HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 235
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 54/24, Urteil v. 09.01.2025, HRRS 2025 Nr. 235
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 20. Oktober 2023
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 23 Fällen, davon in 15 Fällen in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis, und des Handeltreibens mit Cannabis in 13 Fällen schuldig ist;
b) aufgehoben
aa) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen 6, 7, 11, 13, 14, 16, 18, 19, 25, 27, 32, 34 und 35 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
bb) in der Einziehungsanordnung mit den zugehörigen Feststellungen, soweit die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von mehr als 64.890 € angeordnet ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 35 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt; daneben hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 524.047 € sowie sichergestellten Kokains angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte der - zu den Tatvorwürfen schweigende - Angeklagte im Zeitraum vom 31. Juli 2020 bis zum 3. Juni 2021 in 34 Fällen mit Marihuana, Haschisch und Kokain, wobei sich der Handel in sieben Fällen allein auf Kokain, in 16 Fällen auf Kokain und Cannabis sowie in zwölf Fällen allein auf Cannabis bezog. Zur Anbahnung und Abwicklung der Geschäfte bediente sich der Angeklagte kryptierter Mobiltelefone. Die Wirkstoffmenge der gehandelten Rauschmittel überschritt in allen Einzelfällen bezogen auf die beiden unterschiedlichen Arten jeweils 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) bzw. 5 Gramm Kokainhydrochlorid (KHCl) um ein Mehrfaches (Fälle 1 bis 34 der Urteilsgründe). Der Angeklagte verschaffte sich durch die Verkaufserlöse aus den Weiterveräußerungen eine dauerhafte und erhebliche Einnahmequelle. Am 29. März 2023 übte er die Sachherrschaft über 754,5 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 15,21 % THC aus, die er in der Wohnung des gesondert Verfolgten K. aufbewahrte. In seiner Wohnung verwahrte er weitere 46,55 Gramm Marihuana zum Eigenkonsum und 51,2 Gramm Kokain (Wirkstoffmenge: 43,92 Gramm KHCl); das Marihuana in der anderen Wohnung und das Kokain waren zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmt (Fall 35 der Urteilsgründe).
2. Die tatgerichtliche Beweiswürdigung fußt maßgeblich in den Fällen 1 bis 25 der Urteilsgründe auf der Auswertung zweier „SkyECC“-accounts, im Fall 35 auf der Sicherstellung der Rauschmittel und in den Fällen 26 bis 34 der Urteilsgründe auf der Auswertung von über den „Anom“-account „pa.“ ausgetauschten Nachrichten.
1. a) Die Revision ist teilweise, und zwar in sachlichrechtlicher Hinsicht begründet.
aa) Der Schuldspruch bedarf in den betroffenen 28 Fällen der Anpassung an das am 1. April 2024 in Kraft getretene Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 27. März 2024 (§ 2 Abs. 3 StGB i.V.m § 354a StPO; § 34 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 1 Nr. 4, 5 KCanG). Im letzten Fall erweist sich zudem die Annahme von Tateinheit (§ 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB) zwischen den beiden gehandelten Rauschmittelarten als rechtsfehlerhaft. Denn der gleichzeitige Besitz an demselben Tag allein vermag für die beiden an unterschiedlichen Orten vorgehaltenen Handelsmengen keine Tateinheit zu begründen; darüber hinaus ist erforderlich, dass die Art und Weise der Besitzausübung die Wertung rechtfertigt, dass - etwa wegen eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs - die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die andere darstellt (Teilidentität der tatbestandlichen Ausführungshandlungen; vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. September 2024 - 6 StR 379/24 Rn. 7 f.; vom 6. Mai 2024 - 2 StR 480/23 Rn. 15; vom 30. Juni 2021 - 1 StR 172/21 Rn. 7 und vom 28. Mai 2018 - 3 StR 88/18, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 6 Rn. 7; jeweils mwN). Eine solche Überschneidung ist hier weder festgestellt noch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen. Der Senat schließt aus, dass im zweiten Rechtsgang hierzu belastbare Feststellungen getroffen werden könnten, und ändert die Konkurrenz insoweit auf Tatmehrheit zwischen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Handeltreiben mit Cannabis (§ 53 Abs. 1 StGB; § 354 Abs. 1 StPO analog). Dem und der Neufassung des Schuldspruchs insgesamt steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, da sich der Angeklagte hiergegen nicht effektiver als geschehen hätte verteidigen können.
bb) Die Schuldspruchänderung führt zur Teilaufhebung des Strafausspruchs. Auch wenn die Tatserie von einer hohen Professionalität mit einem raschen Umschlag zeugt und die gehandelten Marihuanamengen überwiegend im mehrfachen Kilogrammbereich lagen, kann der Senat letztlich aufgrund des gegenüber § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG deutlich milderen Strafrahmens des § 34 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 (Gewerbsmäßigkeit) und Nr. 4 KCanG (Überschreiten der Grenze zur nicht geringen Menge) nicht ausschließen, dass das Landgericht in den zwölf Fällen, in denen der Angeklagte ausschließlich mit Marihuana bzw. Haschisch handelte, noch niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte. Bezüglich des Falles 35 der Urteilsgründe sind nunmehr zwei Einzelstrafen zu verhängen, die jeweils die bisherige Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten nicht überschreiten dürfen (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO). Die Aufhebung der genannten 13 Einzelstrafen bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe. Sämtliche Feststellungen sind aufrechtzuerhalten (§ 353 Abs. 2 StPO) und können um solche ergänzt werden, die ihnen nicht widersprechen.
cc) Die auf § 73 Abs. 1 Alternative 1, § 73c Satz 1 StGB gestützte Einziehung hat überwiegend keinen Bestand. Denn das Landgericht hat mit Ausnahme der Fälle 12, 15, 20, 22 bis 24 sowie 26 bis 28 der Urteilsgründe seine Überzeugung von einer gewinnbringenden Weiterveräußerung (insbesondere UA S. 77) nicht auf konkrete Feststellungen zu Zahlungszuflüssen bei den Einzelfällen gestützt und solche auch nicht innerhalb der Beweiswürdigung nachgeschoben. (Mindest-)Feststellungen hierzu waren nicht etwa deswegen entbehrlich, weil das Landgericht die Höhe der abzuschöpfenden Veräußerungserlöse nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO auf die Höhe der Einkaufspreise beschränkt hat.
Mindestbeträge vermag der Senat in diesem Fall nicht hinreichend sicher dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen, wenngleich offensichtlich ist, dass der Angeklagte ohne erfolgreichen Abverkauf die nachfolgenden Erwerbe nicht hätte finanzieren können. Einem solchen Rückschluss steht hier jedenfalls entgegen, dass das gelieferte Cannabis in manchen Fällen nicht die vereinbarte Qualität hatte und der Angeklagte auf eine Rückabwicklung drängte. Da infolge der Beweisführung nahezu ausschließlich mit Chatnachrichten die Rauschmittelgeschäfte nicht vollständig bezüglich der Weiterveräußerungen aufgeklärt sind, kann der Senat letztlich nicht ausschließen, dass auch in anderen Fällen der Angeklagte die Ware nicht im geplanten Umfang umsetzen konnte. Diesen Unwägbarkeiten zu den Zahlungszuflüssen kann nicht durch die Beschränkung auf die Einkaufspreise begegnet werden (vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 2023 - 2 BvR 499/23 Rn. 30-35 mwN). In den Fällen 7, 13, 16, 18 und 19 der Urteilsgründe mit einer abgekürzten Lieferung könnte zudem einer tatsächlichen Verfügungsgewalt über das Bargeld entgegenstehen, dass der jeweilige Lieferant vom Dritterwerber das Entgelt ohne Beteiligung des Angeklagten erlangte; mit der Frage, ob eine ausreichende Verfügungsmacht des Angeklagten durch das Befolgen seiner Anweisungen in den beiden Leistungsverhältnissen begründet wird, hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt. Auf die Befreiung von einer Kaufpreisverbindlichkeit gegenüber seinem Lieferanten als erlangtes Etwas kann nicht abgestellt werden, da die Betäubungsmittelgeschäfte nach § 134 BGB unwirksam sind (st. Rspr.; zuletzt BGH, Beschluss vom 16. November 2023 - 6 StR 332/23 Rn. 6 mwN). Schließlich ist nicht ersichtlich, ob das Landgericht beachtet hat, dass der Angeklagte 60 Gramm Marihuana von jeder Lieferung für seinen Eigenkonsum einbehielt. Allein in den genannten neun Fällen (mit Einzelbeträgen in Höhe von 2.100 €, 5.700 €, 1.800 €, 390 €, 11.600 €, 3.900 €, 15.000 €, 4.800 € und 19.600 €) ist festgestellt und anhand der Auswertung des Chatverkehrs tragfähig belegt, dass der Angeklagte Bargeld vereinnahmte. Dabei ist der Beweiswürdigung zu den Fällen 23, 26 und 27 der Urteilsgründe zu entnehmen, dass der Angeklagte die offenen Forderungen seines Lieferanten für die auf Kommission veräußerten Rauschmittel beglich.
b) Im Übrigen erweist sich die Beanstandung des sachlichen Rechts als erfolglos. Die Strafzumessung in den sieben Fällen, in denen sich das Handeltreiben des Angeklagten allein auf eine nicht geringe Menge von Kokain (Fälle 1, 5, 8, 9, 23, 26 und 31 der Urteilsgründe) bezog, bleibt von der Strafaufhebung unbeeinflusst. Auch in den 15 Fällen, in denen der Angeklagte neben Kokain in nicht geringer Menge mit Marihuana in nicht geringer Menge bzw. zusätzlich mit Haschisch handelte, haben die Einzelstrafen Bestand (Fälle 2 bis 4, 10, 12, 15, 17, 20 bis 22, 24, 28 bis 30 und 33 der Urteilsgründe). Der Strafrahmen wird durch § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG bestimmt (§ 52 Abs. 2 Satz 1 StGB). Angesichts der Professionalität des Handeltreibens, namentlich des raschen Umsatzes erheblicher Rauschgiftmengen mittels kryptierter Mobiltelefone, und in Abgleich mit den in den Fällen 1, 5, 8, 9, 23, 26 und 31 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen ist auszuschließen (§ 337 Abs. 1 StPO, § 354 Abs. 1 StPO analog), dass das Landgericht noch geringere Einzelfreiheitsstrafen verhängt hätte, wenn es unter Berücksichtigung der neuen Gesetzeslage die umgesetzten Cannabismengen zu den umgesetzten Kokainmengen ins Verhältnis gesetzt hätte.
2. Die - zulässig erhobene (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) - Rüge der Verletzung des § 261 StPO, die sich auf den rechtzeitig erhobenen Widerspruch gegen die Verwertung der über die auf die eingesetzten Mobiltelefone aufgespielten und in der Taschenrechnerfunktion versteckten App „Anom“ erlangten Beweise stützt und allein die Fälle 26 bis 34 der Urteilsgründe betrifft, greift im Ergebnis nicht durch.
a) Der Entscheidung des Senats liegt der folgende, vom Beschwerdeführer vorgetragene und unwiderlegt gebliebene Sachverhalt zugrunde:
Im Jahr 2017 ermittelten Behörden des Justizministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) gegen das Unternehmen P., das Kryptomobiltelefone ausschließlich an Mitglieder krimineller Vereinigungen, vornehmlich international agierende Drogenhändler, zur verschlüsselten Kommunikation veräußerte. Nach Einleitung von Strafverfahren gegen Verantwortliche dieses Unternehmens ließ das Federal Bureau of Investigation (FBI) eigens entwickelte Kryptomobiltelefone mit dem Namen „Anom“ an kriminelle Organisationen veräußern. Für eine sechsmonatige Nutzungsdauer in Europa mussten die Erwerber eine Gebühr zwischen 1.000 und 1.500 € mit Online-Zahlungsmitteln, etwa Bitcoins, bezahlen. Obwohl jedes Anom-Gerät Ende-zu-Ende-verschlüsselt war, verfügte das FBI ohne Wissen der Nutzer über die Codes, um jede Nachricht zu entschlüsseln. Der Server, an den bei Versand einer Nachricht eine Kopie gesendet wurde, stand nach Auskunft des US-Justizministeriums seit Sommer 2019 in einem europäischen Staat, dessen Identität das FBI auf dessen Bitte nicht preisgab; auch warum der Drittstaat um Geheimhaltung bat, ist unbekannt. Jedenfalls sei dort im Oktober 2019 ein Gerichtsbeschluss ergangen, der ein Kopieren des Servers und den Empfang seiner Inhalte alle zwei bis drei Tage ermöglichte. Im Anschreiben des Justizministeriums der USA vom 27. April 2022 an die Generalstaatsanwaltschaft Fr. hieß es (Seite 14 der Revisionsbegründung):
„Das Drittland, welches den Anom-Server gehostet hat, liegt in der Europäischen Union und dieses Drittland setzte sein eigenes gerichtliches Verfahren zur Erwirkung eines Gerichtsurteils ein, um das Kopieren der Nachrichten, die an den Server weitergeleitet wurden, genehmigen zu lassen.“ Im Rechtshilfeverkehr leitete der Mitgliedstaat der Europäischen Union die Anom-Server-Daten jeden Montag, Mittwoch und Freitag an das FBI weiter. Das Aus- und Weiterleiten der Daten war nach dem Gerichtsbeschluss, dessen Inhalt bis zuletzt nicht bekannt geworden ist, zeitlich bis zum 7. Juni 2021 begrenzt. Das Bundeskriminalamt erhielt ab September 2020 über eine internetbasierte Auswerteplattform mit einem Zeitverzug von zwei bis drei Tagen informatorisch Zugang zu den dekryptierten Inhaltsdaten mit Deutschlandbezug. Am 31. März 2021 leitete die Generalstaatsanwaltschaft Fr. UJs-Verfahren gegen die Nutzer der Anomkryptohandys ein und stellte am 21. April 2021 ein Rechtshilfeersuchen an das US-Justizministerium, das mit Schreiben vom 3. Juni 2021 der Verwertung der übersandten Daten zustimmte. Allerdings wurde klargestellt, dass das FBI keine zusätzliche Unterstützung in deutschen Strafverfahren wie etwa durch Zeugenaussagen oder Authentifizierung von Dokumenten leisten werde.
b) Der Angeklagte macht geltend, § 261 StPO sei bereits deswegen verletzt, weil die das Kopieren und Sichern der über die „Anom“-Mobiltelefone ausgetauschten Nachrichten anordnenden Gerichtsbeschlüsse des von den USA ersuchten EU-Mitgliedstaates, sofern sie überhaupt existierten, anders als in den „EncroChat“-Fällen nicht bekannt seien (Beschlüsse vom „Hörensagen“). Da das FBI den europäischen Staat nicht einmal benenne und die Beschlüsse zurückgehalten würden, sei die Überprüfung verwehrt, ob die Entscheidungen grundlegenden rechtsstaatlichen Standards genügten. Davon sei im Zweifel zugunsten des Angeklagten nicht auszugehen; vielmehr obliege den Strafverfolgungsbehörden im Wege einer Beweislastumkehr der Nachweis, dass rechtsstaatliche Grundsätze eingehalten worden seien. Zudem habe sich der Angeklagte gegen die Abhörmaßnahmen als solche nicht wehren können, was mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (etwa Urteil vom 12. September 2023 - 64371/16 und 66407/16 Rn. 88 ff.) nicht vereinbar sei. Das FBI, das nicht nur als Strafverfolgungsorgan, sondern auch als Inlandsgeheimdienst der US-Bundesregierung fungiere und im kriminellen Vorfeld unabhängig von konkreten Verdachtsmomenten tätig werde, habe „Befugnis-Shopping“ betrieben; eine Rechtsgrundlage für die Abhörmaßnahmen auf dem eigenen Staatsgebiet habe nicht bestanden. Diesen Rechtsmissbrauch hätten sich die deutschen Strafverfolgungsbehörden zu eigen gemacht. Pauschal jeden Nutzer eines Kryptohandys dem kriminellen Milieu zuzuordnen, unterstelle jenen einem Generalverdacht. Nach alledem sei eine Abwägung des Schutzbedürfnisses des Angeklagten mit dem Strafverfolgungsinteresse nicht möglich, weil nicht beurteilt werden könne, mit welchem Gewicht etwaige bei der Erhebung der Anom-Daten begangene Verfahrensverstöße einzustellen seien.
c) Die von den USA übermittelten Nachrichten, die über „Anom“-Mobiltelefone ausgetauscht wurden, sind verwertbar. Ein Beweisverwertungsverbot folgt weder aus völker- oder europarechtlichen Grundsätzen noch aus dem deutschen Recht. Insbesondere hindern die Erkenntnisdefizite zur Erhebung der Daten, zu den Gerichtsbeschlüssen sowie der Umstand, dass sich der Angeklagte hiergegen nicht unmittelbar wehren konnte (Fehlen eines Primärrechtschutzes), die Verwertbarkeit nicht.
aa) Verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Verwertung in der Hauptverhandlung erhobener Beweise ist § 261 StPO. Die Vorschriften der § 244 Abs. 2, § 261 StPO berechtigen und verpflichten das Strafgericht, die Beweisaufnahme zur Ermittlung des wahren Sachverhalts grundsätzlich auf alle zur Verfügung stehenden Beweismittel zu erstrecken. Damit trägt das Gesetz den verfassungsrechtlichen Erfordernissen der Wahrheitserforschung im Strafprozess und der funktionstüchtigen Strafrechtspflege Rechnung. Verwertungsverbote sind demgegenüber eine begründungsbedürftige Ausnahme (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 und 1857/10, BVerfGE 130, 1 Rn. 117 mwN).
bb) Für die Verwertung von im Wege der Rechtshilfe gewonnenen Beweisen gilt grundsätzlich nichts Anderes.
(a) Ob im Wege der Rechtshilfe erlangte Beweise verwertbar sind, richtet sich ausschließlich nach dem nationalen Recht des um Rechtshilfe ersuchenden Staates, soweit - wie hier - der um Rechtshilfe ersuchte Staat die unbeschränkte Verwendung der von ihm erhobenen und übermittelten Beweisergebnisse gestattet hat. Demgegenüber ist die Rechtmäßigkeit von Ermittlungshandlungen - jenseits etwaiger Vorgaben des ersuchenden Staates, also insbesondere im Rechtshilfeverkehr zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen [nachfolgend: RL EEA]) - nach dem Recht des ersuchten Staates zu bewerten. Die Gerichte des ersuchenden Staates dürfen die hoheitlichen Entscheidungen des ersuchten Staates grundsätzlich nicht am Maßstab von dessen Rechtsordnung überprüfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21, BGHSt 67, 29 Rn. 26; vom 21. November 2012 - 1 StR 310/12, BGHSt 58, 32 Rn. 21 und vom 9. April 2014 - 1 StR 39/14 unter 1.). Im Rechtshilfeverkehr ist es vielmehr geboten, Strukturen und Inhalte fremder Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu achten, auch wenn sie im Einzelnen nicht mit den innerstaatlichen - hier deutschen - Auffassungen übereinstimmen, andernfalls man die Souveränität des anderen Staates in Frage stellen würde (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. Dezember 2019 - 2 BvR 1258/19 und 1497/19 Rn. 55 sowie vom 6. Juli 2005 - 2 BvR 2259/04 Rn. 24, BVerfGE 113, 154, 162 f.; jeweils mwN). Die Anwendung deutscher Verfahrensregeln ist vom anderen Staat, der die Beweise nach seiner nationalen Rechtsordnung in eigener Zuständigkeit erhoben hat, grundsätzlich nicht zu erwarten. Das bloße Nichteinhalten deutschen Rechts bei einer ausländischen Ermittlungsmaßnahme begründet daher nicht per se ein unselbständiges Beweisverwertungsverbot.
(b) Die Unverwertbarkeit von im Wege der Rechtshilfe erlangten Beweismitteln kann sich jedoch aus einem Verstoß gegen die Grundsätze des nationalen und europäischen ordre public (§ 73 Satz 1 IRG) oder aus einer Verletzung von Garantien des verbindlichen Völkerrechts mit Individualrechtsschutz - etwa Art. 3 EMRK - bei der Beweiserhebung ergeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21, BGHSt 67, 29 Rn. 32 und vom 21. November 2012 - 1 StR 310/12, BGHSt 58, 32 Rn. 38). Beweise, die unter Außerachtlassen nationaler und europäischer rechtsstaatlicher Mindeststandards gewonnen wurden, sind im deutschen Strafverfahren unverwertbar.
Dem ordre public unterfallen das unabdingbare Maß an Grundrechtsschutz und die nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandards (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 3. August 2023 - 2 BvR 1838/22 Rn. 51 und 53 mwN). Dabei sind auch die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle sowie die hierzu ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18. Dezember 2023 - 2 BvR 1368/23 Rn. 37 und vom 26. Februar 2018 - 2 BvR 107/18 Rn. 26; jeweils mwN). Der deutsche ordre public umfasst damit insbesondere die - einfachrechtlich in § 136a StPO zum Ausdruck kommende - Ächtung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 2007 - 2 BvR 1680/07 Rn. 24 mwN). Auch sonstige menschenwürderelevante Eingriffe in den Wesensgehalt des betreffenden Grundrechts können einen Verstoß gegen den ordre public begründen. Zu den unabdingbaren Grundsätzen gehört schließlich der Wesensgehalt der Verfahrensfairness sowie das Gebot der Verhältnismäßigkeit (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 22. November 2014 - 2 BvR 1820/14 Rn. 25 mwN).
cc) Von diesen Grundsätzen ausgehend unterliegen die mittels der App Anom kopierten und von den USA im Rechtshilfeweg zur Verfügung gestellten Daten keinem Beweisverwertungsverbot. Ein solches folgt weder aus einer nicht ausschließbaren Verletzung europarechtlicher Vorschriften (dazu unter [a]) noch aus dem ordre public (dazu unter [b]).
(a) Da nach Auskunft des US-Justizministeriums der unbekannte Drittstaat, auf dessen Anordnung die Anom-Daten erhoben wurden („überwachender Mitgliedstaat“), Mitglied der Europäischen Union war, wäre er gemäß Art. 31 Abs. 1 RL EEA verpflichtet gewesen, die zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland von der grenzüberschreitenden Telekommunikationsüberwachung zu unterrichten.
(aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hat Art. 31 Abs. 1 RL EEA individualschützenden Charakter. Denn die Vorschrift soll nicht nur die Achtung der Souveränität des zu unterrichtenden Mitgliedstaats gewährleisten, sondern auch sicherstellen, dass das in diesem Mitgliedstaat im Bereich der Überwachung des Telekommunikationsverkehrs, die in Art. 7 GrRCh eingreift, garantierte Schutzniveau nicht unterlaufen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 2024 - C-670/22 Rn. 124). Die an eine Verletzung des Art. 31 Abs. 1 RL EEA anknüpfende Fehlerfolge, mithin die Frage der Verwertbarkeit von in unionsrechtswidriger Weise erlangten Informationen und Beweisen im Rahmen eines Strafverfahrens, bestimmt sich nach dem nationalen Recht (vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 2024 - C-670/22 Rn. 128-130 mwN).
(bb) Die Strafprozessordnung enthält keine allgemeinen Regelungen zur Frage, welche Rechtsfolgen eine rechtswidrige Erhebung oder Verwendung von Informationen nach sich zieht; dies ist nur ausnahmsweise geregelt (vgl. § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO). Auch Verwendungs- und Verwertungsverbote, die an eine rechtswidrige Informationserhebung oder -verwendung anknüpfen, sind jeweils nur für Einzelfälle ausdrücklich angeordnet (vgl. etwa § 100d Abs. 2, Abs. 5 Satz 1, § 101a Abs. 4, § 108 Abs. 2 und 3, § 160a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3, § 161 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1, § 479 StPO). Der Bundesgerichtshof hat deshalb eine Abwägungslehre entwickelt. Danach führt ein Rechtsverstoß bei der Beweiserhebung nicht ohne Weiteres zur Unverwertbarkeit der dadurch erlangten Erkenntnisse. Es bedarf in jedem Einzelfall einer Abwägung der für und gegen die Verwertung sprechenden Gesichtspunkte. Für die Verwertbarkeit spricht auf der einen Seite stets das staatliche Aufklärungsinteresse, dessen Gewicht im konkreten Fall vor allem unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit weiterer Beweismittel, der Intensität des Tatverdachts und der Schwere der Straftat bestimmt wird. Auf der anderen Seite muss berücksichtigt werden, welches Gewicht der Rechtsverstoß hat. Dieses wird im konkreten Fall vor allem dadurch bestimmt, ob der Rechtsverstoß gutgläubig, fahrlässig oder vorsätzlich begangen wurde, welchen Schutzzweck die verletzte Vorschrift hat, ob der Beweiswert beeinträchtigt wird, ob die Beweiserhebung hätte rechtmäßig durchgeführt werden können und wie schutzbedürftig der Betroffene ist. Verwertungsverbote hat der Bundesgerichtshof insbesondere bei grober Verkennung oder bewusster Missachtung der Rechtslage angenommen (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21, BGHSt 67, 29 Rn. 43). Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 und 1857/10, BVerfGE 130, 1 Rn. 117; jeweils mwN).
(cc) Nach Maßgabe dessen überwiegt das staatliche Aufklärungsinteresse gegenüber dem Recht des Angeklagten auf Privatleben und Kommunikation (Art. 7 GrRCh), selbst wenn der Drittstaat bei der Beweisgewinnung Art. 31 Abs. 1 RL EEA verletzt haben sollte. Die Maßnahmen hatten die Aufklärung besonders schwerwiegender Straftaten zum Ziel, namentlich Verbrechen im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von 15 Jahren bedroht sind. Eine tragfähige Verdachtslage für die Anordnung der Abhörmaßnahmen bestand. Der Beweiswert der zu erwartenden Erkenntnisse war hoch, da die Beteiligten in den Anom-Chats offen und objektiv nachvollziehbar über Drogengeschäfte in erheblichem Umfang kommunizierten. Zugleich standen andere, vergleichbar erfolgversprechende und ergiebige Ermittlungsansätze nicht zur Verfügung. Ein Rechtsmissbrauch (Befugnis- oder Forum-Shopping) der deutschen Strafverfolgungsbehörden ab Kenntnis von den Überwachungsmaßnahmen ist nicht anzunehmen. Die deutschen Behörden haben nicht an der Datengewinnung mitgewirkt; dafür, dass sie durch Zuwarten die Vorschriften der §§ 100a ff. StPO umgehen wollten, spricht nichts. Zugleich wiegt der Eingriff in die schutzwürdigen Rechtspositionen des Angeklagten nicht besonders schwer. Die einzig nutzbare, über eine Taschenrechner-App getarnte Funktion der Anom-Handys war der Austausch von Chat-Nachrichten im verschlüsselten Anom-System. Die betroffenen Kommunikationsinhalte bezogen sich allein auf die Begehung krimineller Handlungen. Der Kernbereich privater Lebensgestaltung war ersichtlich nicht betroffen, sodass die gewonnenen Informationen keinem aus Art. 1 Abs. 1 GG folgenden absoluten Beweisverwertungsverbot im Strafprozess unterliegen (vgl. dazu nur BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98, BVerfGE 109, 279, 331; Beschluss vom 31. Januar 1973 - 2 BvR 454/71, BVerfGE 34, 238, 245). Schließlich wirkt es sich nicht entscheidend aus, dass die Anom-Käufer über die Eigenschaften der „nicht sicheren“ Kryptogeräte getäuscht wurden. Denn wer sich ein Tatmittel in dem Glauben verschafft, dieses sei für kriminelle Zwecke besonders geeignet, verdient keinen Vertrauensschutz.
(b) Auch durch die Verwertung der Anom-Erkenntnisse wird weder in den Wesensgehalt der Grundrechte des Angeklagten eingegriffen noch der fair trial-Grundsatz oder das Gebot der Verhältnismäßigkeit im Sinne des ordre public verletzt.
(aa) Einen Rechtsfehler beim Transfer der Anom-Daten, der sich im Wesentlichen auf der Grundlage des bilateralen Vertrages vom 14. Oktober 2003 über die Rechtshilfe in Strafsachen i.V.m. dem Zusatzvertrag vom 18. April 2006 (USA-RhV; BGBl. 2007 II S. 1618, 1620, 1637; BGBl. 2010 II S. 829) sowie nach dem Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA über Rechtshilfe vom 25. Juni 2003 (USA/EU-RhAbk; BGBl. 2007 II S. 1618, 1652; BGBl. 2010 II S. 829) vollzieht, macht der Beschwerdeführer weder geltend noch ist ein solcher sonst ersichtlich. Ohnehin hat hier das US-Justizministerium als zentrale Behörde gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 USA-RhV ungeachtet der Frage, ob die Bestimmungen auch Individuen schützen, die Verwertung der zunächst im Wege der polizeilichen Rechtshilfe überlassenen Daten genehmigt.
(bb) Der Umstand, dass die Daten auf deutschem Staatsgebiet ohne Mitwirkung, Zustimmung und zunächst ohne Kenntnis der deutschen Behörden erhoben wurden, wirkt sich auf die Verwertbarkeit der Daten nicht aus. Sollte das FBI durch das Übersenden von Kopien von in Deutschland versandten oder empfangenen Nachrichten auf den Server im unbekannten Staat in die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland eingegriffen haben, wäre dies durch das auf dem vertraglich vorgesehenen Rechtshilfeweg gestellte Ersuchen der Generalstaatsanwaltschaft Fr. vom 21. April 2021 geheilt.
(cc) Die Erkenntnisdefizite, die sich daraus ergeben, dass sowohl die Identität des überwachenden Drittstaats als auch der Inhalt der dort ergangenen Beschlüsse nicht offengelegt worden ist, begründen keinen Verstoß gegen wesentliche rechtsstaatliche Grundsätze. Anhaltspunkte dafür, dass die von den USA erteilten Auskünfte über die Art und Weise der Ermittlungsmaßnahmen unzutreffend sind, bestehen nicht. Die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, es sei im Zweifel für den Angeklagten von der Rechtswidrigkeit ausländischer Beweiserhebung auszugehen, welche die Strafverfolgungsbehörden im Sinne einer Beweislastumkehr zu widerlegen hätte, trifft nicht zu. Im Gegenteil gebietet der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens, jedenfalls zunächst von der Rechtmäßigkeit von im Ausland vorgenommenen Amts- und Ermittlungshandlungen auszugehen. Dieser Grundsatz gilt auch im Rechthilfeverkehr mit den USA (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. Dezember 2019 - 2 BvR 1258/19 und 1497/19 Rn. 55, 59; vom 17. Mai 2017 - 2 BvR 893/17 Rn. 28 und vom 6. Juli 2005 - 2 BvR 2259/04 Rn. 24, BVerfGE 113, 154 [zur Auslieferung bei drohender Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung]). Die Rechtsordnung geht nämlich von der Eingliederung rechtsstaatlich verfasster Staaten in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft aus. Erst und nur dann, wenn belastbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der ersuchte Staat nicht rechtstreu verhalten hat, kann die Vermutung rechtmäßigen Handelns widerlegt sein.
Solche Anhaltspunkte bestehen hier nicht. Der Senat sieht keinen Anlass, am Wahrheitsgehalt der Auskünfte zu zweifeln. Durchgreifende Bedenken ergeben sich auch nicht daraus, dass die USA den europäischen Anordnungsstaat und dessen Beschlüsse unter Verweis auf eine Vertraulichkeitszusage diesem gegenüber nicht offengelegt haben. Vertraulichkeitszusagen und Quellenschutz sind auch dem deutschen Strafverfahren nicht fremd. Ermittlungsmaßnahmen müssen nicht uneingeschränkt transparent sein. So erlaubt etwa das deutsche Strafverfahrensrecht mit dem Einsatz verdeckter Ermittler gemäß § 110b StPO oder dem Verwenden fingierten kinderpornographischen Materials gemäß § 110d StPO i.V.m. § 176e Abs. 5, 1 und 3, § 184b Abs. 6, 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4, Satz 2 StGB (sogenannte „Keuschheitsprobe“) Ermittlungsmaßnahmen mit Täuschungscharakter. Hieraus mag sich zwar eine Rechtsschutzverkürzung für die Betroffenen ergeben. Die Aufgabe rechtsstaatlicher Mindeststandards geht indes hiermit angesichts der aufgezeigten geringen Eingriffstiefe der „Anom“-Abhörmaßnahmen nicht einher. Die Vertraulichkeitszusage ist auch nicht wegen des Inverkehrbringens der Anom-Mobiltelefone durch das FBI zu hinterfragen.
(dd) Bei der Operation „T.“ handelte es sich nicht um eine anlasslose Massenausforschung und Massendatenauswertung (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07 und 595/07, BVerfGE 120, 274; EGMR, Urteil vom 25. Mai 2021 - 58170/13, 62322/14, 24960/15 Rn. 322 ff. mwN) und damit im Kern geheimdienstliche Maßnahme, für die es im Strafverfahren bereits aufgrund ihres massenhaften Charakters keine Rechtsgrundlage geben kann. Überzeugend hat der Generalbundesanwalt hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Vielmehr handelte es sich hierbei um eine gezielte Maßnahme, die sich ausschließlich gegen Personen richtete, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für die Beteiligung an Straftaten der organisierten Kriminalität, insbesondere im Bereich des Betäubungsmittel- und Waffenhandels, bestanden. Schon angesichts der hohen Kosten und des auf kriminelle Kreise beschränkten Vertriebswegs (‚designed by criminals for criminals‘) begründete bereits der Erwerb eines Anom-Handys den Verdacht, dass der Nutzer das Gerät zur Planung und Begehung schwerer Straftaten, insbesondere solcher im Bereich der organisierten Kriminalität, einsetzte. Die Telekommunikationsüberwachung erfolgte damit nicht aufgrund eines ‚Allgemeinverdachts gegen eine Kommunikationsinfrastruktur‘ (Ferner, jurisPRStrafR 11/2023, Anm. 4, S. 4) oder eines ‚Generalverdachts gegen Verschlüsselung‘ (Pschorr/Wörner, StV 2023, 274 [280]), sondern aufgrund konkreter Verdachtsmomente gegen einzelne, wenn auch noch nicht identifizierte Personen.“
Für eine sechsmonatige Nutzungsdauer in Europa war unter Verweis auf die vermeintliche Abhörsicherheit ein Entgelt zwischen 1.000 und 1.500 € in einer Kryptowährung (z.B. Bitcoins) zu entrichten. Dies trägt den Schluss, dass die Anschaffung eines solchen Geräts zur Begehung allein von Bagatelldelikten oder zur verschlüsselten Kommunikation aus anderen Gründen als zur Begehung von (schweren) Straftaten fernlag.
(ee) Die Abschöpfung der Anom-Daten war nicht unverhältnismäßig. Bereits der gezielt auf die Bedürfnisse der organisierten Kriminalität ausgerichtete Absatzweg schloss eine Erfassung Unverdächtiger aus. Der staatliche Auftrag zum Schutz seiner Bürger insbesondere vor den von Drogenhandel und organisierter Kriminalität ausgehenden Gefahren und das verfassungsrechtliche Gebot einer funktionsfähigen Strafrechtspflege sind äußerst gewichtig (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168 Rn. 57). Die gegenständliche Maßnahme hat, wie aufgezeigt, nichts mit einer Massenüberwachung zu tun. Ihr Einsatz war in Abgrenzung zu einer geheimdienstlichen Tätigkeit wegen der Verdachtsmomente, die aus der Nutzung der App als Nachfolgerin der App P. folgte, auch nicht anlasslos. Das Sichern der ausgetauschten Anom-Nachrichten ist eine zulässige kriminalistische List, die ihrerseits nach den Mitteilungen des US-Justizministeriums von Gerichtsbeschlüssen überwacht worden ist. Dass bei einer solchen Verdachts- und Beweislage zunächst ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und im Zuge dessen die zeitlich befristete Erhebung aller Nutzerdaten des Anom-Dienstes richterlich angeordnet wird, lässt grundlegende Rechtsstaatsdefizite oder einen Verstoß gegen menschen- oder europarechtliche Grundwerte nicht erkennen.
(ff) Schließlich verletzt die Verwertung der Anom-Daten nicht den Wesensgehalt des deutschen und europäischen „fair trial“-Grundsatzes (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 EMRK).
(1) Das Recht auf ein faires Verfahren, das seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Freiheitsrechten und Art. 1 Abs. 1 GG hat, enthält keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote; vielmehr bedarf es der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Das Recht auf ein faires Verfahren wird erst dann verletzt, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 und 1857/10, BVerfGE 130, 1 Rn. 111 f. mwN). Vergleichbar ist der Wesensgehalt des in Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 EMRK verankerten Rechts auf ein faires Verfahren ausgestaltet. Eine Verletzung einzelner Verfahrensgarantien reicht hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Verfahren als Ganzes, einschließlich der Art und Weise, in der die Beweisaufnahme durchgeführt worden ist, als unfair erweist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 und 1857/10, BVerfGE 130, 1 Rn. 112 mwN; EGMR, Urteil vom 25. März 1999 - 25444/94; BGH, Beschluss vom 21. November 2012 - 1 StR 310/12, BGHSt 58, 32 Rn. 29).
Im Rahmen dieser Gesamtschau sind nicht nur die Rechte des Beschuldigten, insbesondere seine prozessualen Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können, sondern auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen. Das Rechtsstaatsprinzip gestattet und verlangt die Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann. Es besteht daher die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten. Diese muss dem Schuldgrundsatz Rechnung tragen, der sich aus der Garantie der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG) sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 und 1857/10, BVerfGE 130, 1 Rn. 113 mwN; vgl. auch EGMR, Urteil vom 11. Juli 2006 - 54810/00 Rn. 97 - Jalloh/Deutschland).
(2) Nach Maßgabe dessen verstößt es nicht gegen rechtsstaatliche Mindeststandards, dass der Angeklagte keine Möglichkeit hatte, die Anordnungsbeschlüsse als solche gerichtlich überprüfen zu lassen.
(2.1) Bei Verwertung rechtmäßig erhobener Daten ist die Verhältnismäßigkeit der Informationsverwertung im Urteil in aller Regel durch Beschränkungen der vorangehenden Informationserhebung gewährleistet, da Ermittlungsmaßnahmen und Beweiserhebungen regelmäßig nur unter einschränkenden Voraussetzungen zulässig sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 und 1857/10, BVerfGE 130, 1 Rn. 146 mwN). Werden im Ausland gewonnene Beweise verwertet, die im Wege der Rechthilfe gewonnen wurden, ist die sonst vorherrschende Struktur des Strafverfahrens mit der ihm inhärenten Filterfunktion bereits auf der Ebene der Informationserhebung allerdings - wie hier - durchbrochen.
(2.2) Der Angeklagte wendet im Ausgangspunkt zu Recht ein, ihm habe gegen die gerichtliche Anordnung der Überwachungsmaßnahme durch den europäischen Drittstaat keine Beschwerdemöglichkeit zur Verfügung gestanden. Der fehlende Primärrechtsschutz bewirkt eine Rechtsschutzverkürzung. Dies hat im Ergebnis aber nicht die Unverwertbarkeit der Anom-Erkenntnisse zur Folge. Denn der Wesensgehalt der hierdurch eingeschränkten Grundrechte des Angeklagten, namentlich des Fernmeldegeheimnisses des Art. 10 Abs. 1 GG und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.
Der Wesensgehalt im Sinne des Art. 19 Abs. 2 GG bezeichnet die äußerste Grenze für staatliche Eingriffe (vgl. Dürig/Herzog/Scholz/Durner, 105. EL August 2024, GG Art. 10 Rn. 200; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1984 - 1 BvR 1494/78, BVerfGE 67, 157, 174 [keine „globale oder pauschale Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs“] und EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2015 - C-362/14 [Schrems/Data Protection Commission]). Der Wesensgehalt oder „Wesenskern“ des Art. 10 GG wird nach institutionellem Verständnis in der strikten Beachtung der Verhältnismäßigkeit, insbesondere in einem Verbot von „Globalangriffen“ auf das Grundrecht gesehen (vgl. Dürig/Herzog/Scholz/Durner, 105. EL August 2024, GG Art. 10 Rn. 200 mwN). In der individuellen Lesart entspricht er dem Menschenwürdekern des Art. 10 GG (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. Juni 1984 - 1 BvR 1494/78, BVerfGE 67, 157, 171 und vom 20. September 2016 - 2 BvE 5/15, BVerfGE 143, 1, 10). In diesem Sinne gewährt das Grundgesetz dem Einzelnen einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt selbst bei überwiegenden Interessen der Allgemeinheit gänzlich entzogen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 und 1857/10, BVerfGE 130, 1, 21 ff.). In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08 und 1 BvR 586/08, BVerfGE 125, 260, 322) etwa eine sechsmonatige Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht als geeignet angesehen, bereits für sich genommen das Prinzip des Art. 10 Abs. 1 GG als solches aufzuheben; sie verletze „weder dessen Menschenwürdekern (Art. 1 Abs. 1 GG) noch dessen Wesensgehalt (Art. 19 Abs. 2 GG)“.
Durch die „Anom“-Abhörmaßnahmen wird der Wesenskern des Art. 10 GG institutionell wie auch individuell (durch die Verwertung der Anom-Erkenntnisse) nicht berührt. Vergleichbare Maßnahmen sieht die Strafprozessordnung in den (verfassungsrechtlich gebilligten) §§ 100a ff. StPO vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 100a StPO dürfen aufgrund der Grundsätze eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens die aus einer rechtswidrig angeordneten Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse zwar regelmäßig nicht als Beweismittel verwertet werden (vgl. BGH, Urteile vom 17. März 1983 ? 4 StR 640/82, BGHSt 31, 304, 308 f.; vom 24. August 1983 ? 3 StR 136/83, BGHSt 32, 68, 70 und vom 16. Februar 1995 ? 4 StR 729/94, BGHSt 41, 30, 31; Beschlüsse vom 10. Januar 2024 - 2 StR 171/23 Rn. 28; vom 1. August 2002 - 3 StR 122/02, BGHSt 47, 362, 365 f. und vom 26. Februar 2003 ? 5 StR 423/02, BGHSt 48, 240, 248). Das gilt insbesondere für Fälle, in denen es an einer wesentlichen sachlichen Voraussetzung für die Anordnung der Maßnahme nach § 100a StPO gefehlt hat. Dementsprechend hat es etwa die Unverwertbarkeit zur Folge, wenn der Verdacht einer Katalogtat von vornherein nicht bestanden hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1983 ? 4 StR 640/82, BGHSt 31, 304, 309). Aufgrund der aufgezeigten Besonderheiten der Operation „T.“ steht indes fest, dass die Überwachungsmaßnahmen von Anfang an auf die Katalogtaten des § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. m, Nr. 7, 11 StPO begrenzt waren. Die Voraussetzungen des § 100a StPO wären ersichtlich gegeben gewesen. Selbst wenn zur Wahrung strikter Verhältnismäßigkeit - und um jede denkbare Benachteiligung des Betroffenen auszuschließen - die Verwendungsschranke mit dem höchsten Schutzniveau (§ 100e Abs. 6 StPO) heranzuziehen gewesen wäre (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21, BGHSt 67, 29 Rn. 68), hätten die Daten verwertet werden dürfen.
Ebenso liegt es im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Angeklagten. Informationen aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung hat das Landgericht ersichtlich nicht verwertet.
Ein durch polizeiliche Tatprovokation begründeter Verstoß gegen den Wesensgehalt des fairen Verfahrens (vgl. dazu EGMR, Urteile vom 24. Januar 2023, Kammer IV [Ausschuss], 54664/16 - Jevtic/Österreich und vom 23. Oktober 2014 - 54648/09 - Furcht/Deutschland) kommt gleichfalls nicht in Betracht. Denn dafür reicht ein bloßer Bedingungszusammenhang nicht aus. Entscheidend ist vielmehr, dass die „Druckausübung“ sich auch im Verhältnis zum mittelbar betroffenen Täter weiter fortgesetzt hat. Maßgeblich ist darauf abzustellen, ob die Aktivitäten des nicht in unmittelbaren Kontakt mit dem polizeilichen Ermittler gekommenen Täters vom Verhalten der Polizei geleitet waren, dieser also durch die staatlichen Ermittler in irgendeiner Form zu seiner Tatbeteiligung verleitet wurde (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2021 - 1 StR 197/21 Rn. 41 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des EGMR). Für einen Kontakt der Tätergruppierung um den Angeklagten zu Mittelsmännern des FBI besteht kein Anhaltspunkt.
Die zulässige Täuschung des FBI lag ohnehin alleine darin, die Erwerber der Anom-Geräte glauben zu lassen, die über Anom geführten Chats seien durch eine - insbesondere für die Strafverfolgungsbehörden - undurchdringliche Verschlüsselung geschützt. Dies wird anschaulich dadurch bekräftigt, dass der Beschwerdeführer 25 gleichgelagerte Straftaten bereits vor dem Erwerb des Anom-Geräts unter Nutzung anderer Kryptiersysteme (SkyECC) begangen und den Handel mit Betäubungsmitteln damit ohne maßgebliche Änderung des strafrechtlich relevanten Handelns schlicht fortsetzte.
dd) Ergänzend tritt hinzu, dass sich das gegen den Angeklagten geführte Strafverfahren insgesamt als fair erweist. Die Verwertung der Anom-Nachrichten betrifft nur neun von 35 Fällen. Daneben hat der Zeuge F. den Angeklagten als Nutzer des accounts „pa.“ benannt. Die Fälle 26 bis 34 der Urteilsgründe sind in die Gesamtwürdigung aller Fälle einschließlich der Beschlagnahme im letzten Fall einzustellen. Das Landgericht hat die Chatinhalte nicht ungeprüft in seine Beweiswürdigung übernommen, sondern diese beispielsweise bei der Identifizierung des Angeklagten sowohl mit weiteren Chatinhalten Dritter (UA S. 24) als auch mit anderen Beweismitteln abgeglichen (UA S. 25 f.) und sich auf diese Weise nachvollziehbar von deren Authentizität überzeugt. Dies stimmt mit der Auswertung der nicht angegriffenen SkyECC-Nachrichten überein. Die Überzeugung des Landgerichts, dass der Nutzer des accounts „pa.“ auch derjenige der SkyECC-Accounts“ “ und“ “ war, ist frei von Rechtsfehlern.
d) Was die Fälle 27, 32 und 34 der Urteilsgründe betrifft, in denen sich der Handel innerhalb der Anom-Fälle allein auf Cannabis bezog, so führt die Neuregelung der Straftatbestände durch das KCanG nicht dazu, dass die Verwertung der Anom-Daten durch das Landgericht rückwirkend - etwa wegen der Änderung des Maßnahmekatalogs des § 100b StPO - als unzulässig anzusehen wäre. Für die Prüfung der Verwertbarkeit kommt es auf den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Verwertung der Beweisergebnisse an (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21, BGHSt 67, 29 Rn. 70). Das Revisionsgericht verwertet aber nicht selbst Beweismittel, sondern prüft nur die rechtsfehlerfreie Verwertung durch das Tatgericht. Diese Konstellation ist nicht mit dem umgekehrten Fall vergleichbar, bei welchem der enumerative Katalog zwischen Tatsachen- und Revisionsentscheidung verschärft wird (vgl. dazu BGH, Urteile vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 24 und vom 27. November 2008 - 3 StR 342/08, BGHSt 53, 64 Rn. 13; Beschluss vom 21. November 2012 - 1 StR 310/12, BGHSt 58, 32 Rn. 45) und der Verfahrensmangel aus prozessökonomischen Gründen geheilt wird. Zum Zeitpunkt der Verwertung erweist sich die Entscheidung des Tatgerichts nicht als rechtsfehlerhaft.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 235
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede