HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 857
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 212/12, Beschluss v. 07.08.2012, HRRS 2012 Nr. 857
Die Befangenheitsanträge des Angeklagten vom 29. März 2012 gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nack, den Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, den Richter am Bundesgerichtshof Hebenstreit, den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Graf, werden als unbegründet verworfen.
Der Senat hat über eine Revision des Antragstellers zu entscheiden. Dieser ist vom Landgericht Augsburg wegen falscher Angaben, vorsätzlichen Bankrotts, Betruges in 14 Fällen sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Durch Beschluss vom 20. Oktober 2011 (1 StR 354/11) hatte der Senat ein erstes Erkenntnis auf Revision des Antragstellers aufgehoben, soweit er wegen falscher Angaben verurteilt worden war, sowie im Ausspruch über die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe, seine weitergehende Revision hingegen verworfen.
Der Antragsteller ist der Ansicht, die abgelehnten Richter seien zu seinem Nachteil befangen. Denn diese hätten sich durch die erste Revisionsentscheidung in dieser Sache "der vermuteten Beihilfe zu einem Prozessbetrug schuldig gemacht", "Akteninhalt ignoriert" und dadurch "gegen das Gebot der Wahrheitsfindung" verstoßen. Fehler des erstinstanzlichen Gerichts bei der Berechnung der Betrugsschadenshöhe hätten sie zudem nicht erkannt.
Die Befangenheitsanträge sind jedenfalls unbegründet. Es liegen keine Gründe vor, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Nack und der Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, Hebenstreit und Dr. Graf zu rechtfertigen.
Denn hierfür genügt nicht das rein subjektive Empfinden des Antragstellers, dieses muss vielmehr gerechtfertigt, also in objektivierbaren Umständen begründet sein. Die Ablehnung eines Richters nach § 24 Abs. 2 StPO ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann (BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1967 - 2 BvR 235/64, BVerfGE 21, 139, 146; BGH, Urteil vom 9. Februar 1951 - 3 StR 48/50, BGHSt 1, 34, 39; BGH, Beschluss vom 18. November 2008 - 1 StR 541/08, NStZRR 2009, 85 f.). Daran fehlt es vorliegend.
Der unsubstantiierte Vortrag des Antragstellers legt solche objektivierbaren Umstände für die Befürchtung der Befangenheit nicht dar.
Die Vorbefassung eines Richters mit dem Verfahrensgegenstand ist für sich allein nie ein Ablehnungsgrund, da der vernünftige Angeklagte davon ausgehen kann, dass der Richter auch dann unvoreingenommen an die Sache herantritt, wenn er sich schon früher über den Sachverhalt ein Urteil gebildet hat (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1971 - 2 BvR 443/69, BVerfGE 30, 149, 153; BGH, Beschluss vom 18. November 2008 - 1 StR 541/08, NStZRR 2009, 85 f.). Dies gilt auch für den Revisionsrichter (BGH, Beschluss vom 18. November 2009 - 1 StR 541/08, NStZRR 2009, 85). Ein allein auf den Umstand der Vorbefassung gestützter Ablehnungsantrag ist daher schon unzulässig nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO (BGH, Beschluss vom 10. August 2005 - 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 221).
Zwar trägt der Antragsteller darüber hinausgehend vor, erst die konkrete Art und Weise der Vorbefassung belege die Voreingenommenheit der Richter. Besondere Umstände, die auch für einen verständigen Antragsteller eine solche Besorgnis rechtfertigten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 18. November 2009 - 1 StR 541/08, NStZRR 2009, 85; BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44), sind aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Der Vorwurf einer "vermuteten" Straftat und des damit verbundenen Schädigungsvorsatzes der abgelehnten Richter zu Lasten des Antragstellers entbehrt jeder Tatsachengrundlage. Diesen Vorwurf konkretisierende Umstände enthält auch der Ablehnungsantrag nicht.
Sein Vorbringen im Übrigen erschöpft sich seinem sachlichen Gehalt nach darin, zu beanstanden, mit der eigenen Würdigung in der ersten Revisionsentscheidung nicht durchgedrungen zu sein. Bei einer verständigen Würdigung vermögen solche dem Antragsteller im Ergebnis missliebigen Entscheidungen, die sich für ihn als vermeintlich fehlerhaft darstellen, nicht die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Dies gilt zumal da der Antragsteller offensichtlich das Wesen der Revision verkennt. Danach ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, den Akteninhalt vollständig zur Kenntnis zu nehmen; es ist ihm zudem verwehrt, eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen, vielmehr ist es an die tatrichterlichen Feststellungen gebunden und kann nur überprüfen, ob diese rechtsfehlerfrei zustande gekommen sind (vgl. §§ 337, 338 StPO; hierzu Meyer - Goßner, StPO, 55. Aufl., vor § 333 Rn. 1 ff. mwN).
HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 857
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2012, 350
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel