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HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 543

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 667/12, Beschluss v. 21.03.2013, HRRS 2013 Nr. 543


BGH 1 StR 667/12 - Beschluss vom 21. März 2013 (LG München I)

Doppelverwertungsverbot bei der gefährlichen Körperverletzung (das Leben gefährdende Behandlung).

§ 46 Abs. 3 StGB; § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Es verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot, wenn das Gericht bei einer gefährlichen Körperverletzung strafschärfend wertet, dass der Tathandlung "eine hohe Gefährlichkeit" innewohnte und diese Formulierung nicht als Geltendmachung einer - vom Tatbestand nicht geforderten - konkreten Lebensgefahr zu interpretieren ist.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 8. Oktober 2012 im Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts stach der Angeklagte im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung dem Geschädigten mit einem unbekannten Gegenstand, vermutlich einem metallenen Schlüsselanhänger, wuchtig in den Unterbauch und fügte diesem hierdurch eine sieben Zentimeter tiefe Stichwunde mit einem Durchmesser von etwa zwei Zentimetern zu.

Nur aufgrund glücklicher Umstände und der adipösen Konstitution des Geschädigten kam es nicht zu einer Verletzung innerer Organe, zu einer Eröffnung der Bauchhöhle oder zu einer Durchtrennung wichtiger Blutgefäße. Es bestand allerdings abstrakte Lebensgefahr.

Der Angeklagte begann nach dem Stich zu weinen und sich beim Geschädigten, der keine Schmerzen verspürte und die nur wenig blutende Wunde nicht als ernsthafte Verletzung ansah, zu entschuldigen. Er bot dem Geschädigten an, ihn ins Krankenhaus zu fahren. Dieser lehnte ab, indem er auch sagte, die Verletzung sei nicht so schlimm und alles sei in Ordnung.

Die Wunde verheilte folgenlos; die Narbe ist noch sichtbar. Psychische Folgen beim Geschädigten, der an der Strafverfolgung nicht interessiert war, traten nicht ein.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen hat, aber strafbefreiend von einem unbeendeten Versuch (bei korrigiertem Rücktrittshorizont, UA S. 52) zurückgetreten ist. Das Landgericht hat das Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB) bejaht.

2. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Strafausspruch weist hingegen einen Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 4 StPO).

Das Landgericht hat bei der Verneinung eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 a.E. StGB) u.a. strafschärfend gewertet, dass der Tathandlung "eine hohe Gefährlichkeit" innewohnte (UA S. 55). Dies lässt einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB besorgen.

Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei angenommene Tatbegehung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) beinhaltet eine hohe Gefährlichkeit der Tathandlung. Eine konkrete Gefährdung kann das Landgericht nicht gemeint haben, weil diese im vorliegenden Fall nicht eingetreten war. Es kommt daher als Überlegung des Landgerichts nur eine abstrakte Gefährdung in Betracht. Diese wird aber gerade von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfasst.

Es kann deshalb hier offen bleiben, ob "eine hohe Gefährlichkeit" grundsätzlich bereits durch die ebenfalls verwirklichte Alternative des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB (mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs) gegeben ist.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich dieser Rechtsfehler in der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt hat.

Der Strafausspruch war daher aufzuheben. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben. Weitere nicht in Widerspruch stehende Feststellungen können insoweit getroffen werden.

Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, die Voraussetzungen des § 46a StGB intensiver als geschehen zu prüfen.

Der Senat hat die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen, da dessen Zuständigkeit nach Wegfall des (versuchten) Tötungsdelikts zur Erledigung ausreicht (BGH NJW 1994, 3304, 3305).

HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 543

Bearbeiter: Karsten Gaede