HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 1055
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 397/17, Beschluss v. 15.08.2018, HRRS 2018 Nr. 1055
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 21. Dezember 2016 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Bewirtschaftens von Abfällen in Tateinheit mit illegalem Verbringen von gefährlichen Abfällen in drei Fällen, davon in einem Fall zusätzlich in Tateinheit mit Untreue und in einem weiteren Fall zusätzlich in Tateinheit mit zweifacher Untreue, sowie wegen Betrugs in 40 tateinheitlich zusammenfallenden Fällen, wegen versuchten Betrugs in sechs Fällen, wegen Kreditbetrugs und wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen schuldig ist; hinsichtlich des unerlaubten Bewirtschaftens von Abfällen in Tateinheit mit illegalem Verbringen von gefährlichen Abfällen in drei Fällen entfällt jeweils die weitere tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Verbringens von Abfällen und hinsichtlich des Betrugs entfällt die Verurteilung wegen eines weiteren tateinheitlich zusammenfallenden Falls.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Bewirtschaftens von Abfällen in Tateinheit mit unerlaubtem Verbringen von Abfällen sowie in weiterer Tateinheit mit illegalem Verbringen von gefährlichen Abfällen in drei Fällen, davon in einem Fall zusätzlich in Tateinheit mit Untreue und in einem weiteren Fall zusätzlich in Tateinheit mit zweifacher Untreue, sowie wegen Betrugs in 41 tateinheitlich zusammenfallenden Fällen, wegen versuchten Betrugs in sechs Fällen, wegen Kreditbetrugs und wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderung, bleibt im Übrigen aber aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Gegenstand des Verfahrens sind Straftaten im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb des inzwischen insolventen Recyclingunternehmens D. GmbH von Februar 2011 bis März 2014. Die Straftaten sind vor dem Hintergrund der Verordnung (EG) Nr. 1102/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 304 vom 14. November 2008, S. 75) begangen worden, die ab dem 15. März 2011 zum einen ein Exportverbot für elementares Quecksilber (metallisches Quecksilber und Gemische aus metallischem Quecksilber und anderen Stoffen einschließlich Quecksilberlegierungen mit einer Quecksilberkonzentration von mindestens 95 Massenprozent) außerhalb der Europäischen Union und zum anderen die Qualifikation von metallischem Quecksilber aus verschiedenen Herkunftsbereichen als Zwangsabfall mit entsprechender Entsorgungspflicht vorsah (Art. 1 und 2 der VO). Die Verordnung (EG) Nr. 1102/2008 ist zum 1. Januar 2018 durch die Verordnung (EU) 2017/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 (ABl. L 137 vom 24. Mai 2017, S. 1) - ohne inhaltliche Änderungen - ersetzt worden.
a) Der Verurteilung des Angeklagten wegen Betrugs liegt nach den Feststellungen des Landgerichts Folgendes zugrunde: Der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte K. übernahmen als Geschäftsführer der D. GmbH aufgrund von Entsorgungsverträgen mit entsorgungspflichtigen Firmen aus Deutschland und dem EU-Ausland 1.026 Tonnen Quecksilber-Zwangsabfall. Den bisherigen Abfallbesitzern sagten die Angeklagten wahrheitswidrig zu, das übernommene Quecksilber gegen Zahlung eines Tonnenpreises zwischen 1.200 € und 2.000 € unter Zugabe von Schwefel in relativ ungiftiges Quecksilbersulfid umzuwandeln, final untertägig zu entsorgen und die Entsorgung zu bescheinigen. Tatsächlich spiegelten sie die Entsorgung nur vor und veräußerten das Quecksilber stattdessen gewinnbringend - überwiegend auf eigene Rechnung - weiter. Das Landgericht hat für 41 Fälle einen Gesamtschaden in Höhe der gezahlten Entsorgungsentgelte von insgesamt 1.728.268,80 € festgestellt, wobei Fall 51 einen Schaden in Höhe von 25.026,40 € erfasst.
b) Die Verurteilung wegen der Umweltdelikte hat die Verbringung von ca. 520 Tonnen Zwangsabfall in die Schweiz, die Niederlande und nach Griechenland zum Zwecke der Weiterveräußerung zum Gegenstand.
2. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, war Fall 51 der Anklage nach einer Verfahrensbeschränkung bei dem uneigentlichen Organisationsdelikt des Betrugs in der Hauptverhandlung am 28. November 2016 (wiederholt am 2. Dezember 2016) nicht mehr Gegenstand des Verfahrens, so dass der Schuldspruch nur noch wegen 40 tateinheitlicher Fälle des Betrugs erfolgen konnte und entsprechend zu ändern war.
Der Senat schließt angesichts des verbleibenden Betrugsschadens in Höhe von 1.703.242,40 € aus, dass sich der Wegfall des tateinheitlichen Schuldspruchs wegen des Falls 51 auf die verhängte Einzelstrafe ausgewirkt hat.
3. Hinsichtlich der Umweltstraftaten hat die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen unerlaubten Verbringens von Abfällen nach § 326 Abs. 2 StGB keinen Bestand, da § 18 AbfVerbrG nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers lex specialis zu § 326 Abs. 2 StGB ist (vgl. BT-Drucks. 18/8961, S. 18 f.; Witteck in BeckOK StGB, 39. Edition, 1. August 2018, § 326 Rn. 58a).
Der Senat schließt auch insoweit ein Beruhen des Urteils auf der tateinheitlichen Verurteilung wegen unerlaubten Verbringens von Abfällen (§ 326 Abs. 2 StGB) neben dem illegalen Verbringen von gefährlichen Abfällen (§ 18a Abs. 1 Nr. 1 AbfVerbrG) und dem unerlaubten Bewirtschaften von Abfällen (§ 326 Abs. 1 Nr. 2 StGB) aus, nachdem die Strafkammer die Einzelstrafen zutreffend jeweils dem schon über § 326 Abs. 1 StGB eröffneten Strafrahmen des § 330 Abs. 1 StGB entnommen und die tateinheitliche Verwirklichung mehrerer Umweltstraftatbestände explizit nicht strafschärfend gewertet hat (UA S. 118, 131).
4. Im Hinblick auf den geringen Teilerfolg des Rechtsmittels ist es nicht unbillig, dem Angeklagten die gesamten in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten und Auslagen aufzuerlegen (§ 473 Abs. 1, 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 1055
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede