HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 594
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 187/05, Beschluss v. 28.06.2005, HRRS 2005 Nr. 594
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 21. Dezember 2004 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Kammer hat die Strafe dem Regelstrafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen; das Vorliegen eines minder schweren Falles gemäß § 29a Abs. 2 BtMG hat sie verneint. Das Landgericht erörtert jedoch nicht, ob die Voraussetzungen des "vertypten" Strafmilderungsgrundes des § 31 BtMG vorliegen, obwohl - worauf auch der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - nach den Ausführungen im Urteil eine solche Prüfung zumindest nicht fernlag (s. UA S. 9) und die Strafkammer selbst die Zusammenarbeit des Angeklagten mit der Polizei festgestellt hat (UA S. 13).
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten der Angeklagte und der gesondert verfolgte B. Anfang 2004 bei dem ebenfalls anderweit verfolgten Ö. 3.000 Ecstasy-Tabletten zum Preis von 1,75 Euro pro Stück bestellt und von ihm geliefert erhalten. Davon verkauften sie mehrere Hundert Tabletten zum Preis von 3,50 Euro je Stück an den gesondert verfolgten P. Nachdem P. in der Folgezeit festgenommen worden war, erklärte er sich zu einem Scheingeschäft bereit, bei welchen dann der Angeklagte festgenommen werden konnte.
Nunmehr erklärte sich auch der Angeklagte bereit, ein von der Staatsanwaltschaft genehmigtes Scheingeschäft durchzuführen. Dadurch konnte er von B. die restlichen 1601 Ecstasy-Tabletten aus der gemeinsamen Bestellung übernehmen, welche B. nach der Verhaftung des Angeklagten aus dem ursprünglichen Versteck entfernt und an anderer Stelle deponiert hatte. Dieses neue Versteck war weder dem Angeklagten noch der Polizei bekannt. Durch die Zusammenarbeit des Angeklagten mit der Polizei konnten somit diese 1.601 Tabletten sichergestellt und zugleich verhindert werden, daß sie weiterveräußert wurden.
Das Landgericht hat bei seinen Erwägungen zur Strafzumessung zwar ausdrücklich festgestellt, daß der Angeklagte durch seine Zusammenarbeit mit der Polizei zur Sicherstellung von 1.601 Ecstasy-Tabletten beigetragen hat (UA S. 13). Nach den Feststellungen bleibt jedoch unklar, ob und wie weit durch die Angaben der Angeklagten ein wesentlicher Aufklärungserfolg i.S.v. § 31 BtMG nicht nur durch die Sicherstellung der versteckten Ecstasy-Tabletten sondern möglicherweise auch durch die Festnahme des anderweit verfolgten B. eingetreten ist. Jedoch lassen die Formulierungen in den Urteilsgründen es zumindest als naheliegend erscheinen, daß die Voraussetzungen des § 31 BtMG gegeben sind. Daher war eine ausdrückliche Erörterung dieser Frage hier geboten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können die Voraussetzungen des § 31 BtMG auch bei einem Angeklagten erfüllt sein, der über seinen eigenen - bereits bekannten - Tatbeitrag hinaus Tataufklärung betreibt (BGH NStZ-RR 2002, 251; BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 29). Vorliegend war zwar der Tatbeitrag des Angeklagten den Ermittlungsbehörden bereits bekannt und auch das Rauschgift teilweise sichergestellt worden, mehr als die Hälfte der Gesamtlieferung der Ecstasy-Tabletten befand sich jedoch nach der Festnahme des Angeklagten an einem sowohl dem Angeklagten als auch der Polizei unbekannten Ort und hätte daher auch in den freien Verkehr gelangen können. Diese Tabletten konnten ersichtlich erst aufgrund der Bereitschaft des Angeklagten zu einem Scheingeschäft sichergestellt werden.
Allerdings verlangt § 31 Nr. 1 BtMG nicht notwendig einen Fahndungserfolg (BGH StV 1994, 544 m.w.Nachw.). Umgekehrt genügt aber die Ermöglichung eines Fahndungserfolgs, auch wenn das Verhalten des Tatbeteiligten den Ermittlungsbehörden bereits bekannt ist: Die Auslegung von § 31 BtMG hat sich an der Zielsetzung dieser Bestimmung zu orientieren (BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 29). § 31 Nr. 1 BtMG soll die Möglichkeit der Verfolgung begangener Straftaten verbessern (BGHSt 31, 163, 167; 33, 80, 81; BGH StV 1994, 543, 544). Diese Voraussetzungen können aber auch vorliegen, wenn es durch die Mitwirkung eines Angeklagten gelingt, weitere - den Ermittlungsbehörden bislang nicht bekannte oder an unbekanntem Ort versteckte - Betäubungsmittel sicherzustellen. In solchen Fällen kann sowohl eine im Ergebnis besonders wirksame Form der Aufklärungshilfe entsprechend § 31 Nr. 1 BtMG (vgl. auch BGHR aaO) wie auch eine besonders wirksame Form der Verhinderung geplanter Straftaten im Sinne des § 31 Nr. 2 BtMG gegeben sein.
Auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht der Strafausspruch auch. Zwar hat das Landgericht bei seinen Erwägungen zur Strafzumessung die Zusammenarbeit des Angeklagten mit der Polizei berücksichtigt. Dennoch kann nicht sicher ausgeschlossen werden, daß die Einzelstrafen milder ausgefallen wären, wenn die Kammer die Voraussetzungen des § 31 BtMG geprüft hätte.
Die Aufhebung dieser Strafen führt zugleich zur Aufhebung der Gesamtstrafe einschließlich der dazu getroffenen Feststellungen.
HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 594
Externe Fundstellen: NJW 2005, 2632; NStZ 2006, 177; NStZ-RR 2005, 324; StV 2005, 558
Bearbeiter: Karsten Gaede