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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 59/00, Urteil v. 06.04.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 59/00 - Urteil v. 6. April 2000 (LG Ellwangen)

Strafzumessung bei unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; Schuldangemessene Strafe; Geständnis

§ 46 StGB; § 29 BtMG

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 27. Oktober 1999 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten durch diese Revision entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 24 Fällen, davon in vier Fällen bandenmäßig und in einem Fall tateinheitlich mit vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem wurde der Verfall von Wertersatz in Höhe von 242.340,20 DM und der Verfall von 28.600.000 spanischen Peseten angeordnet. Desweiteren wurden ein Kraftfahrzeug VW Passat sowie ein Citroen BX eingezogen.

Nach den Feststellungen ist der nicht vorbestrafte Angeklagte Organisator einer international operierenden Rauschgifthändlerbande gewesen, die mit Heroin in nicht geringer Menge Handel trieb, indem sie von in der Türkei ansässigen Verkäufern Heroin in großen Mengen bei unbekannt gebliebenen Hintermännern bezog, welches dann vom Angeklagten in hierzu eigens präparierten Kraftfahrzeugen unter Einbindung verschiedener Fahrer in die Bundesrepublik Deutschland und von dort weiter nach Sevilla oder Amsterdam zu dortigen Abnehmern transportiert wurde bzw. werden sollte.

Nach der "glaubhaften Erklärung des Angeklagten" handelte es sich im Fall 1 um 12 kg Heroingemisch, im Fall 2 um mindestens 15 kg, im Fall 3 um 20,725 kg sowie im Fall 4 um 25,94 kg Heroingemisch. Das Heroin war jeweils von guter bis sehr guter Qualität (in etwa 50 % Heroinbase). Neben diesen vier Fällen bandenmäßigen Handeltreibens stellte das Gericht in den Fällen 5 bis 24 jeweils ein Verbrechen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln von jeweils etwa 50 g (Fälle 5 bis 23) bzw. 514,4 g (Fall 24) Heroingemisch fest, wobei in letzterem Fall die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tateinheitlich hinzutrat.

Das Landgericht hat in den Fällen 1, 3 und 4 jeweils sechs Jahre Freiheitsstrafe, in den Fällen 5 bis 23 jeweils zwei Jahre Freiheitsstrafe, im Fall 24 drei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe sowie im Fall 2 sechs Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe - zugleich die Einsatzstrafe - festgesetzt und dabei insbesondere in den Fällen 1 bis 4 auf den individuellen Tatbeitrag, nicht allein auf die Betäubungsmittelmenge abgehoben. Für die im Zeitraum zwischen Herbst 1997 -und November 1998 begangenen Taten wurde unter "straffem Zusammenzug der Einzelstrafen" auf die Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten erkannt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Strafzumessung beschränkte und gegen die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Die Revisionsführerin ist der Ansicht, die Höhe der Einzelstrafen lasse in Anbetracht des gehandelten Heroins befürchten, daß die Strafkammer dem Geständnis zu großes Gewicht beigemessen habe und die Strafe keinen gerechten Schuldausgleich mehr darstelle. Es bestünden "erhebliche Bedenken, ob die Einzelstrafen noch in einem angemessenen Verhältnis zum Grad der persönlichen Schuld des Angeklagten, zum Unrechtsgehalt und zur Gefährlichkeit der Tat stehen und sich im Rahmen des für vergleichbare Fälle Üblichen halten oder ob sie nicht vielmehr unter Verkennung des Gewichts des Angriffes auf die Volksgesundheit und damit der unteren Grenze des Bereichs für eine schuldangemessene Strafe innerhalb des Strafrahmens so niedrig bemessen wurden, daß sie sich nach unten von ihrer Bestimmung gelöst haben gerechter Schuldausgleich zu sein". Diese Bedenken sollen namentlich die Gesamtstrafe erfassen, die in besonderer Weise die Gesamtmenge von 75,12 kg mit einer Wirkstoffmenge von über 35 kg zu berücksichtigen habe. Der Tatrichter habe nicht dargelegt, aus welchen Gründen er "zu einem straffen Zusammenzug" gekommen sei.

Diesen Angriffen der Revision auf die Strafzumessung kann jedoch nicht gefolgt werden. Die Strafzumessung ist Aufgabe des Tatrichters. Auch unter Berücksichtigung der im einzelnen dargelegten außerordentlich hohen Menge der gehandelten und als solche bezeichneten "harten Drogen" (bis zum 7.666fachen der nicht geringen Menge), kann bei einer Gesamtstrafe (vgl. BGHSt 8, 205, 210 f.), die das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe gemäß § 38 Abs. 2 StGB zu fast zwei Dritteln erreicht, nicht davon gesprochen werden, daß der Tatrichter den Wert- und Zweckvorstellungen des Gesetzes nicht gerecht geworden sei. Er hat sich vielmehr mit der ihm zugewiesenen Entscheidung in dem Bereich des revisionsrechtlich nicht mehr Überprüfbaren gehalten (vgl. Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 46 StGB Rdn. 50).

Insbesondere ist weder zu besorgen, daß der Tatrichter dem durchaus distanziert geschilderten Geständnis des Angeklagten zu großen Wert beigemessen hat, noch daß er die Gesamtmenge der Betäubungsmittel in den einzelnen Fällen oder in ihrer Gesamtheit aus den Augen verloren hat.

Der Tatrichter brauchte hier im einzelnen nicht näher darzulegen, daß sich ein straffer Zusammenzug bei einem zudem nicht vorbestraften Beschuldigten aufdrängt, wenn sich die Einzelakte bei schon zu Lasten des Angeklagten gewerteter "hoher Tatfrequenz" innerhalb etwa eines Jahres abgespielt haben. Auf den bei der Bemessung eines gerechten Schuldausgleichs zu berücksichtigenden Umstand des Entzuges einer erheblichen Geldmenge, der Einziehung zweier Kraftfahrzeuge und auf die Tatsache, daß das Heroin in den Fällen 3, 4 und 24 nicht auf den Drogenmarkt kam, mußte der Tatrichter zutreffend zugunsten des Angeklagten eingehen.

Auch im übrigen deckt die Überprüfung der Strafzumessung keinen Rechtsfehler auf. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, daß die Einziehung der beiden Fahrzeuge des Angeklagten nicht nach § 33 Abs. 2 BtMG, sondern nach § 74 Abs. 1 StGB möglich ist, da sich nicht die Straftat auf die Fahrzeuge bezog, sondern diese zur Tatbegehung gebraucht wurden. Daraus ergeben sich jedoch keine Schlußfolgerungen für die Revisionsentscheidung.

Externe Fundstellen: StV 2000, 613

Bearbeiter: Karsten Gaede