HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 105
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 558/07, Beschluss v. 20.12.2007, HRRS 2008 Nr. 105
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 14. Mai 2007 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte war bis zum 30. November 2001 Bürgermeister der Stadt Z. Er war zugleich Geschäftsführer der von der Stadt Z. gegründeten Firma Wohnbau GmbH (fortan: Wohnbau GmbH) und übte - neben noch weiteren Nebentätigkeiten - diese Funktion als Nebentätigkeit zum Bürgermeisteramt aus. Der Angeklagte war deshalb verpflichtet, die Vergütungen für diese Nebentätigkeit dem Landratsamt L. als Aufsichtsbehörde anzuzeigen und sie insoweit an die Stadt Z. abzuliefern, als sie insgesamt die für ein Kalenderjahr geltende damalige Freigrenze von 9.600,- DM überschritten. Nachdem er in einer Sitzung des Gemeinderats am 30. März 1998 angekündigt hatte, die Geschäftsführertätigkeit für die Wohnbau GmbH zu beenden, wenn nicht "eine befriedigende finanzielle Regelung zu seiner Entlohnung gefunden" werde, beschloss der Gemeinderat unter dem Vorsitz des stellvertretenden Bürgermeisters, dass der aus den Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats bestehende Aufsichtsrat der Wohnbau GmbH mit dem Angeklagten eine - solche - einvernehmliche Regelung treffen solle. Am folgenden Tag fasste der Aufsichtsrat auf Vorschlag und Betreiben des Angeklagten einen Beschluss, welcher vorsah: die "Anmietung" von Arbeitsräumen im Wohnhaus des Angeklagten für eine "Warmmiete" von monatlich 965,- DM sowie die Anschaffung eines nach seinen Wünschen auszusuchenden "Geschäftswagens" für einen Kaufpreis von ca. 68.000,- DM mit einem von ihm jederzeit realisierbaren Ankaufsrecht zu einem Preis weit unter dem Verkehrswert. Die Regelungen dienten "keinem anderen Zweck, als dem Angeklagten auf diese Weise diejenige Vergütung zu verschaffen, die ihm durch die Ablieferungspflicht abhanden gekommen war". So war ein tatsächliches Mietverhältnis über Arbeitsräume von keiner Seite gewollt; der "Geschäftswagen" stand dem Angeklagten insbesondere auch kostenlos zur privaten Nutzung zur Verfügung und wurde von ihm im Oktober 2001 zu einem Preis erworben, der 17.899,- DM unter dem Verkehrswert lag.
Durch vier inhaltlich unzutreffende Nebentätigkeitsanzeigen und eine unterbliebene Nachmeldung verschwieg der Angeklagte gegenüber dem Landratsamt L. ab 1999 Einkünfte aus Nebentätigkeiten, vor allem diejenigen, die ihm als Geschäftsführer der Wohnbau GmbH in Form der "Mietzinszahlungen" und der geldwerten Vorteile aus dem "Geschäftswagen" zugeflossen waren. Der Sachbearbeiter des Landratsamts L. unterließ es daher irrtumsbedingt, jeweils die Ablieferung aller die Freigrenze übersteigenden Nebentätigkeitsvergütungen an die Stadt Z. einzufordern. Dieser entstanden hierdurch Vermögensschäden von insgesamt 121.512,98 DM.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten wegen Betrugs in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete, auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO:
a) Das Landgericht hat die Taten zutreffend unter den Straftatbestand des Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB subsumiert; denn sie sind als Fälle des sog. Dreiecksbetrugs zu werten (vgl. hierzu Fischer, StGB 55. Aufl. § 263 Rdn. 47 ff.). Das hierfür erforderliche Näheverhältnis zwischen dem Verfügenden (dem Sachbearbeiter des Landratsamts L.) und der Geschädigten (der Stadt Z.) ist gegeben. Dem Landratsamt ist als Aufsichtsbehörde die Aufgabe zugewiesen, den Anspruch der Gemeinde auf Ablieferung der Nebentätigkeitsvergütungen zu überwachen und geltend zu machen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, § 8 LNTVO BW, § 87a Abs. 2, § 134 Nr. 4 LBG BW, § 119 Satz 1, § 126 Abs. 1 GemO BW). Indem es Ansprüche der Gemeinde gegenüber dem Bürgermeister geltend zu machen hat (§ 126 Abs. 1 GemO BW), hat es die ausdrückliche Verpflichtung, deren Finanzinteressen zu wahren.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht hier keine Veranlassung, trotz Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale eines (Dreiecks-) Betrugs deshalb die Strafbarkeit zu verneinen, weil die Gemeinderatsmitglieder die wahre Sachlage gekannt und ihr Einverständnis mit der Schädigung der Gemeinde - als täuschungsunabhängige selbstschädigende Vermögensverfügung - erklärt hätten. Der Senat braucht diese Rechtsfragen (nachfolgend aa) letztlich nicht zu entscheiden (vgl. auch BGH NJW 2003, 1198, 1200 zu einer Fallgestaltung, in der die Möglichkeit einer "Wissenszurechnung" im Ergebnis offen gelassen worden ist), weil sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, dass ein wirksam erteiltes Einverständnis schon wegen Willensmängeln bei der Entscheidung der Gemeinderatsmitglieder und des stellvertretenden Bürgermeisters tatsächlich nicht vorlag (nachfolgend bb).
aa) Soweit der Beschwerdeführer meint, ein Dreiecksbetrug sei bei positiver Kenntnis des geschädigten Dritten stets ausgeschlossen, trifft dies - jedenfalls in dieser Allgemeinheit - nicht zu. Andernfalls wären Fälle des - in Rechtsprechung und Literatur anerkannten (vgl. Fischer aaO Rdn. 24, 50 m.w.N.) - sog. Prozessbetrugs praktisch kaum denkbar. Hier hat die geschädigte Prozesspartei typischerweise Kenntnis vom wahren Sachverhalt; der Richter kann jedoch auch gegen ihren Willen über ihr Vermögen irrtumsbedingt verfügen.
Vorliegend stellt sich die kommunal- und beamtenrechtliche Rechtslage wie folgt dar: Geschädigte ist die Gemeinde (die Stadt Z.) als öffentlich-rechtliche Körperschaft. Für die Gemeinde handeln die Verwaltungsorgane im Rahmen ihrer Zuständigkeit, also der Gemeinderat und der Bürgermeister (§ 23 GemO BW). Die Aufgabe, Ansprüche auf Ablieferung von Nebentätigkeitsvergütungen gegen den Bürgermeister zu überwachen und geltend zu machen, ist hingegen der Rechtsaufsichtsbehörde zugewiesen. Die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde dient gerade dazu, Interessenskollisionen auf Gemeindeebene auszuschließen und eine saubere Verwaltung zu gewährleisten (Kunze/Bronner/ Katz, GemO BW 4. Aufl. 15. Lfg. § 126 Rdn. 1).
Bei der Ablieferungspflicht nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO BW handelt es sich um zwingendes Recht (vgl. Müller/Beck, Beamtenrecht in BadenWürttemberg 77. Lfg. § 5 LNTVO [Anhang I/25 zum LBG] Rdn. 1, 38). Daher fehlt sowohl dem Gemeinderat als auch dem Bürgermeister insoweit die Befugnis, über das Gemeindevermögen zu verfügen. Wenn der Gemeinderat hier jedoch ebenso wie der (stellvertretende) Bürgermeister nicht mit Rechtswirkung für die Gemeinde zu entscheiden befugt war, liegt es nahe, dass ein gleichwohl erklärtes - für den Angeklagten erkanntermaßen gesetzwidriges - Einverständnis auch im strafrechtlichen Sinne unbeachtlich ist. Darauf, welche Entscheidungskompetenzen der Gemeinderat im Übrigen als Hauptorgan der Gemeinde (§ 24 Abs. 1 Satz 1 GemO BW) hat, käme es dann nicht an.
bb) All dem braucht der Senat jedoch nicht weiter nachzugehen, weil nach den Feststellungen des Landgerichts schon in tatsächlicher Hinsicht ein wirksam erteiltes Einverständnis nicht vorliegen kann. Der Angeklagte hatte weder den Gemeinderat noch den aus dessen Fraktionsvorsitzenden bestehenden Aufsichtsrat der Wohnbau GmbH und auch nicht den stellvertretenden Bürgermeister vor den Beschlussfassungen am 30. und 31. März 1998 umfassend über die von ihm avisierten Vergütungsregelungen informiert. Vielmehr ging er - unter dem "Deckmantel der Transparenz" (UA S. 61) - wie folgt vor: Im zeitlichen Zusammenhang mit den Beschlüssen des Gemeinderats und des Aufsichtsrats wandte er sich an einen Rechtsanwalt und den Sachbearbeiter des Landratsamts und teilte ihnen die Regelungen in groben Umrissen mit. Er vorenthielt beiden jedoch diejenigen wesentlichen Informationen, aus denen sich ergab, dass die "Mietzinszahlungen" und die geldwerten Vorteile aus dem "Geschäftswagen" Vergütungscharakter hatten und nicht bloß Aufwandsentschädigungen darstellten. Nur auf Grund dieser unvollständigen Angaben wurde ihm die Unbedenklichkeit der "Aufwandsentschädigungsregelungen" bestätigt.
Hierdurch "errichtete der Angeklagte das notwendige Gerüst, um den Anschein von Transparenz und Legalität zu verbreiten" (UA S. 85). Innerhalb der Gemeinde trat der Angeklagte unter Hinweis auf diese vermeintliche rechtliche Beratung auf. Aus den Urteilsgründen wird hinreichend deutlich, dass der Angeklagte gerade nicht darüber aufklärte, dass er seinerseits sowohl den Rechtsanwalt als auch den Sachbearbeiter des Landratsamts getäuscht hatte, um die von ihm gewünschten Auskünfte zu erhalten. Die Beschlüsse wurden daher auf der Grundlage eines erheblichen vom Angeklagten bewusst herbeigeführten Informationsdefizits der mitwirkenden Personen gefasst.
Die mittels Täuschung erlangten Auskünfte wirkten im Verhältnis zu den Gemeinderatsmitgliedern und zum stellvertretenden Bürgermeister fort. Eine Auskunft, die auf Täuschung durch den Anfragenden basiert, ist jedoch in keiner Richtung beachtlich, weil dieser weiß, dass der mitgeteilte Sachverhalt, zu dem er die Auskunft erhalten hat, nicht der wahren Sachlage entspricht (vgl. BGH wistra 2000, 257). Ein wirksam, das heißt ohne relevante Willensmängel erteiltes Einverständnis lag daher nicht vor. Der Senat vermag aufgrund des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe auszuschließen, dass die Vergütungsregelungen getroffen worden wären, wenn deren offensichtliche Rechtswidrigkeit mit der Folge einer Strafbarkeit der Gemeinderatsmitglieder und des stellvertretenden Bürgermeisters wegen Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB bekannt gewesen wäre. Im Übrigen hätte in einem solchen Fall das Landratsamt nach § 126 Abs. 1 GemO BW Ansprüche auch gegen die beteiligten Gemeinderäte geltend machen müssen, worauf diese auch deswegen an einer solchen Beschlussfassung wegen Befangenheit gehindert gewesen wären (§ 18 GemO BW).
b) Hinsichtlich der weiteren Beanstandungen der Revision wird auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 26. November 2007 Bezug genommen. Soweit geltend gemacht wird, im Rahmen der Strafzumessungserwägungen bleibe unerörtert, dass die aus dem Bürgermeisteramt resultierende Pension des Angeklagten im Disziplinarwege von monatlich 2.414,- € auf 1.566,76 € netto gekürzt worden sei, verweist der Senat ergänzend auf seine Entscheidung vom 10. Januar 2006 in der Sache 1 StR 541/05 (= NStZ 2006, 393).
HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 105
Externe Fundstellen: NStZ 2008, 339
Bearbeiter: Karsten Gaede