HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 749
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 4/25, Beschluss v. 07.05.2025, HRRS 2025 Nr. 749
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 31. Juli 2024, soweit es ihn betrifft,
a) aufgehoben
aa) im Fall 6 der Urteilsgründe mit den zugrundeliegenden Feststellungen,
bb) im Gesamtstrafenausspruch,
b) dahin abgeändert und neu gefasst, dass der Angeklagte, soweit er in den Fällen 2 bis 5 und 8 bis 9 der Urteilsgründe verurteilt ist, schuldig ist der gewerbsmäßigen Hehlerei, des Diebstahls oder der gewerbsmäßigen Hehlerei und des Diebstahls in vier Fällen, davon in zwei Fällen im Versuch,
c) dahin ergänzt, dass der Angeklagte im Fall 7 der Urteilsgründe freigesprochen wird; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freispruch im Übrigen, allerdings nicht auch ausdrücklich im Fall 7 der Urteilsgründe - wegen „versuchten Diebstahls in fünf Fällen, davon in drei Fällen versucht“ (Fälle 2 bis 6 der Urteilsgründe), sowie wegen „gewerbsmäßige[r] Hehlerei in zwei Fällen“ (Fälle 8 und 9 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die unausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
1. Der Schuldspruch bedarf in mehrfacher Hinsicht der Korrektur.
a) Er unterfällt im Fall 6 der Urteilsgründe der Aufhebung.
aa) Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen beabsichtigten der Angeklagte und ein unbekannter Mittäter, hochwertige Fahrräder bzw. Pedelecs zu entwenden. Während der Angeklagte das Anreise- und gegebenenfalls Fluchtfahrzeug steuerte, oblag die Wegnahme der Fahrräder dem Mittäter. Der Erlös aus der Veräußerung der Tatbeute sollte zwischen beiden geteilt werden.
Am 14. Februar 2023 fuhr der Angeklagte mit seinem Mittäter langsam an einem in einem Hinterhof gelegenen Fahrradabstellplatz auf einem Firmengelände in Aachen vorbei. Beide hatten bereits zuvor zweimal von diesem Abstellplatz Fahrräder entwendet. Während der Angeklagte im Fahrzeug verblieb, begab sich der Mittäter zu Fuß zum Abstellplatz und betrachtete dort die abgestellten Fahrräder. Er flüchtete „unverrichteter Dinge“, als er von einem Zeugen, der den Vorgang beobachtet hatte, angesprochen wurde.
Die Strafkammer ist davon ausgegangen, der unbekannte Mittäter habe zum versuchten (gewerbsmäßigen) Diebstahl unmittelbar angesetzt. Der Mittäter habe tatplangemäß unmittelbar davorgestanden, das Fahrradschloss mit einem geeigneten Werkzeug zu öffnen, „sodass der Erfolg nur wenige Augenblicke entfernt“ gelegen habe (Fall 6 der Urteilsgründe).
bb) Diese rechtliche Würdigung wird von den Feststellungen nicht getragen.
(1) Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Erforderlich ist hierfür nicht die Verwirklichung mindestens eines Tatbestandsmerkmals. Genügend ist vielmehr auch ein für sich gesehen noch nicht tatbestandsmäßiges Handeln, soweit es nach der Vorstellung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals räumlich und zeitlich unmittelbar vorgelagert ist oder nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang ohne Zwischenakt in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls. Maßgeblicher Orientierungspunkt ist dabei angesichts der Fassung des § 22 StGB die Vorstellung des Täters, das heißt der Tatplan, der über die Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch entscheidet (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2018 - 2 StR 123/18, NStZ 2019, 79 Rn. 4 f., und vom 12. März 2023 - 3 StR 422/23, BGHR StGB § 22 Ansetzen 42 Rn. 11, jew. mwN). Ist der Gewahrsam durch einen Schutzmechanismus gesichert, reicht für den Versuchsbeginn der erste Angriff auf diesen regelmäßig aus, wenn sich der Täter bei dessen Überwindung nach dem Tatplan ohne tatbestandsfremde Zwischenschritte, zeitliche Zäsur oder weitere eigenständige Willensbildung einen ungehinderten Zugriff auf die erwartete Beute vorstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2024 - 5 StR 535/23, Rn. 7). Dabei treten Mittäter einheitlich in das Versuchsstadium ein, sobald nur einer von ihnen zu der tatbestandlichen Ausführungshandlung ansetzt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. September 1989 - 3 StR 268/89, BGHSt 36, 249, 250, und vom 17. März 2022 - 4 StR 223/21, Rn. 15).
(2) Hieran gemessen hat der Mittäter des Angeklagten noch nicht unmittelbar zur Tatbestandsausführung angesetzt. Nähere Feststellungen zur Konkretisierung und Dichte des Tatplans hat die Strafkammer nicht getroffen. Ein Angriff auf den Schutzmechanismus eines ausgewählten Diebstahlsobjekts ist nicht dargestellt. Ob der Angeklagte und/oder sein Mittäter bereits ein konkretes Fahrrad oder Pedelec als Diebstahlsobjekt ausgewählt hatten, bleibt ebenso offen wie die zeitliche Dimension des geplanten Diebstahls. Ob der unbekannte Mittäter bereits Aufbruchswerkzeug mitführte, ist ebenfalls nicht ausgeführt.
b) Der Schuldspruch im Fall 8 der Urteilsgründe bedarf der Änderung.
aa) Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen verschaffte sich der Mitangeklagte L. zwischen dem 13. März 2023 und dem 12. April 2023 mindestens vier Fahrräder bzw. Pedelecs, die zuvor durch Unbekannte, wie er billigend in Kauf nahm, entwendet worden waren (Fall 7 der Urteilsgründe).
Am 12. April 2023 lud L. diese in einen von ihm beschafften Transporter und begab sich mit dem Fahrzeug zum Angeklagten. Dort verluden beide vier weitere verpackte Fahrräder bzw. Pedelecs in das Fahrzeug. Der Angeklagte hatte sich diese Fahrräder bzw. Pedelecs zuvor verschafft, nachdem sie entweder von ihm oder, wovon er jedenfalls Kenntnis hatte, von Unbekannten gestohlen worden waren. Die insgesamt acht gestohlenen, im unmittelbaren Anschluss indessen sichergestellten Fahrräder bzw. Pedelecs sollten von L. an einen anderen Ort verbracht werden, um sie dort gewinnbringend weiter zu veräußern. Der Verkaufserlös aus den vier zugeladenen Fahrrädern bzw. Pedelecs sollte der Angeklagte erhalten (Fall 8 der Urteilsgründe).
Die Strafkammer hat den Angeklagten im Fall 8 der Urteilsgründe im Wege der Postpendenzfeststellung wegen gewerbsmäßiger Hehlerei an den vier zugeladenen Fahrrädern bzw. Pedelecs verurteilt. Denn es stehe fest, dass er die vier zugeladenen Fahrräder bzw. Pedelecs „in die Verfügungsgewalt des Angeklagten L. verbracht“ habe.
bb) Diese Feststellungen tragen keine Postpendenzfeststellung; der Angeklagte ist indes des Diebstahls oder der gewerbsmäßigen Hehlerei schuldig.
(1) Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass eine Postpendenzfeststellung nur möglich ist, wenn feststeht, dass der Angeklagte faktisch alle Tatbestandsmerkmale der Hehlerei erfüllt, also auch, dass er das Hehlgut von einem anderen als Täter der Vortat erlangt hat und nur offenbleibt, ob er selbst an der Vortat beteiligt war. Entscheidend ist damit, ob feststeht, dass der Angeklagte die gestohlenen Gegenstände von einem anderen - und sei es von einem Mittäter der Vortat - erlangt hat (vgl. BGH, Urteile vom 29. März 1990 - 4 StR 681/89, BGHR StGB vor § 1 Wahlfeststellung Postpendenz 4, und vom 25. Oktober 2017 - 2 StR 495/12, NStZ-RR 2018, 47, 48 f., Beschlüsse vom 27. April 2021 - 5 StR 44/21, Rn. 5, und vom 28. Februar 2023 - 2 StR 377/22, NStZ 2023, 487 Rn. 5; MüKoStGB/Maier, 4. Aufl., § 259 Rn. 199 f.; aA NK-StGB/Altenhain, 6. Aufl., § 259 Rn. 86). Das Landgericht konnte indes nicht ausschließen, dass der Angeklagte die zugeladenen vier Fahrräder bzw. Pedelecs selbst gestohlen hatte. Damit scheidet eine eindeutige Verurteilung wegen Hehlerei auf der Grundlage einer Postpendenzfeststellung aus.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts belegen die Feststellungen im Übrigen auch keine eigene Verfügungsgewalt des L. an diesen vier Fahrrädern bzw. Pedelecs. Eine für die Hehlerei erforderliche Perpetuierung eines rechtswidrigen Vermögenszustandes liegt nur dann vor, wenn beide Teile übereinkommen, dass der Erwerber allein, also unabhängig vom Willen des Vortäters, über die Sache verfügen kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 1987 - 1 StR 423/87, BGHSt 35, 172, 175 f.; Beschluss vom 18. Februar 2004 - 2 StR 423/03, BGHR StGB § 259 Abs. 1 Sichverschaffen 11). Die Aufgabe von L. bestand darin, die vier zugeladenen Fahrräder bzw. Pedelecs „absprachegemäß an einen anderen Ort [zu] verbring[en], um sie von dort aus anschließend gewinnbringend weiter zu veräußern“, damit der Angeklagte „absprachegemäß den Veräußerungserlös erhalten sollte“. Damit ist eine selbständige Verfügungsgewalt des L. nicht belegt. Es bleibt zudem offen, inwieweit der Angeklagte und/oder L. die Verkaufsgespräche führen oder Einfluss auf selbige nehmen sollten.
(2) Der Angeklagte ist daher des Diebstahls oder der gewerbsmäßigen Hehlerei an diesen vier Fahrrädern bzw. Pedelecs schuldig (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 2 StR 495/12, NStZ-RR 2018, 47, 49). Er hat alle vier zugeladenen Fahrräder bzw. Pedelecs entweder jeweils gestohlen oder sich jeweils in Kenntnis des vorangegangenen Diebstahls vom Vortäter in Bereicherungsabsicht gewerbsmäßig verschafft. Der Senat ändert den Schuldspruch im Fall 8 der Urteilsgründe entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da dem Angeklagten mit der unverändert zugelassenen Anklageschrift bereits zur Last gelegt war, diese vier Fahrräder bzw. Pedelecs entweder gestohlen oder gewerbsmäßig gehehlt zu haben.
c) Zudem war der Schuldspruch, der mit dem verkündeten Urteilstenor identisch ist, im Hinblick auf die verbleibenden Diebstahlstaten (Fälle 2 bis 5 der Urteilsgründe) aufgrund des offensichtlichen Fassungsversehens dahin zu korrigieren, dass der Angeklagte des Diebstahls von anderem, nicht die Fälle 7 und 8 der Urteilsgründe betreffenden Diebesgut in vier weiteren Fällen, davon in zwei Fällen im Versuch, schuldig ist. Insoweit hat die Überprüfung des Schuldspruchs, ebenso wie die weitere Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Hehlerei im Fall 9 der Urteilsgründe, keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2. Ferner war der Angeklagte im Fall 7 der Urteilsgründe freizusprechen. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage war ihm in den Fällen 14 bis 21 der Anklage (abgeurteilt als Fall 7 [vier der angeklagten Fälle] und Fall 8 [vier weitere angeklagte Fälle] der Urteilsgründe) zur Last gelegt worden, die dort näher bezeichneten Fahrräder bzw. Pedelecs in acht Einzelfällen gemeinsam mit L. und einem weiteren Mittäter entweder entwendet oder sich diese banden- und gewerbsmäßig verschafft zu haben, um sie gewinnbringend weiter zu veräußern. Indes sind in der Hauptverhandlung zulasten des Angeklagten lediglich vier dieser acht tatmehrheitlich angeklagten Fälle festgestellt worden, die Gegenstand des Falls 8 der Urteilsgründe geworden sind. In vier Fällen der Anklage, die (bei eindeutiger Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und Freispruch von den wahlweise angeklagten Diebstahlstaten) Gegenstand des zulasten des Mitangeklagten L. abgeurteilten Falls 7 der Urteilsgründe sind, ist eine Beteiligung des Angeklagten nicht festgestellt. Der Angeklagte war daher im Fall 7 der Urteilsgründe zur Erschöpfung der Anklage insgesamt freizusprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2024 - 3 StR 373/21, Rn. 39), weil ihm nach den Feststellungen des Landgerichts hinsichtlich der vier zunächst allein von L. in den Transporter verladenen Fahrräder bzw. Pedelecs weder ein Diebstahl noch eine Beteiligung an einer Hehlereitat des L. zur Last liegt.
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 6 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der dort verhängten Einzelstrafe und zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Im Übrigen haben die Einzelstrafen - im Fall 7 der Urteilsgründe hat das Landgericht keine Einzelstrafe verhängt, sondern lediglich versäumt, den Angeklagten freizusprechen - Bestand. Die Schuldspruchkorrektur im Fall 8 der Urteilsgründe lässt die für diese Tat zugemessene Freiheitsstrafe von acht Monaten unberührt. Die Strafkammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf die Postpendenzfeststellung die Grundsätze der Wahlfeststellung Anwendung finden (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Februar 2011 - 4 StR 651/10, NStZ 2011, 510); sie hat daher ihrer Zumessung den Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren zugrunde gelegt und auch gesehen, dass sich die Tat auf lediglich vier Fahrräder bezog.
4. Die Überprüfung der Einziehungsentscheidung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
5. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hat auch die Feststellungen im Fall 6 der Urteilsgründe aufgehoben, um dem neuen Tatgericht eine umfassende neue Bewertung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu ermöglichen.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 749
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede