HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 65
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 136/17, Beschluss v. 25.10.2017, HRRS 2018 Nr. 65
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26. Oktober 2016 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Seine weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hatte den Angeklagten am 29. Juli 2013 wegen „Steuerhinterziehung in 12 Fällen“ zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, wobei es in die erste Gesamtfreiheitsstrafe die durch Urteil des Amtsgerichts München vom 5. Februar 2007 verhängte Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe einbezogen hatte. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil mit den Feststellungen aufgehoben. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Drei Monate dieser Gesamtstrafe hat es für vollstreckt erklärt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Angriffe der Revision gegen den Schuldspruch, die Einzelstrafen und die Kompensationsentscheidung des sorgfältig begründeten Urteils versagen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführten Gründen. Jedoch hält die Begründung, mit welcher das Landgericht von der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB abgesehen hat, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Bei Aufhebung einer Gesamtstrafe durch das Revisionsgericht und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht ist in der neuen Verhandlung die Gesamtstrafe nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten tatrichterlichen Verhandlung vorzunehmen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106 mwN und vom 10. Januar 2017 - 3 StR 497/16, NStZ-RR 2017, 169; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 55 Rn. 37). Danach hätte das Landgericht seiner Prüfung die Vollstreckungssituation am 29. Juli 2013 zugrunde legen müssen. Zu diesem Zeitpunkt war die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts München vom 5. Februar 2007 aber noch nicht vollständig erledigt und deshalb gemäß § 55 StGB gesamtstrafenfähig.
2. Da der Angeklagte hierdurch beschwert sein kann, ist über die Gesamtstrafenbildung nochmals zu befinden. Dabei ist das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO in den Blick zu nehmen. Im Einzelnen gilt:
Sollte nach dem Urteil des Amtsgerichts München vom 5. Februar 2007 bis zur Rechtskraft am 8. Oktober 2007 keine Verhandlung zur Sache mehr erfolgt sein, wäre eine erste Gesamtstrafe aus den Einzelstrafen für die Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung für die Veranlagungszeiträume 2004 und 2005 durch D. (Einzelfreiheitsstrafen von fünf und sechs Monaten) unter Einbeziehung der Strafe von einem Jahr aus dem Urteil des Amtsgerichts München zu bilden. Wegen der Zäsurwirkung dieser Vorverurteilung wäre aus den übrigen Einzelstrafen eine weitere Gesamtstrafe zu bilden.
Hierbei wäre - wie es das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend gehandhabt hat - zu berücksichtigen, dass die im ersten Rechtsgang als einheitliche Handlung beurteilte Tat nunmehr als Mehrheit zweier selbständiger Handlungen bewertet worden ist. Dementsprechend sind hierfür zwei Einzelstrafen festgesetzt worden. Diese durften wegen des Verbots der Schlechterstellung jeweils ihrer Höhe nach die Einzelstrafe des ersten Urteils nicht übersteigen, jede der neuen Einzelstrafen durfte aber die Höhe der ursprünglichen Einheitsstrafe erreichen. Die aus den neuen Einzelstrafen zu bildende Gesamtstrafe darf jedoch nicht höher bemessen werden, als jene Einzelstrafe des ersten Urteils (BGH, Urteile vom 13. Oktober 1953 - 1 StR 710/52 und vom 14. Oktober 1959 - 2 StR 291/59, BGHSt 14, 5, 7 f.; jeweils unter Hinweis auf RGSt 67, 236, 241; BGH, Urteil vom 21. Mai 1991 - 4 StR 144/91, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 5; KK-StPO/Paul, 7. Aufl., § 331 Rn. 2a; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 331 Rn. 18), weswegen gegebenenfalls eine Erhöhung der verwirkten schwersten Strafe um die weitere Strafe für den ursprünglich mit einer Einheitsstrafe geahndeten Lebenssachverhalt zu unterbleiben hat (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1959 - 2 StR 291/59, BGHSt 14, 5, 8; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Mai 1991 - 4 StR 144/91, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 5).
Beide Gesamtstrafen dürften in der Summe nicht mehr betragen als die Summe aus der nun aufgehobenen Gesamtstrafe und der rechtsfehlerhaft nicht einbezogenen anderweitig rechtskräftig gewordenen Freiheitsstrafe.
3. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Aufhebung nicht die Frage der Kompensation einer bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen überlangen Verfahrensdauer erfasst (vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, wistra 2013, 150, 151).
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 65
Externe Fundstellen: StV 2019, 451; StV 2019, 90
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner