HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 1053
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 485/12, Beschluss v. 24.10.2012, HRRS 2012 Nr. 1053
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 21. Mai 2012 wird als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchter Anstiftung zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten bleibt erfolglos.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Die Angeklagte hegte seit einiger Zeit Hass auf ihren früheren Ehemann D. Wegen eines mittels Schusswaffe begangenen Angriffs auf ihn war sie bereits im Jahr 2009 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zur Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik verurteilt worden. D. hatte die Angeklagte in diesem Verfahren durch seine Zeugenaussage maßgeblich belastet.
Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt im August 2011 bat die Angeklagte den Zeugen I. in dessen Wohnung in A., ihm Bekannte zu vermitteln, die D. wegen dessen angeblicher Falschaussage im früheren Verfahren ins Gewissen reden könnten. Noch am selben Tag stellte I. der Angeklagten seine Freunde Ö. und K. vor. Das Treffen fand in einer Grünanlage in der Nähe des Südbahnhofs von A. statt. Dabei bot die Angeklagte Ö. und K. an, ihnen für die Tötung von D. einen Betrag von 2.000 Euro zu zahlen. Als "Vorschuss" übergab sie Ö. sogleich einen Betrag von 1.000 Euro; die Restzahlung sollte nach Erledigung des Auftrages erfolgen. Zur etwaig notwendigen Klärung einzelner Details wurde ein weiteres Treffen verabredet. Ö. und K., die zu keinem Zeitpunkt vorhatten, dem Ansinnen der Angeklagten Folge zu leisten, gingen zum Schein auf das Angebot ein, um sich in den Besitz der 1.000 Euro zu bringen, und gaben das Geld noch in derselben Nacht in diversen Bars aus. I., dem D. namentlich zumindest als "Herr D." und darüber hinaus vom Sehen her bekannt war, lehnte das Angebot der Angeklagten, ihm als Gegenleistung einen Türkeiurlaub zu finanzieren, ab.
Am 3. Oktober 2011 suchten I., Ö. und K. die Angeklagte in deren Haus in L. auf, um sie zur Zahlung weiterer 1.000 Euro zu bewegen und mittels einer Aufzeichnung des Gesprächs auf dem Mobiltelefon Beweise gegen sie zu sammeln. Bei dem von Ö. heimlich aufgezeichneten, im Auto stattfindenden Gespräch wiederholte die Angeklagte ihren Tötungsauftrag, lehnte jedoch eine weitere Anzahlung ab. I. erbat sich daraufhin die genaue Adresse des mutmaßlichen Opfers und notierte diese handschriftlich auf ein ihm von der Angeklagten zu diesem Zweck ausgehändigtes Briefkuvert.
Auf der Heimfahrt informierte Ö. die Angeklagte über die heimliche Gesprächsaufzeichnung und kündigte der Angeklagten an, sie bei der Polizei anzuzeigen, was die Angeklagte mit den Worten "Macht doch!" quittierte. Im Rahmen einer noch in derselben Nacht durchgeführten Routinekontrolle der Polizei offenbarte sich Ö. den Beamten.
Das Landgericht hat die Tat als versuchte Anstiftung zum Mord bewertet. Es hat dem im Falle der Tatausführung bei Ö., K. und - gegebenenfalls - I. vorliegenden Mordmerkmal der Habgier das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe auf Seiten der Angeklagten gegenüber gestellt und einen strafbefreienden Rücktritt der Angeklagten vom Anstiftungsversuch verneint.
1. Die von der Revision erhobene Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des Landgerichts (§ 338 Nr. 4 StPO) bleibt erfolglos.
a) Es bestehen bereits Bedenken, ob die Rüge zulässig erhoben worden ist. Der Beschwerdeführer muss die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensmangel begründen, so vollständig und genau mitteilen, dass das Revisionsgericht auf Grund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGH, Beschluss vom 23. September 2008 - 1 StR 484/08). Bei der Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des erkennenden Gerichts sind dies neben den im Hinblick auf § 16 StPO zur Vermeidung einer Rügepräklusion erforderlichen Tatsachen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 1994 - 4 StR 136/94, BGHSt 40, 120 ff.) alle Umstände, die für die gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung im Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses maßgeblich waren. Der Beschwerdeführer darf sich insbesondere nicht auf die Anklage beschränken, sondern muss alle für die Zuständigkeitsbestimmung relevanten Erkenntnisse des Ermittlungsverfahrens (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 31. März 2011 - 3 StR 460/10) vortragen.
Diesen Anforderungen genügt das Revisionsvorbringen nicht. Die vollständig vorgelegte Anklageschrift enthält zwar eine geraffte Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen, darunter die Aussage des Zeugen Ö. bei seiner polizeilichen Vernehmung, das erste Treffen mit der Angeklagten habe "vor der Haustür zur Wohnung von I." stattgefunden (Anklageschrift S. 7), darüber hinaus jedoch keine Anhaltspunkte zum ersten Treffpunkt. Demgegenüber sind den Ermittlungsakten zahlreiche weitere Umstände zu entnehmen, die für die gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung von Bedeutung waren: Neben der dargelegten Aussage des Zeugen Ö. (Anklageschrift S. 7) enthielten sie den seinerzeitigen Wohnsitz des Zeugen I., die M. straße in A. (EA Bd. I, Bl. 13). In seiner ermittlungsrichterlichen Vernehmung hatte der Zeuge Ö. wiederholt, das erste Treffen habe "vor dem Haus in dem B. [der Zeuge I. ] wohnt", stattgefunden (EA Bd. I, Bl. 40). Der Zeuge K. hatte in seiner ermittlungsrichterlichen Vernehmung angegeben, das erste Treffen sei "bei B., in der H. Straße" gewesen (EA Bd. I, Bl. 45). Demgegenüber hatte der Zeuge I. im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung zunächst ausgesagt, das erste Treffen habe in A. "in der Nähe des Südbahnhofs in einer Anlage, wo sich auch Parkplätze und ein Kinderspielplatz befinden", stattgefunden (EA Bd. I, Bl. 14). In seiner ermittlungsrichterlichen Vernehmung hatte I. erklärt, er habe gemeinsam mit der Angeklagten die Zeugen Ö. und K. abgeholt und sei dann erst zum Spielplatz am Südbahnhof gefahren (EA Bd. I, Bl. 53). Das Revisionsvorbringen zeigt all diese Umstände nicht auf.
b) Dessen ungeachtet ist die Rüge jedenfalls unbegründet. Das Landgericht hat seine örtliche Zuständigkeit nicht mit Unrecht angenommen.
Die Revision überspannt bereits die Anforderungen an das Maß der Gewissheit, die sich das Gericht hinsichtlich der zuständigkeitsbegründenden Umstände verschaffen muss. Diese Umstände müssen nicht "geklärt" sein; vielmehr genügt es, wenn im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung hinreichende Anhaltspunkte für die Zuständigkeit vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2011 - 3 StR 460/10).
Das ist hier der Fall. Die Angaben der Zeugen I., Ö. und K. im Verlauf des Ermittlungsverfahrens belegen - ungeachtet der im Einzelnen divergierenden Ortsangaben innerhalb A. s -, dass das erste Gespräch in A. stattgefunden hat.
Entgegen der Rechtsansicht der Revision blieben die Handlungen der Angeklagten beim ersten Treffen in A. auch nicht im Vorbereitungsstadium stecken. Vielmehr hat die Angeklagte bereits unmittelbar dazu angesetzt, die Zeugen I., Ö. und K. zur Ermordung ihres Ehemannes anzustiften.
In diesem Zusammenhang ist ohne Bedeutung, dass in der Anklageschrift (S. 12) von der "spätestens nach Bekanntgabe der aktuellen Wohnanschrift des zu tötenden D. auch hinreichend konkretisierten Tat" die Rede ist. Die hierzu von der Revision vorgegebene Deutung, die Staatsanwaltschaft selbst sei hinsichtlich des ersten Gesprächs noch nicht von einer versuchten Anstiftungshandlung ausgegangen, ist, schon weil von der Staatsanwaltschaft auch eine frühere Konkretisierung in den Raum gestellt wird ("spätestens"), keineswegs zwingend.
Nach den für die Eröffnungsentscheidung maßgeblichen Angaben der Zeugen I., Ö. und K. im Ermittlungsverfahren bestanden indes hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Angeklagte ihren Tötungsentschluss bereits im ersten Gespräch endgültig und bedingungslos entäußert hatte. Sie hatte Ö. und K. aufgefordert, ihren früheren Ehemann zu töten, ihnen dafür einen Betrag von 2.000 Euro zugesichert und einen Vorschuss von 1.000 Euro direkt übergeben. Dass sie Details, etwa die aktuelle Adresse ihres früheren Ehemannes und die Absprache in einer von ihr als notwendig erachteten eigenen Alibibehauptung einer weiteren Besprechung klarstellen wollte, ändert hieran nichts. Wie die Angeklagte wusste, war das potenzielle Opfer jedenfalls dem Zeugen I. namentlich und vom Sehen her bekannt. Nach ihrer Vorstellung bestand damit zumindest die Möglichkeit, dass sich Ö. und K. über I. Zugang zu ihrem früheren Ehemann verschafften.
2. Die Sachrüge deckt, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift mit zutreffender Begründung hinweist, keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler auf.
HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 1053
Externe Fundstellen: NStZ 2013, 300; StV 2013, 552
Bearbeiter: Karsten Gaede