HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 24
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 146/17, Urteil v. 25.10.2017, HRRS 2018 Nr. 24
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 9. Dezember 2016 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zweier Fälle der Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt - wobei drei Monate als vollstreckt gelten - und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Dem vorangehend hatte der Senat mit Beschluss vom 8. September 2016 (1 StR 232/16) auf die Revision des Angeklagten das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 19. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben, weil diese den Schuldspruch wegen täterschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht getragen hatten. Ob eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in Betracht kam, konnte der Senat wegen Fehlens näherer Feststellungen zu den Bestellvorgängen nicht beurteilen.
Der Angeklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts und greift auch die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) an.
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat keinen Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts bestellte der Angeklagte am 23. Februar 2014 über das Internet 100 Gramm des synthetischen Cannabinoids JWH-122 zum Preis von 346,05 € bei der Fa. S. in Shanghai (China).
Noch im selben Monat bestellte er aufgrund eines neuen Tatentschlusses über das Internet 100 Gramm des synthetischen Cannabinoids UR-144 zum Preis von etwa 300 € von der Fa. Sa. aus Shanghai (China).
Die synthetischen Cannabinoide waren von guter Qualität. Der Reinheitsgehalt betrug mindestens 85 %. Die mit der jeweiligen Bestellung verbundenen Kaufangebote des Angeklagten nahmen die chinesischen Lieferanten an und versandten die Ware aus China an die Wohnanschrift des Angeklagten in Deutschland.
Die nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG hat das Landgericht - jeweils sachverständig beraten - bei JWH-122 auf höchstens zwei Gramm, bei UR-144 auf höchstens sechs Gramm bestimmt.
Die Betreiber der Internetseiten waren nur ganz allgemein dazu bereit, Betäubungsmittel aus ihrem für jedermann abrufbaren Sortiment zu versenden und so in andere Länder einzuführen. Ihre Entschlüsse zu den beiden Einfuhren nach Deutschland wurden erst durch die Angebote des Angeklagten konkret hervorgerufen. Dies wusste und wollte der Angeklagte. Er wählte im Bestellvorgang individuell die Cannabinoide und deren Menge aus und gab seine deutsche Adresse als Lieferanschrift an.
Die Nachprüfung des Urteils auf die Revision des Angeklagten hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben. Der Schuldspruch wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird von den Feststellungen getragen. Die Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
1. Die Strafkammer hat sich aufgrund einer Gesamtschau verschiedener, darunter auch sehr gewichtiger Indizien davon überzeugt, dass der Angeklagte die synthetischen Cannabinoide - so wie festgestellt - bestellt hat. Sie hat sich insbesondere darauf gestützt, dass E-Mail-Verkehr zu beiden Bestellvorgängen noch auf dem Computer des Angeklagten gespeichert war, und der Angeklagte die Bestellungen und Lieferungen an seine Wohnung im Ermittlungsverfahren eingeräumt hatte. Hinsichtlich des JWH-122 war eine Bestellübersicht vorhanden, mit Datum und Menge der Bestellung, Zahlungsweise, Liefer- und Rechnungsanschrift. Im Rahmen des Bestellvorgangs des UR-144 kam es sogar zu Preisverhandlungen zwischen dem chinesischen Lieferanten und dem Angeklagten.
2. Die Urteilsfeststellungen tragen die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe die beiden chinesischen Lieferanten zu den verfahrensgegenständlichen Einfuhren bestimmt.
a) Als Anstifter ist nach § 26 StGB gleich einem Täter zu bestrafen, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat. Dabei ist bedingter Vorsatz ausreichend (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Urteile vom 18. April 1952 - 1 StR 871/51, BGHSt 2, 279, 281 und vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 101). Eine Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begeht deshalb, wer einen anderen durch Einwirkung auf dessen Entschlussbildung dazu veranlasst, Betäubungsmittel in nicht geringer Menge in das Bundesgebiet zu verbringen und dabei zumindest in dem Bewusstsein handelt, dass sein Verhalten diese von ihm gebilligten Wirkungen haben kann (BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 2011 - 4 StR 554/11; vom 10. April 2013 - 4 StR 90/13, NStZ-RR 2013, 281 und vom 2. Juni 2015 - 4 StR 144/15, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Einfuhr 3).
Die Willensbeeinflussung muss dabei nicht die einzige Ursache für das Verhalten des anderen sein; bloße Mitursächlichkeit reicht aus (BGH, Beschluss vom 2. Juni 2015 - 4 StR 144/15, aaO mwN). Bezugsgegenstand der Anstiftung ist eine konkret-individualisierte Tat. Welche Merkmale zur Tatindividualisierung jeweils erforderlich sind, entzieht sich dabei einer abstrakt-generellen Bestimmung und kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls entschieden werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1986 - 2 StR 661/85, BGHSt 34, 63, 64 ff.). Ein zu einer konkreten Tat fest Entschlossener kann nicht mehr zu ihr bestimmt werden (sog. omnimodo facturus; st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. November 1987 - 3 StR 503/87, BGHR StGB § 26 Bestimmen 1 und vom 8. August 1995 - 1 StR 377/95, BGHR StGB § 26 Bestimmen 3 sowie Urteile vom 20. Januar 2000 - 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 374 und vom 17. August 2000 - 4 StR 233/00, NStZ 2001, 41, 42).
Der Annahme von Anstiftung steht es nicht entgegen, wenn der Haupttäter bereits allgemein zu derartigen Taten bereit war und diese Bereitschaft auch aufgezeigt hat oder sogar selbst die Initiative zu den Taten ergriffen hatte (vgl. BGH, Urteile vom 20. Januar 2000 - 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 374 und vom 17. August 2000 - 4 StR 233/00, NStZ 2001, 41, 42); denn hier fehlt es noch an einer konkret-individualisierten Tat, zu der der Haupttäter erst noch durch Hervorrufen des Tatentschlusses veranlasst werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1993 - 1 StR 325/93, NStZ 1994, 29, 30).
Selbst wenn also ein Betäubungsmittelhändler seine grundsätzliche Bereitschaft bekundet hatte, Betäubungsmittel ins Ausland liefern zu wollen, liegt kein Fall eines bereits zur Tat entschlossenen Haupttäters vor (sog. omnimodo facturus), da es insoweit noch an einem bestimmten, auf eine konkrete Tat bezogenen Tatentschluss fehlt (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 10. April 2013 - 4 StR 90/13, NStZ-RR 2013, 281).
Auch derjenige, der im Internet, z.B. über einen „Online-Shop“, aus dem Ausland heraus die Lieferung von Betäubungsmitteln in das Inland andient, kann daher noch angestiftet werden (vgl. hierzu bereits LG Ravensburg, Urteil vom 14. Januar 2008 - 2 KLs 260 Js 8492/07, NStZ-RR 2008, 256; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 5 Rn. 192; MüKo-StGB/ Joecks, 3. Aufl., § 26 Rn. 29; Heine/Weißer in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 26 Rn. 6; Schünemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 26 Rn. 17).
b) Die Urteilsfeststellungen belegen, dass der Angeklagte seine Lieferanten im Sinne des § 26 StGB zu den einzelnen Einfuhren bestimmt hat.
Der Angeklagte hat vorsätzlich die in China ansässigen und vor seiner Bestellung noch nicht fest zu den konkreten Taten entschlossenen Lieferanten veranlasst, die Betäubungsmittel nach Deutschland an seine Wohnanschrift zu versenden. Die chinesischen Lieferanten waren nur allgemein bereit, Betäubungsmittel aus ihrem Sortiment zu versenden und in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen. Weder die Art des Betäubungsmittels oder dessen Menge noch dessen Empfänger noch der Lieferort standen fest. Der Tatentschluss der chinesischen Lieferanten zu den konkreten Taten wurde erst durch die Einflussnahme des Angeklagten, nämlich dessen Bestellung einer konkreten Menge eines konkret ausgewählten Betäubungsmittels, geweckt, und zwar zur Einfuhr von jeweils 100 Gramm der synthetischen Cannabinoide (JWH-122 zu einem Preis von 346,05 € und UR-144 zu einem Preis von 300 €) jeweils an die Wohnanschrift des Angeklagten in Deutschland. Dies belegt insbesondere der Bestellvorgang zu UR-144, bei dem es zu Preisverhandlungen zwischen dem chinesischen Lieferanten und dem Angeklagten kam, dem der ursprünglich vom Lieferanten geforderte Preis von 1.000 € zu hoch war, worauf sie sich auf 300 € einigten.
Die Bestellungen des Angeklagten stellten jeweils lediglich ein Angebot zum Kauf von jeweils 100 Gramm JWH-122 bzw. UR-144 dar, das von den chinesischen Lieferanten angenommen wurde und in den Versand eines Drogenpäckchens nach Deutschland mündete. Die Internetpräsentationen der im Ausland ansässigen Drogenhändler sind lediglich Aufforderungen zur Abgabe eines Angebots, eine sog. invitatio ad offerendum. Für den Besteller war in jedem Fall ungewiss, ob, wann und in welchem Umfang die Betreiber des Internetshops die Bestellung annehmen und ausführen würden.
Richtet sich ein Angebot nicht an eine bestimmte Person, sondern an die Allgemeinheit - wie es bei der Darstellung der möglichen Leistungen und Waren in einem Online-Shop der Fall ist -, handelt es sich oft mangels Willens zu vertraglicher Bindung nur um eine Aufforderung zur Abgabe von Vertragsanträgen, deren Sinn es ist, den potentiellen Vertragspartner über das eigene Waren- oder Leistungsangebot zu informieren, die grundsätzliche Vertragsbereitschaft zum Ausdruck zu bringen und vor einem verbindlichen Vertragsschluss die eigene Leistungsfähigkeit und die Zahlungsfähigkeit des möglichen Vertragspartners zu überprüfen (Erman/Armbrüster, BGB, 15. Aufl., § 145 Rn. 4). Der Online-Shop, der sich an einen unbekannten Personenkreis wendet, stellt lediglich die Waren und Preise dar, damit der Interessent aus dem Warensortiment aussuchen und seinerseits ein Kaufangebot abgeben kann; bei der Präsentation von Waren über das Internet können die Anzahl möglicher Bestellungen und die wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen Bestellers nicht abgeschätzt werden (zu Online-Shops als invitatio ad offerendum vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Oktober 2012 - X ZR 37/12, BGHZ 195,126 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Mai 2016 - I-16 U 72/15, NJWRR 2016, 1073 ff.).
c) Das vom Landgericht festgestellte Tatgeschehen entspricht nicht dem, das dem Urteil des 1. Strafsenats vom 7. Februar 2017 (1 StR 231/16, NStZ 2017, 401) zu Grunde lag. Dort waren die Art des Rauschgifts und dessen Menge (Marihuana im Kilobereich), An- und Verkaufspreis für das zur Einfuhr nach Deutschland bestimmte Marihuana, die Verkäufer, ein bestimmter Empfänger als Abnehmer von Marihuana im Kilobereich, die Liefermodalitäten und der Transportweg über die tschechisch-deutsche Grenze bereits festgelegt; ein Vorbehalt, Betäubungsmittel im Falle einer Bestellung doch nicht zu liefern, bestand nicht. Für jede Einzellieferung war lediglich noch ein konkreter „Abruf“ in Form einer Bestellung sowie die Vereinbarung eines genauen Übergabeortes und eines konkreten Übergabetermins erforderlich.
3. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die rechtsfehlerfrei angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hat Bestand. Auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts wird insoweit Bezug genommen.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 24
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2018, 80; StV 2018, 508
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede