HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 538
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 14/13, Beschluss v. 11.04.2013, HRRS 2013 Nr. 538
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 27. August 2012
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte eines Betruges und der Steuerhinterziehung in vier Fällen schuldig ist,
b) in den Aussprüchen über die in den Fällen II.1. und II.2. verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Betruges in zwei Fällen und Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen errichtete die Angeklagte, eine Finanzbeamtin im mittleren Dienst der Finanzverwaltung des Landes Brandenburg, gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten D. in der Gemeinde S. auf einem in ihrem jeweils hälftigen Miteigentum stehenden Grundstück ein Ende 1999 fertiggestelltes zweigeschossiges Wohngebäude.
Um jeweils gesondert in voller Höhe in den Genuss der Eigenheimzulage zu kommen, gestalteten die Angeklagte und D. die Bauunterlagen derart, dass in dem Wohngebäude vermeintlich zwei abgeschlossene und eigenständig zu Wohnzwecken nutzbare Wohnungen errichtet werden sollten. Auf Grundlage dieser Bauunterlagen wurde noch vor Baubeginn eine Abgeschlossenheitsbescheinigung durch die untere Baubehörde ausgestellt.
Tatsächlich beabsichtigen die Angeklagte und D. von Anfang an, ein Einfamilienhaus mit nur einer Wohnung zu errichten und dort einen gemeinsamen Haushalt zu führen. Dementsprechend wurde entgegen den Bauunterlagen im Obergeschoss des Hauses keine Küche eingebaut, sondern der dafür vorgesehene Raum als Kinderzimmer genutzt. Frei zugängliche und sichtbare Küchenanschlüsse waren nicht vorhanden. Für eine mögliche Erschließung des Raumes befanden sich in der tapezierten Wand zum benachbarten Badezimmer mit Pfropfen verschlossene Zugänge zu den in der Wand verlaufenden Wasser- und Abwasserleitungen. Das Zimmer verfügte nicht über Anschlüsse für den Betrieb eines Elektro- oder Gasherdes.
In ihrem Antrag auf Festsetzung der Eigenheimzulage vom 27. Januar 2000 gab die Angeklagte wahrheitswidrig an, bei dem Objekt handele es sich um ein „anderes Haus“ mit zwei Wohnungen und einer Gesamtnutzfläche von 124 qm, von der 72 qm auf die von ihr eigengenutzte Wohnung entfielen. Entsprechend erklärte D. in seinem bereits am 11. Januar 2000 eingereichten Eigenheimzulageantrag, dass er in dem Objekt eine Wohnung im Dachgeschoss mit 52 qm Wohnfläche zu eigenen Wohnzwecken nutze.
Angesichts der mit dem Eigenheimzulageantrag vorgelegten Abgeschlossenheitsbescheinigung gingen die Entscheidungsträger des zuständigen Finanzamts F. davon aus, dass sich in dem Objekt tatsächlich zwei Wohnungen befänden. Entsprechend wurde die Eigenheimzulage zugunsten der Angeklagten mit Bescheid vom 29. Februar 2000 in Höhe des vollen Fördergrundbetrages von 5.000 DM (2.556,46 €) für den Förderzeitraum 1999 bis 2006 festgesetzt.
Für die in den Jahren 2000 und 2002 geborenen Kinder der Angeklagten, die mit im gemeinsamen Haushalt lebten, wurde die Kinderzulage bei antragsgemäßer Neufestsetzung der Eigenheimzulage jeweils in voller Höhe von 1.500 DM (766,94 €) gewährt.
Tatsächlich hatte die Angeklagte im Hinblick darauf, dass sich in dem Gebäude nur eine von ihr und D. gemeinsam zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung befand, lediglich einen Anspruch auf Gewährung des hälftigen Fördergrundbetrages in Höhe von 2.500 DM (1.278,23 €) sowie der hälftigen Kinderzulagen in Höhe von jeweils 750 DM (383,47 €) entsprechend ihres Miteigentumsanteils am Förderobjekt (Fall II.1.).
Im Jahr 2004 trennte sich die Angeklagte von D. und zog aus dem gemeinsam genutzten Haus aus. Die Aufgabe der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, die ab dem Jahr 2005 zu einem vollständigen Wegfall des Eigenheimzulageanspruchs führte, teilte sie jedoch pflichtwidrig nicht dem zuständigen Finanzamt F. mit, so dass auch in den Jahren 2005 und 2006 Fördergrundbetrag und Kinderzulagen weiterhin in voller Höhe ausgezahlt wurden (Fall II.2.).
2. Ferner machte die Angeklagte in ihren Einkommensteuererklärungen der Jahre 2005 bis 2008 vorsätzlich unrichtige Angaben hinsichtlich Anzahl und Umfang der als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit abziehbaren Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zudem wurde ihr aufgrund ihrer unrichtigen Angaben jeweils der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gewährt, obwohl sie mit ihrem neuen Lebensgefährten in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt lebte (Fälle II.3. bis II.6.).
3. Die Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse hält in den Fällen II.1. und II.2. der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat das Erschleichen der (überhöhten) Eigenheimzulage als zwei Betrugstaten i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB gewertet, nämlich durch falsche Angaben bei Beantragung der Eigenheimzulage hinsichtlich der Auszahlung der überhöhten Eigenheimzulage in den Jahren 1999 bis 2004 (Fall II.1.) sowie durch pflichtwidriges Unterlassen der Mitteilung des Wegfalls der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken hinsichtlich der Weiterzahlung der vollen Eigenheimzulage in den Jahren 2005 und 2006 (Fall II.2.).
Dagegen beurteilt der Senat das Tatgeschehen als lediglich eine Tat im Rechtssinne. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen täuschte die Angeklagte sowohl durch aktives Tun als auch durch Unterlassen über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des vollen Fördergrundbetrages und der vollen Kinderzulagen. Dies führt jedoch nicht zur Annahme von Tatmehrheit i.S.v. § 53 StGB. Denn die Auszahlung der Eigenheimzulage beruhte letztlich in allen Jahren auf den Bescheiden, mit denen der Fördergrundbetrag und die Kinderzulagen irrtumsbedingt für den gesamten (verbleibenden) Förderzeitraum 1999 bis 2006 zu Unrecht überhöht festgesetzt bzw. neu festgesetzt wurden (§ 11 Abs. 1 und 2 EigZulG).
Der Senat hat den Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte hinsichtlich des Erschleichens der Eigenheimzulage lediglich eines Betruges i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB schuldig ist. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, da sich die Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
4. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der in den Fällen II.1. und II.2. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe nach sich. Die Einzelfreiheitsstrafen in den vier Fällen der Steuerhinterziehung (Fälle II.3. bis II.6.) bleiben davon unberührt.
Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es nicht. Das neue Tatgericht ist jedoch nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 538
Bearbeiter: Karsten Gaede