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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 40

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 339/15, Beschluss v. 11.11.2015, HRRS 2016 Nr. 40


BGH 1 StR 339/15 - Beschluss vom 11. November 2015 (LG Köln)

Nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe (Zäsurwirkung).

§ 55 Abs. 1 StGB; § 54 Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten U. wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 8. Dezember 2014 aufgehoben

a) im Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte U. wegen falscher Versicherung an Eides statt verurteilt worden ist,

b) im Ausspruch über die ihn betreffenden Gesamtstrafen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten U. wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten U. wegen insgesamt 31 Fällen des Betrugs in Tatmehrheit mit versuchter Steuerhinterziehung und mit vorsätzlicher falscher Versicherung an Eides Statt unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus drei Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 150 Tagessätzen zu je 30 Euro und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Die Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlicher falscher Versicherung an Eides Statt hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die hierzu getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte zwar gemeinsam mit der Gerichtsvollzieherin ein Vermögensverzeichnis ausgefüllt. Er hat sich nach Belehrung über die Strafbarkeit einer eidesstattlichen Versicherung aber geweigert, dieses Vermögensverzeichnis zu unterschreiben. Dass er in sonstiger Weise die Richtigkeit seiner Angaben an Eides statt versichert hätte, hat das Landgericht nicht festgestellt. Damit sind die Voraussetzungen des § 156 StGB nicht belegt.

Zu der hier in Rede stehenden Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO in der bis 31. Dezember 2012 geltenden Fassung gehört neben der Vorlage eines Vermögensverzeichnisses durch den Schuldner gemäß § 807 Abs. 1 und 2 ZPO zusätzlich die Versicherung gemäß § 807 Abs. 3 Satz 1 ZPO zu Protokoll an Eides statt, dass er die von ihm verlangten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht hat. Dem vom Landgericht festgestellten Verhalten des Angeklagten lässt sich eine solche Versicherung nicht entnehmen, vielmehr deutet die Verweigerung der Unterschrift gerade darauf hin, dass der Angeklagte keine strafrechtlich durch § 156 StGB bewehrte Verantwortung für den Inhalt seiner Erklärung übernehmen wollte. Da nicht gänzlich auszuschließen ist, dass der Angeklagte in sonstiger Weise die Richtigkeit seiner Angaben an Eides statt versichert hat, bedarf die Sache neuer Prüfung und Entscheidung. Um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen hierzu zu ermöglichen, hebt der Senat die zugehörigen Feststellungen auf.

II.

Auch der Ausspruch über die Gesamtstrafen hat keinen Bestand.

Das Landgericht hat der zweiten Vorverurteilung des Angeklagten während des Tatzeitraums zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen. Da die dort abgeurteilte Tat bereits vor der ersten zäsurbildenden Verurteilung begangen wurde und damit diese beide Strafen untereinander gesamtstrafenfähig sind, kam der zweiten Verurteilung keine Zäsurwirkung mehr zu (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2013 - 4 StR 356/13, NStZ-RR 2014, 74 und vom 21. Juli 2009 - 5 StR 269/09; Fischer, 62. Aufl., § 55 Rn. 12 f.; Arnoldi/ Rutkowski, NStZ 2011, 493, 494, jew. mwN). Richtigerweise hätte das Landgericht eine erste Gesamtstrafe mit den Strafen für die bis zum 19. August 2010 beendeten Taten (Fälle 1 bis 12, Fall 13 wurde ausweislich UA S. 48 Zeile 2 erst am 14. September 2010 beendet) und den Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Köln vom 19. August 2010 und 27. November 2009 (insoweit in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Köln vom 8. Juni 2011 und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe) bilden müssen. Eine zweite Gesamtstrafe war sodann aus den Einzelstrafen für die nach dem 19. August 2010 beendeten weiteren Taten und die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Köln vom 19. März 2012 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Köln vom 11. September 2012 zu bilden. Der Aufhebung von Einzelstrafen bedarf es nicht, weil auszuschließen ist, dass sich bei deren Bemessung zum Nachteil des Angeklagten die fehlerhafte Gesamtstrafenbildung ausgewirkt hat.

Bei der neuen Gesamtstrafenbildung wird das Landgericht das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu beachten haben (hierzu näher Senat, Beschluss vom 18. August 2015 - 1 StR 305/15, NStZ-RR 2015, 305 f.; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 4 StR 356/13, NStZ-RR 2014, 74, KK-Gericke, 7. Aufl., § 358 Rn. 29 mwN) und jeweils auch erneut über die Frage entscheiden müssen, ob die zu verhängenden Gesamtfreiheitsstrafen zur Bewährung auszusetzen sind und ob neben Gesamtfreiheitsstrafen gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB auf (Gesamt-)Geldstrafen zu erkennen ist.

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 40

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede