HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 215
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 421/10, Beschluss v. 14.12.2010, HRRS 2011 Nr. 215
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 28. Januar 2010 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Der Angeklagte war Mitarbeiter einer (faktisch) von seinem Bruder geleiteten Firma, die im Zusammenhang mit dem Handel mit gebrauchten Baumaschinen und Lastkraftwagen in ein näher beschriebenes, über Jahre bundesweit praktiziertes Steuerhinterziehungssystem einbezogen war. Im Ergebnis wurde Umsatzsteuer sowohl durch die Verschleierung von Umsätzen als auch durch unberechtigten Vorsteuerabzug auf der Grundlage fingierter Rechnungen hinterzogen.
Die Strafkammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass der - geständige - Angeklagte in Kenntnis aller Umstände zu alledem durch vielfältige Tätigkeiten "vor Ort" (etwa als Ansprechpartner während der häufigen Abwesenheit des Bruders, durch Herausgabe von Lastkraftwagen, durch Ausstellung von Schecks, durch Entgegennahme von Bargeld) Beihilfe zu diesen Taten geleistet hat.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Strafkammer den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in (aus näher dargelegten Gründen) sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Seine auf die (näher ausgeführte) Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO). Die gebotene Überprüfung des Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Der Erörterung bedarf lediglich folgendes:
1. Die Urteilsgründe belegen nicht ausdrücklich, wie hoch die Umsätze waren, die den vom Bruder des Angeklagten begangenen Umsatzsteuerhinterziehungen zu Grunde lagen, zu denen der Angeklagte Beihilfe geleistet hat. Dies gefährdet hier allerdings den Bestand des Urteils nicht.
Es ist zu differenzieren:
a) Soweit unberechtigter Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) auf der Grundlage von Scheinrechnungen erfolgte, reichte es für die Sachdarstellung in den Urteilsgründen aus, dass dessen Höhe beziffert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 StR 420/10). Aus dem Umstand, dass vorliegend den Scheinrechnungen keine tatsächlich erbrachten Leistungen zu Grunde lagen, folgt, dass der gesamte aus diesen Scheinrechnungen geltend gemachte Vorsteuerabzug zu Unrecht erfolgte. Besonderheiten des Einzelfalls, die weitere Darlegungen erforderlich gemacht hätten, sind vorliegend nicht ersichtlich.
b) Soweit Umsatzsteuer dadurch verkürzt wurde, dass in den Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärungen des Unternehmens steuerbare Umsätze verschwiegen wurden, wären demgegenüber - nicht mit erkennbarem Mehraufwand verbundene - Feststellungen zur Höhe der verschwiegenen Umsätze sachgerecht gewesen, um den Senat auch ohne aufwändige eigene Bemühungen die von ihm auf ihre rechtliche Tragfähigkeit zu überprüfenden tatsächlichen Grundlagen des Urteils erkennen zu lassen. Unter den gegebenen Umständen gefährdet dieser Mangel hier den Bestand des Urteils jedoch nicht:
Die Überzeugung von der Richtigkeit der im Urteil festgestellten Besteuerungsgrundlagen kann das Tatgericht auch anhand eines Geständnisses des Angeklagten, das das Tatgericht überprüft hat, oder anhand von verlässlichen Wahrnehmungen von Beamten der Finanzverwaltung, die diese in der Hauptverhandlung als Zeuge berichten, gewinnen. Angaben von Beamten der Finanzverwaltung zu tatsächlichen Gegebenheiten können - wie bei sonstigen Zeugen auch - taugliche Grundlage der Überzeugung des Tatgerichts sein (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546 Rn. 18 f.).
Erweist sich - wie hier - die Berechnung der verkürzten Steuern auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen als einfacher Rechenschritt (die festgestellte Hinterziehungssumme stellt nach dem zur Tatzeit geltenden Umsatzsteuersatz 16 % des zu Grunde liegenden Umsatzes dar), kann ausnahmsweise die Feststellung allein der hinterzogenen Steuern ausreichend sein. Anhaltspunkte dafür, dass der Strafkammer bei der Berechnung der hinterzogenen Umsatzsteuer (vgl. UA S. 12) bei der gegebenen Sachlage Rechtsanwendungsfehler zum Nachteil des Angeklagten unterlaufen sind, bestehen nicht, zumal der verteidigte Angeklagte die Richtigkeit des Zahlenwerks auch selbst anerkannt hat.
2. Die rechtsfehlerfreie Feststellung des Vorsatzes des Angeklagten hinsichtlich Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit "Schwarzgeld" bezweifelt auch die Revision nicht. Sie meint jedoch, die Urteilsgründe ergäben nicht, dass der Angeklagte sich auch darüber im Klaren gewesen wäre, mit seinem Verhalten auch die mittels fingierter Rechnungen begangenen Steuerhinterziehungen zu fördern. Da die Strafkammer gleichwohl davon ausgegangen sei, dass der Angeklagte auch insoweit Beihilfe geleistet habe, sei sie rechtsfehlerhaft von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen.
Wenngleich die Strafkammer die Kenntnis des Angeklagten von der Steuerhinterziehung durch "Schwarzgeld" wesentlich eingehender begründet hat als seine Kenntnis von der Steuerhinterziehung unter Verwendung fingierter Rechnungen, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Der Angeklagte hat ausweislich der Urteilsgründe, ohne dass irgendwelche Einschränkungen ersichtlich wären, die in den Urteilsgründen festgestellten Tatsachen gestanden. Dies spricht dagegen, dass die der Sache nach getroffene Feststellung des Landgerichts, er habe von sämtlichen Varianten der durch sein Verhalten unterstützten Steuerhinterziehung Kenntnis gehabt, nicht von seinem Geständnis gedeckt sei. Erhärtet wird dieses Ergebnis durch die Feststellung, dass die Höhe der "insgesamt" - also durch sämtliche Varianten - hinterzogenen Steuern "ausführlich" Gegenstand der Hauptverhandlung war und die dabei angefallenen Erkenntnisse vom Angeklagten "als richtig anerkannt" wurden. Es spricht nichts dafür, dass der Angeklagte Feststellungen zu durch sein Verhalten zwar geförderten, ihm dennoch aber unbekannten Varianten der Steuerhinterziehung als richtig anerkannt hätte.
3. Die Auffassung der Revision, wegen der Rolle des Angeklagten als "Mann in der Werkstatt" sei sein sich über Jahre hinziehendes, durch je nach Bedarf unterschiedliche konkrete Handlungen gekennzeichnetes Verhalten als nur eine Handlung im Rechtssinne zu werten, teilt der Senat aus den auch vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten, durch die Erwiderung der Revision nicht entkräfteten Gründen nicht. Im Übrigen könnte auch die - hier nicht gebotene - Annahme von Tateinheit im Ergebnis den Bestand des Strafausspruchs nicht gefährden, da sich allein durch die andere Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses der Schuld- und Unrechtsgehalt des Tatgeschehens nicht änderte, sodass auszuschließen ist, dass die wegen einer Tat zu verhängende Einzelstrafe niedriger ausgefallen wäre, als die bei Annahme von Tatmehrheit gebildete Gesamtstrafe. Die Auffassung der Revision, dies würde hier nicht gelten, weil die Annahme von Tatmehrheit "in sich den strafschärfenden Gedanken (trage), der Angeklagte habe immer aufs Neue ... Beihilfe zu einer ... (tatsächlich gegebenen) jeweils neuen Tat seines Bruders geleistet", teilt der Senat nicht. Weder hat die Strafkammer eine derartige Erwägung ausdrücklich ausgeführt, noch liegt sie nahe. Die Strafkammer hat vielmehr maßgeblich auf die "Vielzahl der Einzelakte" und den durch die Taten angerichteten hohen (siebenstelligen) Schaden abgestellt.
Diese Gesichtspunkte blieben durch eine andere Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse unberührt.
HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 215
Externe Fundstellen: NStZ 2011, 284
Bearbeiter: Karsten Gaede