HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 427
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 349/06, Beschluss v. 30.03.2007, HRRS 2007 Nr. 427
1. Das Verfahren wird auf Antrag des Generalbundesanwalts in den Fällen II A 1 bis 3 der Urteilsgründe (Taten zum Nachteil der Nebenklägerin S. W.) vorläufig eingestellt (§ 154 Abs. 2 StPO).
2. Das vorbezeichnete Urteil wird im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO), dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
4. Soweit das Verfahren vorläufig eingestellt wurde, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels einschließlich der notwendigen Auslagen der Nebenklägerin U. W., ist zugleich mit der Entscheidung über die Gesamtstrafe zu befinden.
Die Jugendkammer hat den Angeklagten wegen zwölf Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu drei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Opfer waren die Nebenklägerinnen, seine Töchter S. und U.
Die drei abgeurteilten Taten zum Nachteil von S. (geboren 1974) soll er 1985/86 begangen haben, hierfür wurde je eine Strafe von sechs Monaten, einem Jahr und einem Jahr und drei Monaten verhängt. Zu den abgeurteilten Taten zum Nachteil von U. (geboren 1982) kam es zwischen 1988 und 1991/92. Die Strafen hierfür betrugen einmal ein Jahr und sechs Monate, einmal ein Jahr und drei Monate, zweimal ein Jahr, viermal zehn Monate und einmal sechs Monate. Die Anzeige war Ende 2002 erfolgt.
Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das Verfahren hinsichtlich der Taten zum Nachteil von S. W. gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt (I.). Hinsichtlich der Taten zum Nachteil von U. W. blieb die Revision erfolglos, § 349 Abs. 2 StPO (II.). Lediglich der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe entfiel, § 349 Abs. 4 StPO; über die Gesamtstrafe ist nunmehr im Beschlusswege zu entscheiden, § 354 Abs. 1b StPO (III.).
Der Angeklagte hat bestritten. Die Beschuldigungen seien erfunden, vielleicht beruhten sie auf Hass. Eine erste Hauptverhandlung wurde abgebrochen und es wurden auf Antrag der Verteidigung Gutachten zu den Aussagen der Nebenklägerinnen eingeholt.
In der erneuten Hauptverhandlung verweigerte S. W. die Aussage (§ 52 StPO). Sie legte in diesem Zusammenhang ein Schreiben ihrer Psychotherapeutin vor, die näher darlegt, dass dies auf der "aggressiven" Befragung der Zeugin in der ersten Hauptverhandlung beruhe, in der sie "ungeschützt" die "blaming-the-victim-solution" erlebt habe (zur Pflicht des Gerichts, bei einer Zeugenvernehmung auch Zeugenschutzaspekte zu beachten vgl. demgegenüber BGHSt 48, 372; BGH NJW 2005, 1519, 1520 f.; wistra 2007, 33 m.w.N.). Dem entspricht die Urteilsfeststellung, dass S. W. nach dieser Verhandlung z. B. wegen "aktueller Retraumatisierung" und "depressiver Störung" länger stationär in einem Krankenhaus für Psychotherapie war.
Die Jugendkammer vernahm zu früheren Angaben von S. W. auch die Diplom-Psychologin B., die 1992 in einem Verfahren über das Sorgerecht für die Schwestern für das Gericht ein "familienpsychologisches" Gutachten erstattet hatte. Sie hatte sich für ihr Gutachten mit den Schwestern in der Wohnung der Mutter getroffen. S. W. wollte ein "extra Gespräch", zu dem es alsbald - offenbar unmittelbar in der Wohnung - kam. Dabei äußerte sie die Sorge, U. würde vom Vater ebenso sexuell missbraucht wie sie, ohne den ihr widerfahrenen Missbrauch näher zu schildern.
Die Jugendkammer entnimmt diesen Angaben von Frau B. "gewichtige Anhaltspunkte" für die Richtigkeit der Angaben von S. W.
1. Hieran knüpft die Revision mit der Rüge der Verletzung von § 252 StPO an.
a) Bei einer Aussageverweigerung gemäß § 52 StPO können als Auskunftspersonen zu früheren Angaben, die der die Aussage verweigernde Zeuge in amtlichem Rahmen zum Verfahrensgegenstand gemacht hatte, grundsätzlich nur Richter gehört werden (vgl. zuletzt zusammenfassend BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2006 - 2 StR 334/06 m. zahlr. N.), es sei denn, es hat sich dabei um "spontane" Angaben gehandelt (vgl. zusammenfassend BGH StV 1998, 360, 361 m.w.N.; vgl. auch Diemer in KK 5. Aufl. § 252 Rdn. 20).
b) Die Jugendkammer geht davon aus, die Zeugin B. habe über eine spontane und daher verwertbare Äußerung von S. W. berichtet. Dies folge nicht zuletzt daraus, dass das "extra Gespräch" auf deren Wunsch stattfand. Selbst wenn die Initiative zum Kontakt mit einer amtlichen Stelle vom (später die Aussage verweigernden) Zeugen ausgeht, führt dies aber nicht zwingend zur Verwertbarkeit der dabei gemachten Angaben (BGH StV 1998, 360, 361 m.w.N.). Hier war S. W. bereits Verfahrensbeteiligte (§ 50b FGG) oder - weil von einer Sorgerechtsentscheidung als inzwischen Volljährige nicht mehr betroffen - jedenfalls Auskunftsperson (Zeugin) für die Sachverständige im Verfahren bezüglich U. W., als sie "im Rahmen der Gutachtenerstattung" (so die Zeugin B.) das "extra Gespräch" wollte. Daher spricht dessen enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang mit der übrigen (amtlichen) Anhörung durch die Sachverständige nicht für die Annahme einer verwertbaren Spontanäußerung (vgl. BGH StV 1998, 360, 361 zu dieser Abgrenzung, die sich "im Einzelfall ... schwierig gestalten" kann < aaO>).
2. Der Generalbundesanwalt hält die Angaben der Zeugin B. deshalb für verwertbar, weil die aus dem Schreiben der Therapeutin ersichtlichen Gründe der Zeugnisverweigerung und der sonstige Verfahrensverlauf das Einverständnis von S. W. mit der Vernehmung von Frau B. ergäben.
Der Senat kann dem letztlich nicht folgen.
a) Grundsätzlich können nichtrichterliche Vernehmungspersonen eines gemäß § 52 StPO die Aussage verweigernden Zeugen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vernommen werden, wenn der die Aussage verweigernde Zeuge damit einverstanden ist (BGHSt 45, 203; BGH NStZ-RR 2006, 181, 183; BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - 4 StR 353/06). Dies kann aus der Sicht von solchen Zeugen sinnvoll sein, die einerseits wollen, dass die Wahrheit ans Licht kommt - von diesem Interesse geht § 52 StPO an sich gerade nicht aus (vgl. BGHSt 12, 235, 239 <GS>; w. N. b. Senge in KK 5. Aufl. § 52 Rdn. 1) -, sich andererseits aber z. B. vor "retraumatisierender" (erneuter) Vernehmung schützen wollen. In einem solchen Fall muss sich das Gericht allerdings schon im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit der unmittelbaren Befragung des die Aussage verweigernden Zeugen des begrenzten Beweiswerts der Aussage der Verhörsperson bewusst sein (BGHSt 45, 203, 208).
b) Der Senat hat jedoch Bedenken gegen die Annahme, hier liege eine solche Einverständniserklärung vor.
aa) Diese ergeben sich allerdings nicht aus der von der Revision im Rahmen ihrer Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) angesprochenen Frage nach der Notwendigkeit einer Belehrung des Zeugen "über die Möglichkeit der `gespaltenen´ Zeugnisverweigerung". Der Senat bemerkt in diesem Zusammenhang:
(1) Kann ein Zeuge nach seinem Willen eine bestimmte prozessrechtlich bedeutsame Erklärung abgeben und gibt er sie ab, so kann die Wirksamkeit dieser Erklärung schwerlich davon abhängen, ob der Zeuge - zumal wenn er bereits gemäß § 52 Abs. 3 StPO belehrt und auch noch anwaltlich beraten ist - zuvor über die Möglichkeit der Abgabe einer solchen Erklärung belehrt worden ist oder nicht.
(2) Im Übrigen wäre es eine Frage des Einzelfalles, ob der Zeuge über die Folgen einer solchen Erklärung zu belehren ist. Geht die Initiative zu der genannten Erklärung von einem solchen Zeugen aus, wird in seiner Erklärung, er sei mit der Verwertung seiner früheren (nichtrichterlichen) Aussage einverstanden, jedenfalls regelmäßig zugleich die Erklärung liegen, er wisse, dass diese Aussage ohne sein Einverständnis nicht verwertbar ist. Worüber er in einem solchen Fall sinnvollerweise noch zu belehren wäre, liegt nicht auf der Hand.
(3) Ob in Fällen, in denen ein Zeuge nicht von sich aus in dieser Richtung initiativ wird, etwa die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gebieten kann, dass das Gericht den Zeugen über die genannte Möglichkeit und ihre rechtlichen Konsequenzen belehrt, kann hier offen bleiben.
bb) Der Senat teilt jedoch die Auffassung der Revision, dass eine so bedeutsame Erklärung eines Zeugen eindeutig sein muss. Aus der Sicht der Jugendkammer kam es hier auf eine solche Erklärung nicht an, da sie die Aussage B. aus anderen Gründen (Spontaneität) für verwertbar hielt. Klare Anhaltspunkte dafür, dass von oder für S. W. zum Ausdruck gebracht worden wäre, dass sie (unabhängig von alledem) auf jeden Fall mit der Verwertung ihrer Angaben gegenüber der Gutachterin einverstanden sei, ergeben sich weder aus der Niederschrift der Hauptverhandlung noch aus den Urteilsgründen. Im Revisionsverfahren hat die Staatsanwaltschaft von einer Revisionsgegenerklärung (§ 347 StPO) abgesehen, ebenso wenig hat sich die Jugendkammer zu einer dienstlichen Äußerung veranlasst gesehen. Auch seitens S. W. s selbst, die am Verfahren weiterhin als Nebenklägerin beteiligt ist, wurde hierzu nichts erklärt. Unter diesen Umständen hat das Revisionsgericht nicht zu prüfen, ob nach seiner Auffassung eine nicht ausdrücklich abgegebene Erklärung mit der Interessenlage der Zeugin vereinbar und dem Verfahrensablauf zu entnehmen sein könnte.
3. Nach alledem und unter Berücksichtigung auch seiner sonstigen, im Schreiben an die Verfahrensbeteiligten vom 28. Februar 2007 enthaltenen Hinweise, nimmt der Senat auf Antrag des Generalbundesanwalts die dem Angeklagten vorgeworfenen, inzwischen über 20 Jahre zurückliegenden Taten zum Nachteil von S. W. von der Verfolgung aus und beschränkt die Strafverfolgung auf die Taten zum Nachteil von U. W. (§ 154 Abs. 2 StPO). Eine Fallgestaltung, bei der § 154 Abs. 2 StPO deshalb nicht anwendbar wäre, weil die Unschuld des Angeklagten eindeutig feststeht (vgl. BVerfG NJW 1997, 46; BGH wistra 2007, 31, 32), liegt hier nicht vor.
Der Senat hat erwogen, ob diese Verfahrensbeschränkung den Bestand des Schuldspruchs hinsichtlich der Taten zum Nachteil von U. W. oder der hierwegen verhängten Einzelstrafen gefährden könnte. Entgegen der Auffassung der Revision war dies zu verneinen.
1. Die Jugendkammer hält die Angaben von U. W. für glaubhaft.
Die Revision meint, in diesem Zusammenhang käme der Aussage B. eine "Schlüsselrolle" zu.
Der Senat kann dem nicht folgen. S. W. hat nicht behauptet, sie wisse, dass ihre Schwester missbraucht werde, sondern sie hat gegenüber Frau B. die Befürchtung oder Vermutung geäußert, dass es hierzu gekommen sein könnte. Die Annahme, deshalb hätte die Jugendkammer die Aussagen von U. W. geglaubt, liegt schon im Ansatz nicht nahe. Sie findet - auch unter Berücksichtigung des gesamten hierauf bezogenen Revisionsvorbringens - auch in den Urteilsgründen keine erkennbare Stütze. Die Jugendkammer hat vielmehr unter anderem zu Aussagetüchtigkeit und Glaubwürdigkeit von U. W. insgesamt drei Gutachter gehört; sie hat festgestellt, dass sie gegenüber einer Reihe von Ärzten und Therapeuten, die sie ambulant und stationär behandelt haben, immer wieder, schriftlich und mündlich, teilweise bis ins Detail sexuelle Missbrauchshandlungen geschildert hat, die der Angeklagte an ihr vorgenommen hat. Zwischen den Schwestern war sexueller Missbrauch durch den Angeklagten Thema eines Gesprächs in einer Eisdiele; hierüber hat S. W. ihrer Mutter - wie diese als Zeugin bekundet hat - in dem Sinne berichtet, dass U. die Frage "nicht eindeutig bejaht oder verneint" habe, aus U. s Reaktion vermute sie (S. W.) jedoch sexuelle Übergriffe. All dies hat die Jugendkammer ebenso berücksichtigt wie Konstanz und Detailreichtum der Angaben, ihre Bestätigung in objektivierbaren Randbereichen und den Eindruck, den U. W. als Zeugin in der Hauptverhandlung auf die Jugendkammer gemacht hat. Auf dieser Grundlage hat die Jugendkammer, auch unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten, die möglicherweise gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben sprechen könnten, mit eingehenden und sorgfältig begründeten rechtsfehlerfreien Erwägungen die Überzeugung von der Richtigkeit der Angaben U. W. s gewonnen. Unter diesen Umständen ergibt eine Gesamtschau der Urteilsgründe ohne Weiteres, dass die Angaben der Zeugin B. über die Angaben, die S. W. ihr gegenüber gemacht hat, wenn überhaupt, allenfalls ein zusätzliches bestätigendes Indiz aufzeigen, von dem die Überzeugungsbildung hinsichtlich der Täterschaft des Angeklagten nicht abhing (vgl. auch BGH NStZ 2007, 235, 236 m.w.N.). Auch im Übrigen ist der Schuldspruch hinsichtlich der Taten zum Nachteil von U. W. rechtsfehlerfrei (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Die Jugendkammer hat unter anderem auch die - angesichts der gegebenen besonderen Verfahrenslage - nicht unbedenkliche Erwägung angestellt, dass die Taten sich gegen "zwei Personen als Opfer gerichtet haben". Dies gefährdet den Bestand der in Rede stehenden Einzelstrafen schon deshalb nicht, weil der Senat sie für angemessen i. S. d. § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO hält.
a) Dabei konnte nicht außer Acht bleiben, dass bei Sexualdelikten zum Nachteil sehr junger Opfer, wie etwa Kindern, der bloße Zeitablauf zwischen den Taten und der Verfahrenseinleitung als bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt weniger Gewicht hat als sonst. Dies gilt nicht zuletzt für Fälle, wenn das vom eigenen Vater missbrauchte Kind erst im Erwachsenenalter die Kraft zu der Aufarbeitung des Geschehens mit Hilfe einer Strafanzeige findet. Deshalb hat der Gesetzgeber auch die besondere Verjährungsregelung in § 78b StGB getroffen (vgl. BGH NStZ 2006, 393; 2006, 587, 588; NJW 2000, 748, 749; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 437). Die Jugendkammer hat zwar bei der Aufzählung strafmildernder Gesichtspunkte aufgeführt, dass die Taten lange zurück liegen, die genannten gegenläufigen Gesichtspunkte aber nicht ausdrücklich erwogen.
b) Im Übrigen sind die im Urteil mitgeteilten Strafzumessungsgründe nicht lückenhaft oder unklar und ermöglichen dem Revisionsgericht die Prüfung und Beantwortung der Frage, ob die Rechtsfolge angemessen ist. Ebenso wenig ist erkennbar, dass es hier im Einzelfall besonders auf den persönlichen Eindruck des Angeklagten ankäme (vgl. BGH wistra 2007, 32, 33 m.w.N.).
c) Schließlich gibt es auch keine Anhaltspunkte für erst nach der Hauptverhandlung eingetretene und dementsprechend nicht berücksichtigte Entwicklungen oder Ereignisse, die ein neuer Tatrichter nahe liegend feststellen und zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigen würde (vgl. BGH StV 2005, 426).
Allerdings hat die Revision - letztlich hilfsweise für den Fall, dass entgegen ihrem Antrag die Schuldsprüche doch Bestand haben - die Möglichkeit in den Raum gestellt, dass eine neue Hauptverhandlung "vielleicht den entscheidenden Anstoß zu einer Aussöhnung innerhalb der Familie W. geben" könnte. Es ist jedoch nicht näher ausgeführt und liegt auch nicht ohne Weiteres auf der Hand, warum eine Hauptverhandlung eine sonst nicht oder nur schwerer mögliche familiäre Aussöhnung ermöglichen, anstoßen oder fördern würde. Darüber hinaus hat die Nebenklage nunmehr jedoch auch noch gegenüber dem Senat dahin Stellung genommen, dass "eine Aussöhnung ... endgültig abgelehnt" werde.
d) Nach alledem hält der Senat unter Abwägung aller für die Strafzumessung bedeutsamer Urteilsfeststellungen und des gesamten hierauf bezogenen Vorbringens der Verfahrensbeteiligten die Einzelstrafen, die wegen der Taten zum Nachteil von U. W. verhängt wurden, für angemessen.
Mit dem Wegfall der Strafen wegen der Taten zum Nachteil von S. W. fällt zwar nur der insgesamt geringere Teil der gegen den Angeklagten verhängten Einzelstrafen weg, der hier aber andererseits schon angesichts der Höhe der wegfallenden Einzelstrafen auch nicht ohne jede Bedeutung ist. Über die nur zahlenmäßige Verminderung der Einzeltaten hinaus reduziert sich der Schuldumfang aber auch deshalb, weil die Gesamtstrafe jetzt aus Strafen wegen Taten zum Nachteil nur noch eines Opfers zu bilden ist. Nach alledem gibt der Senat hier dem Antrag, trotz des Wegfalls einiger Einzelstrafen die bisherige Gesamtstrafe als angemessen aufrecht zu halten, keine Folge, sondern hebt das Urteil im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe auf (§ 349 Abs. 4 StPO).
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, gemäß § 354 Abs. 1b StPO zu entscheiden. Eine Verweisung auf das Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 StPO kann auch dann erfolgen, wenn - wie hier - im Revisionsverfahren Einzelstrafen durch Verfahrenseinstellung wegfallen und nur deshalb über die Gesamtstrafe neu zu befinden ist (vgl. BGH NStZ 2005, 223).
Der Hinweis der Revision auf eine mögliche Versöhnung durch eine neue Hauptverhandlung gibt dem Senat aus den bereits genannten Gründen (vgl. oben II 2 c) hier keine Veranlassung, von einer Verweisung auf das Beschlussverfahren abzusehen.
Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung aus den verbleibenden, nunmehr rechtskräftigen Einzelstrafen obliegt somit dem nach § 462a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht (vgl. BGH NJW 2004, 3788).
HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 427
Externe Fundstellen: NStZ 2007, 652; StV 2007, 401
Bearbeiter: Karsten Gaede