebenfolge des § 375 Abs. 1 AO, § 45 Abs. 2 StGB als Nebenstrafe (Heine aaO) unbeachtet lässt.

cc) Die frühere Rechtsprechung, die eine Hinweispflicht verneinte (BGH, Urteil vom 5. März 1969 - 4 StR 610/68, BGHSt 22, 336, 337 f.; Beschluss vom 8. Mai 1980 - 4 StR 172/80, BGHSt 29, 274, 277) ist damit überholt (vgl. KK-StPO/Kuckein/Bartel, 8. Aufl., § 265 Rn. 16a; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 265 Rn. 20a).

dd) Der danach erforderliche Hinweis auf eine mögliche Aberkennungsentscheidung hätte durch das Gericht förmlich erteilt werden müssen, da § 265 Abs. 2 StPO nunmehr ausdrücklich auf die in § 265 Abs. 1 StPO normierte besondere Hinweispflicht verweist (BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 2018 - 1 StR 186/18 Rn. 18 und vom 26. April 2019 - 1 StR 471/18 Rn. 13; vgl. zu § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO BGH, Beschluss vom 14. Juni 2018 - 3 StR 206/18 Rn. 15). Der Hinweis kann deswegen nicht durch den entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft im Schlussvortrag ersetzt werden (BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 2018 - 1 StR 186/18 Rn. 18 und vom 26. April 2019 - 1 StR 471/18 Rn. 13; OLG Koblenz, Beschluss vom 27. Juni 2018 - 2 OLG 6 Ss 28/18 Rn. 8).

ee) Der Senat kann auch ein Beruhen des Urteils auf diesem Verstoß nicht ausschließen. Schon allein in Anbetracht des Umstands, dass die Aberkennung der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit nach § 375 Abs. 1 AO, § 45 Abs. 2 StGB im Ermessen des Gerichts steht, liegt nahe, dass die Verteidigung auf die Entscheidung hätte Einfluss nehmen können, hätte sie gewusst, dass eine solche in Betracht kommt. Dies gilt zumal, da die auf diese Vorschriften gestützte Nebenstrafe überaus selten angeordnet wird (vgl. hierzu Flore/Tsambikakis/Ebner, Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 375 Rn. 3; Heine aaO Rn. 1, 9), mithin gerade auch angesichts des Zeitablaufs zwischen Tat und Abgeordnetentätigkeit tatsächlich als überraschend gelten muss.

Das neu zuständige Tatgericht wird daher erneut über die Frage zu entscheiden haben, ob eine Nebenstrafe nach § 375 Abs. 1 AO, § 45 Abs. 2 StGB angeordnet werden soll.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1223

Externe Fundstellen: NStZ 2020, 47

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede