HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 54
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 555/15, Beschluss v. 25.11.2015, HRRS 2016 Nr. 54
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29. Juli 2015 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.
Seine dagegen gerichtete, auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision bleibt ohne Erfolg. Das Urteil enthält keine dem Angeklagten im Ergebnis nachteiligen Rechtsfehler. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
1. Der Schuldspruch im Fall A.II.1. der Urteilsgründe (Tat vom 20. Dezember 2014) wird durch die auf sehr knapper Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen auch insoweit getragen, als der Angeklagte wegen versuchter Vergewaltigung verurteilt worden ist. Den Feststellungen lässt sich entnehmen, dass der Angeklagte nach dem Einsatz von Gewalt als Nötigungsmittel, aber bereits vor der Vornahme einer sexuellen Handlung (im Sinne von § 177 Abs. 1 StGB) wegen des unerwartet heftigen Widerstands der Geschädigten an der weiteren Tatausführung der geplanten Vergewaltigung gehindert war. In einer solchen Konstellation hat der Schuldspruch - wie geschehen - auf versuchte Vergewaltigung zu lauten (BGH, Beschluss vom 27. Mai 1998 - 3 StR 204/98, NStZ 1998, 510, 511).
2. Im Ergebnis enthält auch der auf die vorgenannte Tat bezogene Strafausspruch keine solchen Rechtsfehler, die sich im Ergebnis nachteilig für den Angeklagten ausgewirkt haben.
a) Das Tatgericht hat den Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB als Ausgangspunkt für die konkrete Strafzumessung gewählt. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll jedoch der erhöhte Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB bei lediglich versuchter Verwirklichung des Regelbeispiels (hier desjenigen aus § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB) nicht zur Anwendung gelangen (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2003 - 3 StR 425/02, NStZ 2003, 602; siehe auch Renzikowski in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 177 Rn. 94). Ob dies anders sein kann, wenn - wie hier - auch das Grunddelikt der sexuellen Nötigung lediglich versucht ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 1998 - 3 StR 204/98, NStZ 1998, 510, 511; Hörnle in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 177 Rn. 253 mwN), bedarf keiner Entscheidung. Denn selbst wenn das Landgericht vom Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB hätte ausgehen müssen, kann der Senat angesichts der vorgenommenen dreifachen, jeweils auf vertypte Milderungsgründe gestützten Verschiebung des Strafrahmens aus § 177 Abs. 2 StGB ausschließen, dass der Tatrichter bei Berücksichtigung der von ihm sonst herangezogenen Strafzumessungsgesichtspunkte - insbesondere der erheblichen Folgen für das Tatopfer - zu einer noch milderen Einzelstrafe gelangt wäre. Aus denselben Gründen beruht der Strafausspruch auch nicht darauf, dass das Landgericht nicht erkennbar in Erwägung gezogen hat, von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB wegen des Vorliegens einer oder mehrerer vertypter Milderungsgründe abzusehen.
b) Die Vornahme einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 46a Nr. 2 StGB (i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB), obwohl die Feststellungen nicht den dafür erforderlichen Ausdruck von Verantwortungsübernahme (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2014 - 2 StR 496/13 Rn. 8; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46a Rn. 11 mwN) belegen, beschwert den Angeklagten ersichtlich nicht.
c) Entsprechendes gilt für die Annahme einer alkoholbedingt verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) und die darauf beruhende (weitere) Strafrahmenverschiebung. Der insoweit rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung des Tatgerichts lässt sich aufgrund des dort dargestellten rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens eine durch den vorherigen Konsum von Alkohol hervorgerufene erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten entnehmen (UA S. 14). Die vom Tatrichter nachfolgend der Strafzumessung zugrunde gelegte Annahme, die Fähigkeit der Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen, sei zwar nicht aufgehoben, jedoch stark gemindert gewesen (UA S. 17), findet dagegen in den übrigen Urteilsgründen keinerlei Stütze. Insoweit dürfte es sich im Hinblick auf die eindeutigen Ausführungen in der Beweiswürdigung um eine Unsorgfältigkeit beim Abfassen des schriftlichen Urteils handeln.
3. Aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 4. November 2015 genannten Gründen wird der Bestand des Gesamtstrafenausspruchs nicht deshalb in Frage gestellt, weil sich das angefochtene Urteil nicht ausdrücklich zu dem Vollstreckungsstatus der durch rechtskräftigen Strafbefehl vom 4. April 2014 gegen den Angeklagten verhängten Geldstrafe von 30 Tagessätzen verhält.
4. Auch die auf das Fehlen eines Hangs gestützte Ablehnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Die sehr knappen Feststellungen tragen den Schluss des Landgerichts, die Angaben des Angeklagten über seinen Alkoholkonsum seien „maßvoll übertrieben“. Die auf UA S. 4 festgestellten Einkommensverhältnisse des Angeklagten lassen sich dagegen mangels weiterer Erkenntnisse zu seinen Ausgaben (Miete etc.) nicht ohne Weiteres mit der Annahme vereinbaren, die „bescheidenen finanziellen Verhältnisse“ legten nicht nahe, monatlich mehrere hundert Euro für den Bezug von Alkoholika auszugeben.
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 54
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2016, 138
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede